Othello ist der Fremde, der weg muss: Im Stuttgarter Schauspielhaus inszeniert der Hausherr Burkhard Kosminski zupackend politisch das berühmteste Eifersuchtsdrama der Welt.

Stuttgart - Im Original heißt Shakespeares berühmte Eifersuchts-Tragödie „Othello. Der Mohr von Venedig“. Mohr: den rassistisch verseuchten Begriff hat der Übersetzer Frank Günther durch den „Schwarzen“ ersetzt. Burkhard Kosminski, dessen Inszenierung sich der hervorragenden Günther-Übertragung bedient, geht aber noch einen Schritt weiter. Bei ihm wird Othello konsequent als „Fremder“ bezeichnet – und abgesehen davon, dass er mit dieser Neudefinition jedem Rassismusvorwurf den Boden entzieht, weist sein Regiekonzept doch weit über bloße Political Correctness hinaus. In seiner Schauspielhaus-Inszenierung grenzt die Mehrheitsgesellschaft alles aus, was fremd und andersartig ist, selbst wenn es sich um einen in Nahostkriegen erfolgreichen Feldherrn handelt. Der Besetzungs-Clou dabei: Othello wird verkörpert von dem aus Israel kommenden Schauspieler Itay Tiran, dessen Außenseitertum sich im fremdländischen Akzent äußert.

 

Im Lügengespinst verfangen

Auf der abstrakten, mit weißen Wänden und schlüssigen Videoszenen arbeitenden Bühne verschmilzt die Diskriminierungs- mit der Eifersuchtstragödie: Othello, fremd in Venedig, heiratet Desdemona, die Senatorentochter, eine von der Liebe geleitete Verbindung, die rachsüchtige Widersacher auf den Plan ruft, in deren Lügengespinst sich Othello verfängt. Aus falscher Eifersucht tötet er Desdemona. Er kann nicht anders, denn Othello – und das ist der dritte, sehr einleuchtende Regiestrang – ist als Elitesoldat ganz im Denken eines soldatischen Ehrenkodex verhaftet. Geschickt verwebt und aktualisiert Kosminski die drei Shakespeare-Ebenen und macht aus dem Klassiker von 1604 ein zweistündiges Drama für Zeitgenossen: zugänglich, zupackend, politisch brisant und kurzweilig.