Was macht ein Kybernetiker? Und wie intelligent werden Maschinen einmal zusammenarbeiten? Der Regelungstechniker Frank Allgöwer von der Uni Stuttgart hat beim „Science Pub“ einen launigen Einblick in seine Arbeit gegeben.

Stuttgart - Unterhaltsame Geschichten, lustige Karikaturen, spektakuläre Videos von umstürzenden Autos und sich überschlagenden Flugzeugen – aber auch ellenlange Formeln, kompliziert vernetzte Regelkreise und nachdenklich stimmende Szenarien: Frank Allgöwer hat seinem Publikum in der prall gefüllten Stuttgarter Gaststätte Rosenau echte „Kneipenwissenschaft“ geboten. „Industrie 4.0, Cyber-physical systems und die Kybernetik des 21. Jahrhunderts“ hieß der Titel des jüngsten „Science Pubs“. Aber Frank Allgöwer, Leibniz-Preisträger, Inhaber des Landeslehrpreises und Direktor des Instituts für Systemtheorie und Regelungstechnik an der Uni Stuttgart, verstand es prima, seinen Zuhörern die Chancen, aber auch Risiken seines Fachgebiets nahezubringen.

 

Das fing mit dem Elchtest an, dem schnellen Ausweichmanöver, das 1997 ein Mercedes-Modell zu Fall brachte. Abhilfe schaffte die Aufrüstung des Fahrwerks mit einer elektronischen Antischleuder-Einrichtung, die heute Standard im Automobilbau ist. Gleichzeitig ist dies ein hervorragendes Beispiel für Kybernetik: eine Störgröße, also die plötzliche Reaktion auf ein Hindernis, wird von Messeinrichtungen erfasst, und das System reguliert sich selbsttätig so, dass die Sollgröße – das spurtreu fahrende Auto – wieder erreicht wird. Wie weit solche Regelungsysteme heute entwickelt sind, zeigt Allgöwer mit einem Video über ein Auto mit adaptivem Fahrwerk, bei dem die Federung gezielt gesteuert wird: Ein solcher Wagen schwebt geradezu über eine Wellenpiste, während ein „normales“ Auto kräftig auf und ab schwankt.

Frank Allgöwer nennt noch mehr Beispiele – und macht deutlich, dass „dies keine ganz einfache Angelegenheit ist“. Oft genug läuft etwas schief, wie das Video über einen fehlgeschlagenen Versuch zeigt, ein Flugzeug mit einem Autopiloten landen zu lassen. Kompliziert ist auch, was dahintersteckt: „Moderne Regelungssysteme basieren auf mathematischen Modellen“, betont Allgöwer. Als Beleg beeindruckt er das Publikum immer wieder mit Folien voller mathematischer Berechnungen: „So sieht das aus, was wir jeden Tag an der Uni machen.“ Wie schwierig Kybernetik auch für den Menschen werden kann, demonstriert er an einem speziellen Fahrrad: Es sieht normal aus, doch gelenkt wird nicht das vordere, sondern das hintere Rad. „Ich kenne niemanden, der dieses Fahrrad fahren kann“, verrät Allgöwer. „Sie dürfen es gerne nachher ausprobieren – aber Sie sollten gut versichert sein“, scherzt er.

Zur Sicherheit einen Notausknopf einplanen

Doch dann wird es wieder ernst. „Es geht noch viel komplexer“, läutet der Regelungstechniker die nächste Runde ein. Ob Windparks, Industrieanlagen, Internet oder Finanzsysteme: die hohe Autonomie der einzelnen Teile sowie die zunehmende Vernetzung schaffen immer neue Herausforderungen. „Vor 20 Jahren gab es das noch nicht“, gibt Allgöwer zu bedenken. Hier kommen nun die physikalischen Systeme ins Spiel, die physical systems: Maschinen, Autos, Züge, Roboter, die nicht mehr einzeln arbeiten, sondern zusammen ein neues System bilden. Industrie 4.0 sei nichts anderes, betont Allgöwer. Hier seien die Teile miteinander vernetzt und zu einem Gesamtprozess integriert. Kennzeichnend sei zudem, dass sich die Komponenten dezentral selbst organisieren.

In Deutschland werde derzeit ein „großer Hype“ um die Industrie 4.0 gemacht, also die sich abzeichnende vierte industrielle Revolution. „Aber vieles ist noch nicht so weit, dass man es bereits einführen könnte.“ Dabei sieht Allgöwer durchaus die zahlreichen Chancen dieser Entwicklung und zeigt diese auch anhand von Beispielen auf, zu denen erheblich günstigere Produktionsvoraussetzungen für die Wirtschaft oder eine umweltfreundlichere Energieversorgung mit sogenannten Smart Grids zählen. Aber er sieht auch die Risiken, solch komplexe Systeme zu beherrschen. Die reichen von Stromausfällen bis zu möglichen Folgen für die Gesellschaft, wenn technische Systeme zunehmend selbstständig werden – ein Feld, über das Allgöwer nach dem Vortrag noch intensiv mit dem Publikum diskutiert. Und dabei immer wieder zur Vorsicht mahnt: „Was ich immer einbauen würde, ist ein Notausknopf.“