Der Bobfahrer Manuel Machata war selbst nicht qualifiziert für die Winterspiele in Sotschi und hat seine Kufen dem späteren Olympiasieger vermacht. Das brachte ihm eine einjährige Sperre und eine Strafzahlung ein. Nun soll die Kufen-Posse neu verhandelt werden.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Filderstadt-Bernhausen - Der Sportmanager Axel Watter lehnt sich auf seiner Terrasse in Filderstadt-Bernhausen gemütlich zurück und trinkt Kaffee. Der Frühling kündigt sich an. Schon Anfang April droht Sonnenbrandgefahr, und der Winter mit seinen Olympischen Spielen in Sotschi liegt bereits einige Wochen zurück. Trotzdem muss Watter noch einmal zurückdenken an diese Spiele, denn für seinen Klienten Manuel Machata hat Olympia ein Nachspiel. Es ist eine kuriose Geschichte, zumal Machata in Sotschi gar nicht starten durfte. Der Bobfahrer hatte die Qualifikation für das Winterspektakel verpasst.

 

Vielleicht ist es zu dieser merkwürdigen Story gekommen, weil der Bob- und Schlittenverband (BSD) einen Sündenbock für den Einbruch der deutschen Bobpiloten in Russland brauchte. Zum letzten Mal hatten sie vor 50 Jahren keine olympische Medaille geholt, nach fünf erfolgreichen Dekaden ist es jetzt wieder so weit.

Auf der Suche nach einem Schuldigen wurden kurz nach den Spielen der BSD-Präsident Andreas Trautvetter, aber vor allem sein angriffslustiger Vize Rainer Jacobus fündig: Manuel Machata. Dessen Kufen wurden nach seiner gescheiterten Qualifikation an Alexander Subkow vermacht, was wiederum dazu geführt haben soll, dass der Russe im Vierer und im Zweier Gold gewann – während die Deutschen in die Röhre guckten.

Eine Strafe im Schnellverfahren

Diesen Akt des Hochverrats wollte sich das Verbandspräsidium nicht bieten lassen. Also verhängte es wie ein Schnellgericht eine Strafe für einen, der gar nicht am Start war: ein Jahr Sperre für Machata und 5000 Euro wegen „verbandsschädigendem Verhalten“, so lautete das Urteil. Der bayerische Bobfahrer ist 29 Jahre alt, da kann eine einjährige Wettkampfsperre das Karriereende bedeuten, sollte er den Anschluss nicht mehr finden. Aber auch die finanzielle Absicherung durch Bundeswehr und Sportförderung steht auf dem Spiel. „Eine Sperre wäre für mich der Gnadenstoß, dann würde ich definitiv nicht weitermachen“, sagt Machata. Ihm stülpen sie nun offenbar das Büßerhemdchen über, obwohl er die Spiele in Sotschi nur als Zuschauer verfolgte. Die „Süddeutsche Zeitung“ spricht von einem Rechtsverständnis wie im Mittelalter. Und nicht nur sie.

Auch Axel Watter schüttelt den Kopf. Für dieses Urteil gebe es keine Rechtsgrundlage, sagt er, denn dass Kufen im Bobsport ausgetauscht würden, sei ein ganz normaler Vorgang. Außerdem sei das Material Machatas Angelegenheit und nicht die des Verbandes. „Wenn die deutschen Bobfahrer zwei Medaillen in Sotschi gewonnen hätten, wäre über Manuels Kufen überhaupt nicht geredet worden“, sagt Watter – kurz vor der Tagung des BSD-Rechtsausschusses.

Am heutigen Montag wird sich dort Manuel Machata mit einem Verbandsjuristen und dem BSD-Geschäftsführer Thomas Schwab auf dem Münchner Flughafen an einen Tisch setzen, die Anwälte beider Seiten sind auch dabei. Der Fall wird neu verhandelt. „Ich denke, dass wir uns in der Mitte treffen und möglicherweise die Sperre aufheben“, sagt Schwab. Er möchte dem Treffen aber nicht vorgreifen.

Furcht vor den Sponsoren

Eine abgemilderte Sanktion käme für Watter derweil überhaupt nicht infrage. So könnte die Angelegenheit nach Ansicht des Managers doch noch vor einem Sportgericht landen. Für den Betroffenen selbst wäre ein reduziertes Strafmaß auch keine Lösung der Kufen-Posse. „Ich akzeptiere keine Sanktionen, weil ich nichts falsch gemacht habe, und ich lass mich auch nicht einfach so bestrafen“, sagt Machata mit Empörung in der Stimme. Er ist gerade aus einem Urlaub in den USA zurückgekehrt, in dem ihn der Fall sehr beschäftigt hat.

Mit seinem Urteil hat der Verband ungewöhnlich rasch reagiert, wohl auch aus Furcht, den Sponsoren könnte es übel aufstoßen, dass ein russischer Konkurrent mit deutschem Material Olympiasieger wird. „Es ging um die Außenwirkung“, sagt der BSD-Mann Schwab. „Man wollte da dem Geldgebern signalisieren, dass man mit der Weitergabe der Kufen nicht einverstanden war.“ Die Athleten würden ja gut gefördert durch öffentliche Mittel, da könne man ja wohl im Gegenzug erwarten, dass mit den Gönnern kooperiert werde.

Hersteller wollte sein Material bei Olympia sehen

Eine ganz andere Sicht der Dinge hat da Machata. Das Weiterreichen der Kufen an einen anderen Piloten sei legitim gewesen. Zumal der gebürtige Berchtesgadener, der für den SC Potsdam startet, dem Russen Subkow das Material nicht aus eigenen Stücken zukommen ließ. Die Kufen hatte er vor der Olympiaqualifikation von dem Schweizer Spezialisten und Händler Pius Meyerhans erhalten. Im Falle der Qualifikation hätte Machata sie auch in Sotschi benutzen dürfen. Andernfalls hätte der Schweizer die Stücke zurückgefordert.

Und so kam es auch: nachdem sich Machata nicht für Olympia qualifiziert hatte, bat Meyerhans ihn darum, den Kufensatz direkt an Alexander Subkow weiterzugeben. Das sei das gute Recht des Schweizers gewesen, der sein Material bei Olympia sehen wollte, erzählt Machata. Daher gehe der Deal den BSD im Prinzip nichts an. „Die Kufen haben mit dem Verband so viel zu tun wie ich mit einem Astronauten“, sagt der Weltmeister des Jahres 2011 verärgert.

Kufen wechseln oft den Besitzer

Bobkufen werden wie ein Heiligtum behandelt. Finanziell gut aufgestellte Verbände bestellen schon mal 60 Sätze von Rohlingen, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass sich darunter mehrere Exemplare mit dem reinsten Material befinden. Nur diese werden dann auch geschliffen. Die Kufen von Subkow sind vier Jahre alt. Sie haben sich bewährt. Bobkufen werden gehandelt wie bei den Reitern gute Rennpferde – und so wechseln sie sehr oft den Besitzer. Entweder werden sie verkauft oder verliehen. Das ist bekannt – doch nun stört sich der BSD an Machatas Alleingang.

Der Ärger über die Subkow-Kufe ging sogar so weit, dass der Brandenburgische Bob- und Schlittenverband, unter dessen Flagge Machata startet, schriftlich die Abberufung des BSD-Vizepräsidenten Rainer Jacobus forderte. In einer Pressemitteilung warfen die Brandenburger ihm vor, in der Casa Machata völlig versagt und dadurch den BSD in der Öffentlichkeit in Misskredit gebracht zu haben.

Überdies habe Jacobus damit dem Ansehen des Athleten „persönlich und öffentlich“ geschadet. „Dass die da jetzt ein bisschen um sich schlagen, ist ganz normal. Doch dass sie es über die Presse machen, ist für uns nicht nachvollziehbar“, ärgert sich der BSD-Geschäftsführer Thomas Schwab über den Vorstoß des Landesverbandes.

Sotschi und das kleine Erdbeben danach. Allerdings hat keiner darüber nachgedacht, dass in Russland allein die Zeiten beim Anschieben der deutschen Bobs kaum ausgereicht hätten für Medaillen. Und dafür kann die Kufe nichts – und erst recht nicht Manuel Machata.