Zwei mittelständische Unternehmen berichten von ihren Gründen für Kündigung oder Kurzarbeit. Was beide Ansätze voraussetzen, ist die Hoffnung auf bessere Tage

Stuttgart - Kurzarbeit hat in der aktuellen Krise bisher Hunderttausende von Arbeitsplätzen gerettet. Doch Kurzarbeit ist, wie das Wort schon sagt, eine Frage der Zeit. Eventuell werden notwendige Entscheidungen nur vertagt. Zwei mittelständische Unternehmen berichten von ihren Gründen für Kündigung oder Kurzarbeit. Was beide Ansätze voraussetzen, ist die Hoffnung auf bessere Tage.

Die Star Cooperation ist ein junges Unternehmen mit bemerkenswertem Wachstum. Es entstand vor zwölf Jahren aus dem Daimler-Chrysler-Konzern: ein ehemaliger Manager wagte damals mit fünf Mitarbeitern den Sprung in die Selbstständigkeit. Autos entwickeln und bauen überließ er seinem früheren Arbeitgeber. Der Firmengründer kümmerte sich damals um die Herstellung von produktbegleitenden Informationen und die weltweite Logistik von Diagnosegeräten in den Werkstätten. Damit war er sehr erfolgreich. Aus einer Handvoll Mitarbeiter wurden 2008 über 400 hoch qualifizierte. Gut ein Drittel sind Ingenieure.

 

Dann kam die Krise und mit ihr die Kurzarbeit in dem erfolgsverwöhnten Unternehmen aus Böblingen. "Wir haben uns sehr bewusst gegen Kündigungen und für Kurzarbeit entschieden, weil wir fest davon ausgehen, dass auch wieder bessere Zeiten kommen", sagt Personalchef Alexander Schülein.[Image] Dass sie möglichst bald kommen werden, dafür drücken alle im Unternehmen ganz fest die Daumen, denn Kurzarbeit hilft nicht auf Dauer.

"Kurzarbeit ist ein äußerst flexibles Instrument, um die interne Organisation an externe Absatzprobleme auszurichten", sagt Dr. Axel Deeke, Arbeitsmarktexperte am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg. "Die Unternehmen müssen nicht entlassen, dann wieder einstellen, was alles Geld kostet. Dank Kurzarbeit können sie schnell und flexibel die Arbeitszeit reduzieren, die Bundesagentur für Arbeit übernimmt das Kurzarbeitergeld und sie müssen nur die Hälfte der Sozialversicherungsbeiträge zahlen", zählt Deeke auf. Die Unternehmen schätzen diese Vorzüge, denn sonst würden kaum so viele Unternehmen die Möglichkeit in Anspruch nehmen. Im März 2009 haben 1,1 Millionen Menschen aus konjunkturellen Gründen Kurzarbeitergeld bezogen. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das einen Anstieg um mehr als eine Million. Insgesamt haben rund 96 000 Unternehmen für 2,8 Millionen Beschäftigte Kurzarbeit angezeigt.

Bei der Star Cooperation sind von den 420 Mitarbeitern etwa die Hälfte von Kurzarbeit betroffen und das zu unterschiedlichen Prozentsätzen. Es gibt Mitarbeiter, die nur drei Tage pro Monat zu Hause bleiben, für andere gibt es nicht einmal an einem Tag im Monat etwas zu tun. "Die Situation ist für uns alle belastend", gibt Schülein zu. Genau so offen ging er im Unternehmen mit dem Thema um. Im März 2009 wurden alle Mitarbeiter in einem Rundschreiben informiert, zudem fanden Betriebsversammlungen in den einzelnen Geschäftsbereichen statt, und es wurde mit jedem betroffenen Mitarbeiter ein persönliches Gespräch geführt. "Zwar übernimmt das Arbeitsamt das Kurzarbeitergeld, dennoch fallen für die Beschäftigten weiterhin Kosten an, obwohl sie nichts oder nur wenig zum Umsatz beitragen", so Schülein. Darüber hinaus stecke das Unternehmen derzeit viel Geld in die Qualifizierung seiner Mitarbeiter. "Innerhalb des nächsten halben Jahres werden wir in rund 130 Schulungstage mit jeweils etwa acht Teilnehmern investieren", kündigt er an.

Schülein geht davon aus, dass "nach einem Beleben der Wirtschaft unsere Kunden, auch neue und aus anderen Branchen, einen Berg an aufgestauten Projekten zu bewältigen haben, bei dem sie unsere Unterstützung brauchen". Deshalb hat sich das Unternehmen aus wirtschaftlicher Sicht für Kurzarbeit entschieden. Es gab aber auch eine emotionale: "Unsere Mitarbeiter waren in guten Zeiten für uns da, deshalb wollen wir in schlechten das Vertrauen zurückgeben." Dennoch: drei Mitarbeiter mussten während der Probezeit gehen und zwölf haben von sich aus gekündigt, nachdem Kurzarbeit eingeführt wurde.

Möglich sind bis zu 24 Monate mit Unterbrechungen. Die Star Cooperation hat bis Februar 2010 Kurzarbeit beantragt. Sollte das nicht reichen, will das Unternehmen schon im Herbst verlängern und wenn sich bis zur Jahresmitte 2010 die Auftragslage nicht grundlegend ändert, kann es durchaus sein, dass entlassen wird.

Modine Europe hat sich gleich zu diesem Schritt und das im großen Stil entschlossen: 20 Prozent der Mitarbeiter in Deutschland mussten im ersten Halbjahr 2009 gehen. "Jetzt haben wir noch gut 1000 Beschäftigte, und die sind dennoch alle hoch motiviert, zudem haben wir ein stabiles Betriebsklima, weil wir die Sache schon sehr früh, ordentlich geplant und vertrauensvoll durchgezogen haben", sagt Johannes Friedrich,[Image] Personaldirektor von Modine Europe. Das Unternehmen mit Sitz in Filderstadt entwickelt und produziert Wärmetauscher: Wasser-, Öl- und Ladeluftkühler für Fahrzeuge. Modine Europe ist Teil des amerikanischen Konzerns Modine. Friedrich will die europäische Niederlassung durch die Kündigungen nicht nur konjunkturell, sondern auch strukturell für die Zeit nach der Krise ausrichten. Auch er hofft auf bessere Tage, "allerdings werden wir so schnell nicht mehr das hohe Niveau der Vorjahre erreichen". Deshalb ist Friedrich fest davon überzeugt, richtig gehandelt zu haben.

Im Laufe der Zeit sind nach seinen Angaben bei Modine Europe Strukturen entstanden, "die vertretbar waren, als es dem Unternehmen gut ging". Als die Aufträge massiv zurückgingen, musste gespart werden. "Wir haben alle Organisationseinheiten auf den Prüfstand gestellt und sorgfältig abgewogen, ob zum Beispiel wirklich jedes Teilsegment im Ingenieurbereich individuell abgedeckt sein muss oder ob es auch mit weniger Personal geht." Modine hat sich für Letzteres entschieden und einen Sozialplan aufgestellt nach dem Motto: Welche Stelle ist entbehrlich? Heraus kamen 250 Positionen in der Zentrale und in den Werken. Parallel dazu wurden die Führungskräfte geschult, die geplanten Trennungsgespräche verantwortungsvoll durchzuführen. "Kündigungen wirken sich zwar vor allem auf den Betroffenen aus. Die bleiben können, sehen allerdings, wie mit ihren Kollegen umgegangen wird", so Friedrich. Deshalb die Schulung, die sehr erfolgreich war: Es folgte nicht eine einzige Klage gegen die Kündigung. Die entlassenen Mitarbeiter wurden in Transfergesellschaften überführt.

Am Image gekratzt haben die Kündigungen nicht, im Gegenteil: "Mitarbeiter, auch die ehemaligen, Kunden und die Öffentlichkeit haben erkannt, dass wir konsequent aber zum Wohle von Modine gehandelt haben", sagt Friedrich. Das hat er in Gesprächen erfahren, und Kurzarbeit hätte die finanzielle Situation und Liquidität nur unnötig belastet. "Wir haben erst das Personal angepasst und schauen jetzt, ob wir bei der verbliebenen Belegschaft weitere Abstriche bei der Arbeitszeit machen müssen", kündigt Friedrich an. Bisher wurden die Arbeitszeiten und damit auch die Einkommen zwischen fünf und sieben Prozent gekürzt. Allerdings haben diese Mitarbeiter die große Chance, nicht ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Wenn sich die Parameter nicht dramatisch verschlechtern, war es das mit den Entlassungen bei Modine. Die Hoffnung stirbt bekanntlich immer zuletzt.