Der Elektronikkonzern Bosch stellt die verlustreiche Solarsparte auf dem Prüfstand. Spätestens im Dezember will die Geschäftsführung das Schicksal des Bereichs Fotovoltaik besiegeln.

Stuttgart - Der Elektronikkonzern Bosch stellt die verlustreiche Solarsparte auf dem Prüfstand. Spätestens im Dezember will die Geschäftsführung das Schicksal des Bereichs Fotovoltaik mit 3500 Mitarbeitern und einem Umsatz von 800 Millionen Euro 2011 besiegeln. Drei Szenarien werden derzeit diskutiert. Dass Bosch die Reißleine ziehen wird und wie Siemens den Bereich zum Verkauf stellt, gilt als unwahrscheinlich. Variante eins: Möglich sei, dass die Stuttgarter einen industriellen Partner etwa in Asien suchen, der sukzessive Verantwortung und Kosten übernimmt, ist zu hören.

 

Variante zwei: Möglich sei auch, dass Bosch seinen Anspruch aufgibt, Komplettanbieter zu sein. Bisher rühmt sich der Konzern alles rund um die Fotovoltaik selbst zu machen – von den Kristallen, über Wafer, Zellen, Modulen bis hin zum Solarpark. Sukzessive könnte die Eigenfertigung runtergefahren, Komponenten, die Bosch selbst nicht rentabel herstellen kann, könnten zugekauft werden, so ist zu hören. Derzeit würden alle Prozessschritte auf ihre Rentabilität hin durchleuchtet, heißt es aus Konzernkreisen.

Variante drei: Die Mitarbeiter wünschen sich einen Zeitgewinn. Deshalb hat der Betriebsrat der Bosch Solar Energy AG in Arnstadt an die Geschäftsführung geschrieben. In dem Brief wird auf die Anstrengungen der Mitarbeiter verwiesen und auf den hohen Druck, unter dem sie derzeit stehen, wie aus Arbeitnehmerkreisen zu hören ist. Der Betriebsrat appellieren an die Geschäftsführung, den Standort nicht aufzugeben; man habe auch 2013 eine Chance verdient. Der Zeitpunkt für den Brief ist nicht zufällig gewählt: Erst vergangene Woche hat sich die Geschäftsführung getroffen, um das Thema zu behandeln.

Das Management hat die Latte hoch gelegt. Von den Entwicklern werden allerneueste Zell-Technologien gefordert, damit die Lücke hiesiger Kostennachteile gegenüber chinesischen Herstellern geschlossen werden kann. Diese Techniken sollen dann in dem noch zu bauenden Werk in Malaysia eingesetzt werden. „Die Mitarbeiter kämpfen wirklich“, urteilt Alfred Löckle, der Vorsitzende des Bosch-Konzernbetriebsrats. Tatsächlich scheinen große Fortschritte erzielt worden zu sein. Komplett aber konnte der Kostennachteil von 30 Prozent nicht kompensiert werden.

Bosch steht mit seinen Sorgen in der Solarsparte nicht alleine dar. Die einstige deutsche Vorzeigebranche steckt tief in der Krise. Viele der meist mittelständischen deutschen Anbieter schreiben Verluste. Viele mussten bereits den Gang zum Insolvenzgericht antreten, andere wurden verkauft. Gründe sind die Kürzung der Subventionen sowie der harte Wettbewerb vor allem der chinesischen Billiganbieter. Auch Bosch wurde hart getroffen. Rund 1,3 Milliarden Euro sollen die Stuttgarter durch Abschreibungen und Verlust bereits verloren haben, hat die „Financial Times Deutschland“ ausgerechnet.

Vielen Mitarbeitern ist die Arbeit ausgegangen

Vielen Mitarbeitern in den Bosch-Werken ist im wahrsten Sinne die Arbeit ausgegangen. Sowohl bei der Tochter Aleo, Anbieter von Solarmodulen, als auch bei Bosch Solar Energy in Arnstadt wird seit Anfang Oktober bis Ende Dezember kurz gearbeitet. In Arnstadt sind 700 Mitarbeiter in der Produktion betroffen; in den letzten Wochen des Jahres soll die Fertigung gar auf rund 20 Prozent gedrosselt werden. Für die Beschäftigung in der Verwaltung wurden einige Schließtage vereinbart.

Bei der börsennotierten Aleo sind alle 700 Mitarbeiter in Kurzarbeit. „Die Auftragslage ist deutlich schwächer, als wir uns das vorgestellt haben“, sagt ein Aleo-Sprecher. Es gebe noch Aufträge, die aber meist aus Beständen bedient werden könnten. Wie angespannt die Lage ist, machen die Zahlen deutlich: Knapp 462 Millionen Euro hat Aleo Solar 2011 Jahr umgesetzt (minus 16 Prozent). In diesem Jahr geht es weiter bergab. Das ursprüngliche Ziel von 440 Millionen Euro wurde bereits im März kassiert. Und auch diese Korrektur wurde korrigiert. Zuletzt wurden Anfang Oktober 280 Millionen Euro als neues Umsatzziel für 2012 genannt. Der Konzernverlust werde sich weiter erhöhen; der Verlust vor Steuern lag 2011 bei 31,3 Millionen Euro. Die Zahlen für das dritte Quartal werden in Kürze veröffentlicht. Bosch hat seiner schwächelnden Tochter (Anteil von 90,7 Prozent) unter die Arme gegriffen und fünf Kredite über insgesamt 60 Millionen Euro gewährt – zurückzuzahlen bis Ende 2012.

Bosch versucht seit einiger Zeit gegenzusteuern. So hat die Tochter Aleo im Juni angekündigt, dass das kleine Werk im spanischen Santa Maria de Palautordera geschlossen wird. 92 Mitarbeitern waren betroffen. Ende September hieß es, dass Aleo die Produktion des chinesischen Joint Ventures Avim Solar, wo 246 Mitarbeiter Solarmodule herstellen, zeitnah einstelle. „Im Niedrigpreissegment sind keine auskömmlichen Preise mehr zu erzielen“, hatte Aleo-Chef York zu Putlitz das Aus begründet. Und in Erfurt wird die Produktion von Dünnschicht-Solarzellen eingestellt (100 Mitarbeiter). Ende des Jahres gehen dort die Lichter aus.