Die beiden Inhaberinnen der Papeterie an der Böblinger Straße haben 625 Unterschriften gesammelt. Ihr Anliegen: Eine Haltemöglichkeit vor ihrem Geschäft, so dass Kunden ihre schweren Pakete nicht meterweit schleppen müssen. Bisher blieb die Aktion ohne Folgen.

Kaltental - Shashi Punia weiß noch immer nicht so recht, was sie sagen soll. Gemeinsam mit ihrem Mann war die Geschäftsführerin der Papeterie an der Böblinger Straße in Kaltental in der jüngsten Sitzung des Bezirksbeirats Süd um dem Bezirksvorsteher Rupert Kellermann eine Unterschriftenliste zu überreichen.

 

Das Anliegen: vor ihrem Geschäft eine Haltemöglichkeit zu schaffen, sodass Kunden, die schwere Pakete im Postshop abliefern wollen, diese nicht meterweit schleppen müssen. 625 Bürger hatten das Schreiben unterzeichnet. Punia und ihr Mann nutzten den Tagesordnungspunkt „Fünf Minuten für Bürger“, um ihr Leid zu klagen. Eine für sie zufriedenstellende Antwort erhielten sie, wie Punia gegenüber unserer Redaktion sagt, allerdings nicht.

Bisher gab es vor der Papeterie Kurzzeitparkplätze

Dass es verboten ist, dort anzuhalten, war freilich nicht immer so. Bisher waren unmittelbar vor dem Kiosk zwei Kurzzeitparkplätze. Diese mussten einem Radschutzstreifen weichen. Denn an der Papeterie führt die sogenannte Stuttgarter Hauptradroute 1 vorbei. Deren Lücke an der Böblinger Straße wurde nun geschlossen. Schon in der Vergangenheit hatten die Pläne die Gemüter erhitzt. Der ehemalige Betreiber der Papeterie hatte sogar zweimal Unterschriften dafür gesammelt, dass die Stellplätze vor seinem Geschäft erhalten bleiben – ohne Erfolg.

„Dass die Parkplätze weg sind, merken wir bereits an unserem Umsatz“, berichtet auch Vaishali Dutt Sharma, die zweite Geschäftsführerin. Die beiden Frauen haben sich mit dem Geschäft einen Traum erfüllt. Nicht wissend, dass sich dieser Traum zum Albtraum entwickeln könnte. „Wir müssen ja auch etwas verdienen“, sagt Punia. „Wir beide haben für dieses Geschäft unsere Berufe aufgegeben, unsere Arbeitsstellen gekündigt und haben Familien zuhause.“

„Stellplätze nicht aus bösem Willen entfernt“

Davon, dass die beiden Parkplätze im Sommer dieses Jahres entfernt werden, wussten die Inhaberinnen nichts. Stattdessen wurden sie vor vollendete Tatsachen gestellt. „Unter diesen Umständen hätten wir den Laden wohl nicht übernommen“, sagt Shashi Punia.

Für Bezirksvorsteher Rupert Kellermann ist die Sachlage unterdessen klar. „Wir haben die Stellplätze nicht aus bösem Willen entfernt“, erklärt er auf Anfrage. Es gehe nicht um Vorlieben, sondern einzig und allein um die Sicherheit. „Gegen die Sicherheit kann ich doch keine Unterschriften sammeln“, betont Kellermann. Zudem gebe es in unmittelbarer Umgebung zum Ausgleich der nun fehlenden Parkplätze vor der Papeterie alternative Parkmöglichkeiten an der Schwarzwaldstraße und am Dreiecksplätzle. Ein paar Meter zu laufen, halte er für zumutbar. Hinzu komme, dass die älteren Bürger ohnehin in der Regel zu Fuß kommen würden.

Kunden parken auf dem Radschutzstreifen

Ein paar Meter zu laufen, genau das scheinen manche Kunden hingegen eben nicht zu wollen. Sie parken verkehrswidrig vor der Post und blockieren die Radfahrer.

Hans-Dieter Meißner, stellvertretender Bezirksbeirat der Freien Wähler im Süden und zugleich Vorsitzender der Bürgerinitiative Kaltental, hat während der Sitzung an die Reduzierung der Geschwindigkeit auf 30 Kilometer pro Stunde erinnert und auf die Pläne der Grünen verwiesen, sich für Tempo 30 stark machen zu wollen. Dann nämlich wäre ein Schutzstreifen auf der Fahrbahn auch nicht mehr nötig.

Tempo 30 nicht möglich

Dass es aktuell eine Möglichkeit gibt, etwas zu bewegen, sieht Meißner nicht. Ob überhaupt noch etwas verändert werden kann? Spielraum könne es seiner Meinung nach erst dann noch einmal geben, wenn es um das Thema der Umgestaltung der Kaltentaler Ortsmitte geht oder man sich über die Geschwindigkeit unterhält. Meißner hat aber auch die Sorge, dass die Postfiliale irgendwann schließen könnte.

Rupert Kellermann schließt die Überlegungen, auf der Böblinger Straße Tempo 30 auszuweisen, allerdings aus. „Das lässt sich nicht umsetzen, da die Böblinger Straße eine Ausweichstrecke zur B 14 ist“, sagt er.

Pro und Contra zur Situation auf der Böblinger Straße

PRO von Redaktionsmitglied Kai Müller - Die Folgen waren absehbar. Weil Parkplätze vor der Post fehlen, wird nun verbotenerweise auf dem Radweg geparkt. Für die Sicherheit der Radler bedeutet das eher einen Rückschritt.

Man kann jetzt trefflich darüber streiten, ob die Postbesucher nicht einfach mit ihren Paketen ein paar Meter weiter laufen können. Doch für viele ältere Menschen ist selbst dieser Gang zu beschwerlich. Für sie waren die Kurzzeitparkplätze direkt vor der Post Gold wert.

Kompromiss die bessere Lösung

Keine Frage, ein durchgehender Radweg erhöht die Sicherheit für die Nutzer. Doch manchmal ist eben ein Kompromiss die bessere Lösung. Wenn die Stadt auf die Sicherheit pocht, ist das ihr gutes Recht. Zugleich muss man dann aber auch kritisch hinterfragen, warum die ersten Pläne, die das Tiefbauamt im Jahr 2007 vorstellte, den Erhalt der Parkplätze vorsahen. Der Entwurf wurde auch so in die Tat umgesetzt. Das würde aber im Umkehrschluss bedeuten, dass die Stadt damals bewusst oder unbewusst mit dem Leben der Radler gespielt hat. Erst im September 2010 (!) hieß es, der Radweg muss durchgängig sein. Die Praxis hat den ersten Planern aber ohnehin recht gegeben. Nie hat die Polizei wegen der Lücke vor der Post einen Unfall gemeldet. Der Kompromiss, gefordert waren sogar vier Kurzzeitparkplätze, hatte sich also bewährt.

Es ist nun einmal so, dass Geschäftsinhaber immer gern Parkplätze direkt vor ihrer Ladentür haben. Die Papeterie ist aber zugleich auch die Post – und wenn dort die Kunden wegbleiben, dann fehlt vielleicht irgendwann dieses wichtige Angebot. Und das wäre dann für den Stadtteil Kaltental katastrophal.

Das Rad lässt sich nicht zurückdrehen

Das Rad lässt sich in diesem Fall freilich nicht mehr zurückdrehen. Die Parkplätze sind zumindest fürs Erste verloren. Sicherer wird es an dieser Stelle aber für die Radler nicht werden, selbst wenn der Gemeindevollzugsdienst alle seine Kontrolleure losschickt. Dass nun die Entweder-oder-Lösung zum Tragen kommt, ist auch dem Verhalten der Verkehrsteilnehmer geschuldet. Die gegenseitige Rücksichtnahme auf Schwächere ist in Stuttgart nicht sonderlich ausgeprägt. Während für viele unbelehrbare Autofahrer die Radfahrer nur ein unnötiges Verkehrshindernis sind, verhalten sich viele Radler gegenüber den Fußgängern nicht viel besser.

CONTRA von Redaktionsmitglied Heike Armbruster - Nein, weder als Autofahrer noch als Radfahrer muss ich die Falschparkerei auf dem Fahrradweg vor der Kaltentaler Post gut finden. Zu oft ist zu beobachten, wie Fahrradfahrer versuchen, sich an den parkenden Autos vorbei wieder in den Verkehr einzufädeln. Das ist ein unnötiges Unfallrisiko. Zumal die ersatzweise eingerichteten Kurzzeitparkplätze wenige Meter entfernt an der Schwarzwaldstraße allzu häufig frei bleiben, während der Fahrradweg zugeparkt wird.

Es ist Aufgabe der Stadt, die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer sicherzustellen, dazu gehören auch die Fahrradfahrer. Wer glaubt, die steile Strecke würde nicht genutzt, der irrt. Wer sich selbst als Radfahrer an der Steigung versucht, merkt schnell, dass viele Pendler und auch zahlreiche rüstige Rentner mit dem Fahrrad auf der Hauptradroute unterwegs sind. Wenn Fahrradfahren für mehr Menschen eine Alternative zum Auto sein soll, dann müssen auch die Voraussetzungen stimmen, und dazu gehören sichere, durchgängige Wege.

20 Meter Fußweg sind vertretbar

Die Befürworter der Kurzzeitparkplätze vor der Post argumentieren, dass die Inhaber Kundschaft verlieren, wenn die Parkplätze nicht wieder eingerichtet werden. 15  bis 20 Meter Fußweg, soweit sind die ersatzweise eingerichteten Kurzzeitparkplätze entfernt, sei vor allem älteren Kunden nicht zumutbar, wenn das Päckchen fünf Kilogramm schwer ist. Bei allem Verständnis dafür, seinen Kunden einen best möglichen Service bieten zu wollen: 20 Meter Fußweg sind vertretbar. Weder zur Vaihinger Post noch zur Filiale in der Böblinger Straße nahe des Marienplatzes sind die Wege vom Parkplatz zum Schalter kürzer. Je nach Glück bei der Suche nach dem freien Stellplatz sogar deutlich länger.

Natürlich gibt es Kunden, die nicht mehr gut zu Fuß sind. Was aber hindert die Betreiber daran, nach einer alternativen Lösung zu suchen? Was spricht zum Beispiel dagegen, den Kunden die Päckchen einfach die 20 Meter vom legalen Parkplatz in die Filiale zu tragen? Wenn das personell nicht ständig zu stemmen ist, dann eben zu bestimmten Uhrzeiten. Selbst wenn die beiden Parkplätze wieder eingerichtet würden, einen Parkplatz vor der Filiale garantiert das den Kunden nicht. Mit einem solchen Service aber hätten die Menschen die Gewissheit, dass sie ihr Päckchen abgeben können, auch wenn sie nicht den bequemsten Parkplatz finden.