Es ist ein skurriles Detail, das nur wenigen auffällt: In zehn Meter Höhe stehen in der Gnadenkirche in Stuttgart-Heumaden zwei Bierflaschen. Seit 20 Jahren. Warum die keiner wegräumt, erklärt die Mesnerin Rita Köngeter anlässlich des heutigen Tages des Bieres.

Heumaden - Hopfen und Malz, Gott erhalt’s, heißt es. In Heumaden bekommt dieses Sprichwort eine ungeahnte Bedeutung. Denn dort werden zwei Bierflaschen seit gut 20 Jahren erhalten – ausgerechnet in der Gnadenkirche. Aber nicht etwa, weil in der Kirche an der Bockelstraße besonders große Fans des kühlen Blonden ein- und ausgehen, sondern weil schlichtweg keiner rankommt, um sie wegzuräumen. Tatsächlich stehen die beiden Glasflaschen in knapp zehn Metern Höhe, auf kleinen Vorsprüngen der Wand-Holzverkleidung. Wer es nicht weiß, erkennt die braunen Behältnisse vor braunem Hintergrund kaum. Man muss schon sehr genau hinschauen, um das Bier auf die Entfernung zu sehen. Wer die Flaschen aber entdeckt, muss unweigerlich grinsen.

 

Sie rollt die Geschichte anlässlich des Tags des Biers wieder auf

Auch Rita Köngeter, seit 40 Jahren Mesnerin bei der Gemeinde Heumaden-Süd, hat lang nicht mehr an die skurrile Geschichte gedacht. Anlässlich des heutigen Montags rollt sie sie noch einmal auf. Denn während der Internationale Tag des Bieres am ersten Freitag im August begangen wird, feiern die Deutschen am 23. April ihr Nationalgetränk. Der deutsche Tag des Bieres geht aufs Jahr 1516 zurück. Damals wurde das deutsche Reinheitsgebot bekannt gegeben. Seither gilt: Deutsches Bier darf nur mit Wasser, Hopfen und Gerste gebraut werden. Hefe wurde erst später erwähnt.

Welche Sorte über den Köpfen der Heumadener Kirchgänger thront, ist nicht auszumachen. Offenbar haben Bauarbeiter die Flaschen in Himmelsnähe vergessen. Oder sie haben sich einen Spaß erlaubt. „Etwa 1997 wurde die Kirche renoviert. Alles war eingerüstet, da man auch die Wände streichen musste“, erinnert sich Rita Köngeter. Sie nimmt an, dass Arbeiter sich nach dem Vesper ein paar Getränke aufs Gerüst mitgenommen haben, „das Bier wird sonst ja lack“, sagt sie und lacht. Dass da oben etwas zurückgeblieben ist, fiel erst nach dem Abbau des Gerüsts auf. Und jetzt ist es, wie es ist.

Ein Adventskranz stand in Flammen

So ganz bierernst sieht man das in der Gnadenkirche aber nicht. „Wir haben schon überlegt, ob wir einen Wettbewerb veranstalten sollen, bei dem man die Flaschen mit der Steinschleuder runterschießen kann“, sagt die 66-Jährige augenzwinkernd. Aber letztlich stört sich keiner an der etwas anderen Deko, und immerhin ist man in der Gnadenkirche Kurioses gewöhnt. Rita Köngeter erinnert sich beispielsweise noch gut daran, wie kurz nach der Renovierung in den 1990ern ein Adventskranz in Flammen stand, „die Leute haben noch wochenlang nach den Gottesdiensten nach Rauch gestunken“. Und zuletzt hat die Kirchenglocke schlapp gemacht. Bei der Investitur des neuen Pfarrers Ingo-Christoph Bauer wollte die partout nicht bimmeln. Ein Elektriker hat dieser Tage den Fehler gefunden: Wasser in einem Schaltkasten. Rita Köngeter sieht auch das mit Humor: „Es ist immer etwas geboten. Aber so soll Kirche sein – lebendig.“