Nach dem Sturm ist es windstill: Bruno Labbadia hat in viele Richtungen ausgeteilt, zu den Reaktionen auf seine Wutrede schweigt er allerdings.
Stuttgart - Die anklagende Ansprache, die der VfB-Trainer Bruno Labbadia am Sonntag gehalten hat, ruft auf unterschiedlichen Ebenen ganz unterschiedliche Reaktionen hervor. Die Vereinsführung Bruno Labbadia hatte nach der Partie gegen Leverkusen auch die Politik der Clubspitze angeprangert. „Wir haben knapp 20 Millionen Euro an Etatsenkung mitgemacht“, sagte der Trainer. In den Augen von Labbadia investiert der VfB zu wenig Geld in die Mannschaft. Wie sieht das der Präsident Gerd Mäuser? Am Montag meinte der: „Ich kann den emotionalen Ausbruch unseres Trainers absolut nachvollziehen und bin inhaltlich und in der Sache völlig bei ihm“ – also anscheinend auch in Sachen Kritik an der Einsparmaßnahme.
Im StZ-Interview äußerte sich Dieter Hundt tags darauf über diesen Passus in der Labbadia-Rede jedoch anders. „Dass ich mit dieser Aussage nicht viel anfangen kann, dürfte klar sein. Wir haben unverändert den fünft- oder sechstteuersten Kader in der Bundesliga“, sagte der Aufsichtsratschef. Das zeigt, dass Gerd Mäuser und Dieter Hundt in der Bewertung des Labbadia-Gefühlsausbruchs nicht auf einer Linie liegen. Der Präsident hat nichts auszusetzen an den Attacken, obwohl sie sich teilweise gegen den eigenen Club richten.
Dagegen hat der Vorsitzende des VfB-Kontrollgremiums deutliche Worte gefunden und den Trainer in die Schranken gewiesen. Hundt hat Labbadia aufgefordert, sich nicht mehr negativ über die Vereinsstrategie zu äußern, sondern das Konzept mitzutragen – auch was den Einbau von jungen Spielern in die Profimannschaft betrifft. Der Aufsichtsratschef will, dass dieser Weg noch viel konsequenter beschritten wird als zuletzt. Die Entwicklung von Raphael Holzhauser gibt ihm aktuell recht.
Die sportliche Leitung
Es passte in die triste Herbststimmung beim gestrigen Vormittagstraining des VfB-Restkaders – die Nationalspieler sind auf Länderspielreisen –, dass Bruno Labbadia und sein Assistent Eddy Sözer anstatt der sonst üblichen weißen Trainingsjacken diesmal die Variante in schwarz gewählt hatten. Auf dem Platz scherzten die Spieler zwar schon wieder, als das anstrengende Zirkeltraining hinter ihnen lag. Labbadia war hingegen nicht zu einer Reaktion auf die Äußerungen des VfB-Aufsichtsratschefs Hundt zu bewegen. Seit seiner Wutrede am Sonntagabend schweigt der gebürtige Darmstädter. Aus gutem Grund?
Während der Trainer weiterhin auf den bedingungslosen Rückhalt des derzeit ebenso schweigenden Managers Fredi Bobic setzen kann, musste sich der 46-Jährige neben der Kritik von Dieter Hundt in puncto Sparen und Eingliederung der Jungprofis auch Vorwürfe bezüglich seiner Amtsführung gefallen lassen. Labbadia, dessen Ausbruch eigentlich als persönlicher Befreiungsschlag geplant war, habe zu dünnhäutig reagiert, heißt es in der Chefetage („Da muss jemand, der in der Öffentlichkeit steht, durch“, so Hundt).
Mit seiner Kritik hat Bruno Labbadia obendrein ein Fass in Richtung von Dieter Hundt und der alten Vereinsführung aufgemacht. „Mich wundert’s nicht, dass es hier alle Monate einen neuen Trainer gibt – wenn man sich so verhält“, sagte der Chefcoach. Eine Einlassung, von der sich Gerd Mäuser, in dessen bislang 15-monatiger Amtszeit es noch keine Trainerentlassung gab, nicht angesprochen fühlt. Bleibt also die Frage, warum Labbadia in Richtung von Dieter Hundt und des Ehrenpräsidenten Erwin Staudt nachkartet, in dessen Amtszeit er nach dem Rauswurf beim Hamburger SV und darauf folgenden acht Monaten Arbeitslosigkeit im Dezember 2010 den Trainerjob beim VfB angeboten bekam?
Die Spieler
„Für die Mannschaft ist die Ansprache des Trainers nicht das große Thema“, sagt Georg Niedermeier, der im Anschluss an das 2:2 in Leverkusen wie viele Kollegen im Businesscenter des Stadions am TV den Emotionsausbruch des Coaches mitverfolgte. Die Mannschaft, so der Innenverteidiger, wolle sich allerdings so wenig wie möglich ablenken lassen – und sich „voll auf das konzentrieren, was auf dem Platz passiert“, wie Niedermeier sagt. Darauf habe man sich bei der internen Aussprache im Kreise der Spieler nach dem 0:3 gegen Hoffenheim verständigt. „Wir müssen als Einheit auftreten – und das war gegen Leverkusen wieder zu spüren, auch wenn wir nicht spektakulär gespielt haben.“
Auch wenn sich seine Profis aufeinander eingeschworen haben, bleiben für Bruno Labbadia vor dem Gastspiel in zehn Tagen bei seinem Exverein in Hamburg genug Probleme. Angesichts von Platz 15 sagt Niedermeier: „Es müssen jetzt Punkte her, denn wir dürfen nicht in der unteren Tabellenhälfte rumgurken.“