Das Café La Strada und das Café Strich-Punkt haben wieder auf der Jakobstraße in Stuttgart-Mitte gefeiert. Dabei ging es durchaus auch um ernste Themen.

S-Mitte -

 

Ihr Jazz mit einer Prise Balkan geht in die Beine. Auch auf der Jakobstraße brachte das „Orchester Martin“ so manchen zum Tanzen. Denn dort feierten das Café La Strada und das Café Strich-Punkt, Anlaufstellen für weibliche und männliche Prostituierte, zum achten Mal ihr Sommerfest mit Musik und Leckereien. Das La Strada, ein Kooperationsprojekt des städtischen Gesundheitsamtes und des Caritasverbandes für Stuttgart, ist längst eine Institution in der Landeshauptstadt.

Im vergangenen Jahr feierte es das 20. Jahr seines Bestehens. In dem Schutzraum finden Frauen des Gewerbes eine Rückzugsmöglichkeit, können sich aufwärmen, essen und trinken, mit Mitarbeiterinnen sprechen, sich austauschen. Freitags und samstags sind ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und zwei hauptamtliche Sozialarbeiterinnen des Caritasverbandes im Strada, dienstags und donnerstags ehrenamtliche Helferinnen sowie Sozialarbeiterinnen aus dem Sozialdienst für Prostituierte im Gesundheitsamt der Stadt. Zudem gibt es donnerstags eine ärztliche Sprechstunde.

Auch Vertreter der Politik kamen

„Das Sommerfest bietet ein geselliges Zusammensein für unsere Mitarbeitenden und unsere männliche und weibliche Zielgruppe, aber auch für unsere Nachbarn“, so Maria Nestele, Fachdienstleitung Hilfen für Frauen bei der Caritas Stuttgart. „Hier sollen sich alle ohne Vorurteile als Menschen in Würde begegnen.“ Und es kamen denn auch viele, einschließlich Vertreter der Politik.

Caritasvorstand Raphael Graf von Deym betonte, dass die Caritas den guten Samariter als Vorbild habe, der nicht weg-, sondern hingeschaut habe. „Auch beim Fest geht es um das Sichtbarmachen, das Enttabuisieren, den gesellschaftlichen Blick auf Prostitution.“ Es sei skandalös, dass es für Männer immer noch in Ordnung und salonfähig sei, Frauen zu kaufen, und zu meinen, diese hätten Spaß dabei. Nestele ergänzt, dass die meisten sich ausschließlich aus dem Zwang der Armut heraus prostituierten. „Das stellt das Wort Zwang in ein ganz anderes Licht.“ So wurde auf dem Fest auch über die Novellierung des Prostitutionsgesetzes diskutiert.

Kritik am neuen Gesetz

Am 1. Juli treten die neuen Regelungen in Kraft für das Gewerbe und für Personen, die diesem nachgehen. Demnach müssen Prostituierte ihre Tätigkeit künftig persönlich anmelden und davor sich gesundheitlich beraten lassen. Damit sollen menschenunwürdige Geschäftsmodelle und Fremdbestimmung bekämpft werden. Kritiker betonen indes, dass es an Kriterien für die Behörden fehlte, um Fremdbestimmung feststellen zu können. Diese müssten von der Stadt festgelegt werden, sonst bringt es den Frauen keinen Schutz, ist man etwa beim Verein „Sisters – für den Ausstieg aus Prostitution!“ überzeugt.

Der Verein engagiert sich mit Kulturschaffenden, Vertretern der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Kunstverein Gästezimmer e.V., Citizen-Kane-Kollektiv, Frau Blum – Boutique Erotique, der Caritas Stiftung und La Strada für das Crowdfunding-Projekt „Galateas“. Damit werden derzeit Gelder gesammelt für Prostituierte, die aufhören wollen. Die Frauen können in einer Ausstiegswohnung der Caritas leben, weg vom Rotlichtbezirk. Doch es dauert, bis sie Sozialhilfe und eine Krankenversicherung beantragen können. Finanziert wird dies durch die Caritas Stiftung und Spenden. „Die Frauen müssen eine Tätigkeit finden, von der sie leben können, und eine Wohnung“, so Nestele. Ziel bei „Galateas“ sind über 11 000 Euro. Wird der Betrag bei Crowdfunding-Projekten nicht 100 zu Prozent erreicht, muss alles an die Spender zurückgezahlt werden. Dazu von Deym: „Die Caritas wird dafür sorgen, dass es auf 100 Prozent kommt.“