Die KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg sucht Ehrenamtliche, die sie in ihren vielen Aktivitäten unterstützt – vor allem bei den zahlreichen Führungen.

Ein regnerischer, kühler Morgen. Es ist kurz nach acht Uhr früh. Zwanzig noch etwas unausgeschlafen wirkende 15- bis 16-Jährige haben mit ihrem Geschichtslehrer für diesen Tag das Klassenzimmer gegen „einen Lernort unter freiem Himmel getauscht“, erinnert sich Marei Drassdo, die Vorsitzende der KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg.

 

Das, was sie zunächst in der Theorie über das Dritte Reich gelernt haben, soll nun auf dem „Weg der Erinnerung“, der zum alten Engelbergtunnel führt, an diesem historischen Ort nachvollziehbar gemacht werden. Rund zwei Stunden wird die Führung dauern. Zwei Stunden, in denen der Lotse – so der Begriff für denjenigen, der die Führung macht – den Jugendlichen ein Eintauchen in die Geschehnisse rund um das KZ Leonberg ermöglicht. „Da zählen nicht nur Zahlen, sondern auch die Biografien ehemaliger Häftlinge, die oftmals das gleiche Alter hatten wie die Neuntklässler, denen wir diese Schicksale näherbringen“, sagt Marei Drassdo.

Wieder mehr Führungen finden statt

Die Neuntklässler sind nur eine der vielen Klassen, die jedes Jahr eine Führung an der Gedenkstätte im alten Engelbergtunnel mitmachen. Sie kommen zum Teil von weit her – der Einzugsbereich geht bis Heilbronn. Bis 2019 waren es rund 30 im Jahr, dann aber hat Corona die Teilnehmerzahl stark reduziert. „Inzwischen geht es wieder aufwärts“, freut sich Marei Drassdo.

Doch für die Ehrenamtlichen von der KZ-Gedenkstätteninitiative bedeutet das viel Arbeit. „Leider haben wir nur eine kleine Schar von Engagierten, die oft mehrmals in der Woche eine Führung machen – nicht nur für Schüler, auch für sonstige Gruppen. Insgesamt sind das rund 1000 Besucher pro Jahr“, sagt die Vorsitzende der Gedenkstätte. „Manchmal standen wir knapp davor, absagen zu müssen, weil von den wenigen Lotsen jemand krank wurde oder anderweitig tätig war.“

Es ist allerdings nicht nur ein zahlenmäßiges, sondern auch ein demografisches Problem. „Viele derjenigen, die vor mehr als 20 Jahren die Gedenkstätte mit aufgebaut haben, sind heute oft nicht mehr gut zu Fuß. Sie sind und waren alle mit Herzblut dabei. Leider finden wir kaum Nachwuchs für sie“, sagt Marei Drassdo.

Wie kommen Diktatoren ans Ruder?

Dabei sei es so wichtig, den jungen Leuten – aber auch den älteren – die Geschichte des KZ Leonberg zu vermitteln. „Daraus kann man so viel für heute ableiten. Wie kann Demokratie kaputtgehen? Wie kann es sein, dass Diktatoren plötzlich ans Ruder kommen? Warum haben sich die Menschen das gefallen lassen? Warum sind sie mitgelaufen?“ Das seien Fragen über Fragen, die die Erfahrungen aus der Geschichte dieser dunklen Zeit beantworten können.

Deshalb wünscht sich Marei Drassdo, dass mehr jung-gebliebene Rentner diese Lücke füllen. „Wer, wenn nicht sie?“, fragt sie. „Noch zu jung fürs Kreuzfahrtschiff, aber doch alt genug, um zu wissen, dass Demokratie kein Selbstläufer ist“, meint sie. Dieses Wissen weiterzugeben, sei wichtig. „Es ist wirklich ein gutes Gefühl, wenn man merkt, dass es bei den Besuchern ankommt“, weiß sie aus Erfahrung.

Viele Fragen und Betroffenheit

„Dass bei den Schülern von den Ausführungen des Lotsen an diesem trüben Apriltag einiges angekommen ist, merkt man sehr deutlich. Man sieht in fragende Gesichter, oftmals auch in betroffene“, schildert Marei Drassdo. So habe man das Ganze noch nicht gesehen, laute häufig das Fazit nach den zwei Stunden. „Ich hatte vor unserer Exkursion nicht gewusst, dass in Leonberg ein KZ war“, oder „Dass die Häftlinge nur noch Nummern waren, nicht wie Menschen behandelt wurden, hat mich am meisten berührt“ – und am Schluss der Wunsch: „Ich hoffe, dass sich das nie mehr wiederholt.“

Auch wenn Führungen das „Hauptgeschäft“ der Gedenkstätte sind, so gibt es noch viele andere Aktivitäten: Vorträge, Lesungen, Ausstellungen. „Wir verstehen uns als politische Kraft und wollen dies auf verschiedenen Wegen umsetzen. Da ist noch viel Luft nach oben“, sagt die Vorsitzende. Und es gebe hinter den Kulissen viel Notwendiges, das zu bewältigen sei. Von den Finanzen über Instandhaltungsarbeiten, Archivarbeiten und Lotsenschulung bis hin zu Mitgliedererfassung. „Wir haben viele Betätigungsmöglichkeiten, da ist für jeden Geschmack und jedes Talent etwas dabei.“