Alles öko – oder was? Die Energie-Tochter der Landeshauptstadt muss entscheiden, wie sie sich am Markt verkaufen will. Die Klärung ist aber noch einmal vertagt worden.

Stuttgart - Die richtige Strategie für die Stadtwerke Stuttgart (SWS) muss weiter gesucht werden. Jetzt soll sie in einer Sondersitzung beschlossen werden, die sich der Aufsichtsrat für Mai vorgenommen hat. Die Leitfrage wird lauten: Alles öko – oder was? Manches spricht dafür, dass sich dann der eher pragmatische Kurs von OB Fritz Kuhn (Grüne) durchsetzen wird und nicht der Denkansatz des Technischen Geschäftsführers Olaf Kieser.

 

Wenn es so kommt, würde das bedeuten: Die SWS dürfen künftig zur Produktion von Heizwärme und des Nebenproduktes Strom in Blockheizkraftwerken auch auf den fossilen Brennstoff Erdgas zurückgreifen – sie müssen nicht komplett ohne Emission des Treibhausgases Kohlendioxid oder nur mit Biogas arbeiten.

Ratsfraktionen wollen noch intern beraten

Zweieinhalb Stunden beriet der Aufsichtsrat bereits am Freitag hinter verschlossenen Türen. Das Recht dazu hatte er sich erkämpft, eine Tischvorlage auch. Sie enthalte aber nur Rahmendaten für eine künftige Strategie, heißt es. Man sei noch weit weg von Festlegungen. Die Vorbereitung galt insofern als ungenügend. Prompt reklamierten die Ratsfraktionen auch noch internen Beratungsbedarf. Die andere Seite habe ja auch monatelang auf die Rahmendaten warten lassen, sagt die SPD, dann lasse man sich jetzt nicht unter Druck bringen, obwohl man im Interesse der Energiewende und der Entwicklung der SWS dringend Klarheit brauche.

Kieser zog am Freitag dem Vernehmen nach in Zweifel, dass die SWS – wie früher angepeilt – mit einem lupenreinen Ökolabel werben und grünen Ökostrom propagieren können, wenn sie mit Erdgas Wärme und „Graustrom“ erzeugen. Aus dem fossilen Erdgas wird bei der Verbrennung nämlich Kohlendioxid, welches das Treibhausklima anheizt. Anders wird das bei Biogas betrachtet, das aus Abfällen oder Pflanzen gewonnen wird. Es gilt als CO2-neutral.

OB Kuhn dringt auf effizienten Energieeinsatz

Kieser hält mögliche Wärme- und Stromprojekte für Wohnanlagen allerdings für rar. Vier bis fünf Projekte könnten die SWS vielleicht pro Jahr gegen die Konkurrenz an Land ziehen. So ein Geschäftsfeld sei also kaum bedeutend. Außerdem ist unklar, wie es mit Erdgas weitergehe. Dänemark hat es beim Heizen bereits verboten.

Kiesers Kritiker halten seine Markteinschätzung für unterbewertet. Kuhn wandte auch ein, mit Kraft-Wärme-Kopplung werde der Energieträger Gas effizient genutzt. Die SWS könnten das Massengeschäft bei der Energiewende nicht anderen überlassen – und die Energiewende müsse bald kommen. Außerdem hat das Amt für Umweltschutz bei Energieprojekten in städtischen Gebäuden längst diesen Kurs. Wollten sich die SWS als Marke ohne CO2-Emissionen verkaufen, würde das Image der städtischen Energieberater angekratzt.

Windenergie bringt wenig Ertrag

Beim Verzicht auf Nahwärmenetze wäre man in einem Dilemma: Bei der Fernwärme ist unklar, wie viel Entfaltungsmöglichkeiten die EnBW den SWS lässt. Noch hütet sie das Fernwärmenetz. Dem Windradbau haben die SWS abgeschworen. Mit den bestehenden Anlagen war 2016 wenig verdient. Kieser schlug deshalb vor, die SWS sollten sich vor allem auf das Geschäftsfeld Elektromobilität und den Aufbau von Ladestrukturen verlegen, elektrisches Fahren forcieren. Bei der Linken genießt sein Ansatz Sympathie, aber schon innerhalb der Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus ist er diskussionsbedürftig.