Anhänger der so genannten Reichsbürgerbewegung haben am Schorndorfer Amtsgericht eine zeitweise turbulente Verhandlung verursacht. Ihrer Verschwörungstheorie nach sei das Deutsche Reich niemals erloschen, die Bundesrepublik daher nicht existent. Deren Autoritäten missachten sie.
Schorndorf - Sie kommen in den Gerichtssaal, ohne sich auf Aufforderung zu setzen, machen in der Verhandlung keine Angaben und fordern von den Richtern und Justizangestellten Ausweise, weil diese angeblich keine Vertreter eines legitimierten Staates seien. Angehörige der Reichsbürgerbewegung bringen Behörden gegenüber ihre Verachtung zum Ausdruck. Ein solcher Fall hat jetzt das Amtsgericht Schorndorf beschäftigt.
Nach einer zeitweise turbulenten Gerichtsverhandlung hat die Amtsrichterin Petra Freier am Dienstag einen 51-Jährigen aus dem Remstal wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 95 Tagessätzen, insgesamt 2850 Euro, verurteilt. Sie sah den Vorwurf, der sich auf einen anonymen Hinweis stützte, als erwiesen an. Dem Landeskriminalamt waren zwei Postings des Mannes auf der Internetplattform Facebook gemeldet worden, in denen er behauptete, dass Gaskammern im Dritten Reich in dieser Form nicht möglich gewesen, die Opferzahlen falsch angegeben seien. Dem Mann gingen daraufhin zwei Strafbefehle zu, denen er widersprach, weswegen er vor das Amtsgericht geladen wurde.
„Das ist hier alles eine Farce, ein Kasperlestheater“, sagt ein Begleiter des Angeklagten. Das Amtsgericht sei kein Gericht, sondern ein Geschäft. „Das erkennt man ja schon an Wörtern wie Geschäftszeichen“. Seine These stützt er auf Internseiten, die bewiesen, dass das Gericht lediglich eine Firma sei. Als die Richterin spricht, fallen weitere abfällige Bemerkungen, im Publikum werden Fotos gemacht, was im Gerichtssaal verboten ist. Die Richterin bittet um Ruhe, droht ein Ordnungsgeld an und unterbricht schließlich die Verhandlung vorübergehend.
Dann widmet sie sich dem Begleiter des Angeklagten, der sich selbst einen Rechtssachverständigen nennt. Er und der 51-Jährige nehmen trotz Aufforderung nicht an der Anklagebank Platz. „Wer sich setzt, der unterwirft sich“, sagt einer der Zuhörer. Der Begleiter kann keine Legitimation als Rechtsanwalt vorlegen. Er antwortet mit Hinweisen auf das Völkerrecht, die Haager Landkriegsordnung, und nennt das Vorgehen der Richterin „rechtsmissbräuchlich“, es verletzte „die Grund- und Menschenrechte“ seines Mandanten.
Als er trotz Aufforderung die Anklagebank nicht verlässt, gibt es eine erneute Unterbrechung. Vier vom Gericht herbeigerufene Polizisten erscheinen und setzen sich in die erste Reihe. Das Tuscheln im Publikum wird leiser. „Ich weiche der Gewalt“, sagt der Rechtssachverständige schließlich verächtlich, und setzt sich zu den übrigen Sympathisanten.
Dem Angeklagten hat er etliche bedruckte Seiten hinterlassen, welche die Rechtmäßigkeit des Gerichtes, seiner Angestellten und des Staates im Allgemeinen in Frage stellen. Die Richterin nimmt sie widerstrebend zu den Akten. Zu den Vorwürfen äußert sich der Angeklagte genauso wenig wie zu seinen Personalien und zu seinem Einkommen. Die Vorsitzende des Gerichts ist seiner Ansicht nach eine Scheinrichterin, sie habe sich nicht legitimiert, was alle Vorwürfe gegen ihn entkräfte. Er stellt ein Ablehnungsgesuch.
Petra Freier muss die Verhandlung ein drittes Mal unterbrechen. Sie verlässt den Raum und kehrt nach kurzer Zeit mit einer Erklärung zurück, in welcher ihr die Amtsgerichtsdirektorin bescheinigt, nicht befangen zu sein. In der Urteilsbegründung sagt sie, die Höhe der Geldstrafe von 2850 Euro beruhe auf einer Schätzung, der Angeklagte habe ja keine Angaben zu seinem Einkommen gemacht.
„Das bietet Stoff für eine Verfassungsklage“, sagt einer der selbst ernannten Sachverständigen im Publikum. Das Verfahren sei rechtsmissbräuchlich. „Dieses Urteil hat keine fünf Minuten Bestand.“