Wissenschaftler wollen den Welthunger mit Kunstfleisch aus dem Labor bekämpfen. Doch werden Verbraucher das sogenannte In-Vitro-Fleisch auch akzeptieren? Vor allem, wenn auch das Auge mitisst?

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Es sieht aus wie rosa eingefärbter Wackelpudding, riecht beim Braten aber nach gegrilltem Rindfleisch: Forscher in Südkorea haben Laborfleisch hergestellt, das den Geruch und Geschmack von echtem Fleisch nachahmt. Das gelinge bei ihrem Produkt besser als bei anderem Laborfleisch, bei dem es oft vor allem um das Aussehen gehe, schreibt das Team im Fachblatt „Nature Communications“.

 

Gele mit Geschmack

Die Forscher um Milae Lee und Woojin Choi von der Yonsei University in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul nutzten ein Hydrogel – als Gele mit einem hohen Wassergehalt –, in das sie eine Geschmacksverbindung einarbeiteten.

Beim Erhitzen auf über 150 Grad setze ihr Produkt bestimmte Aromastoffe frei – wie echtes Fleisch, dessen Inhaltsstoffe ebenfalls bei Hitze reagieren. Chemische Analysen hätten bei beiden Produkten ähnliche Geschmacksmuster entdeckt.

Aroma von Geröstetem, Gebratenem und Gebackenem

Die neu entwickelte Substanz ahmt die Maillard-Reaktion nach. Bei der nach dem Chemiker Louis Camille Maillard benannten Reaktion werden Aminosäuren und Zucker unter Einwirkung von Hitze zu neuen Verbindungen umgewandelt. Die braunen Endprodukte, Melanoidine genannt, sind verantwortlich für das typische Aroma und die Färbung von Geröstetem, Gebratenem und Gebackenem.

Bisher sei es bei Gewebe aus dem Labor schwer gewesen, den Geschmack zu treffen, weil sich die Aminosäuren von denen von herkömmlichem Fleisch unterschieden, heißt es in der Studie.

Auch könne man nicht so einfach auf synthetische Geschmacksstoffe aus der Lebensmittelindustrie zurückgreifen, weil diese flüchtig seien und in der wochenlangen Zellkultur von Laborfleisch möglicherweise komplett verschwinden. „Daher ist ein materialwissenschaftlicher Ansatz zur Erzeugung von Aromastoffen während des Kochvorgangs unerlässlich“, erklären die Experten.

Angenehme und unangenehme Aromen

  • Aromastoffe: Die südkoreanischen Forscher entschieden bei ihren Versuchen zunächst für den Aromastoff 2-Furfurylthiol, der nicht nur in zubereitetem Rindfleisch vorkommt, sondern auch zum Beispiel in geröstetem Kaffee. In einem weiteren Versuch fügten sie noch zwei Aromastoffe hinzu, von denen einer fleischig, zwiebelartig schmeckt und riecht, während der zweite an Frittiertes erinnert, an Nüsse und Geröstetes. Immerhin enthält auch echtes Fleisch mehrere Aromastoffe.
  • Gelantine: Die drei Aromastoffe wurden in Gelatine-Methacrylat eingeführt, welches bei der Bildung von vernetzten Hydrogelen für die Gewebezüchtung und zum 3D-Druck eingesetzt wird. Die Zellkultur dauerte im Versuch 15 Tage.
  • Erhitzung: Ab einer Temperatur von 80 Grad verströmte das Laborfleisch schon einen leichten Geruch, der bei 150 Grad sehr deutlich war. Als angenehm wurden dabei die folgenden Aromen klassifiziert: fleischartig, herzhaft, mandelartig, geröstetes Brot, blumig, käsig, fettig. Hingegen wurden fischige, scharfe und saure Aromen als Fehlaromen eingestuft.

Komplexes Geschmacksmuster

Zur Untersuchung wurde eine elektronische Nase verwendet und dann wurde verglichen. Die größte Ähnlichkeit zu Fleisch wies jenes Laborprodukt auf, in das die meisten Aromastoffe eingefügt waren.

Schließlich sei auch das Geschmacksmuster von echtem Fleisch komplex, heißt es in der Studie. Deswegen sei es in Zukunft besser, noch mehr Aromastoffe als die drei in der Studie verwendeten zu nutzen, schließlich kämen in echtem Fleisch gleich Dutzende vor.

Noch nicht als Lebensmittel zugelassen

Die Forscher weisen darauf hin, dass die verwendeten Mittel zwar biokompatibel sind, aber bisher in den USA nicht als Lebensmittel zugelassen. „Nichtsdestotrotz hat die vorgeschlagene Aromastrategie das Potenzial, mit lebensmitteltauglichen Chemikalien umgesetzt zu werden.“ Sicher könne die Studie dazu beitragen, besseres Laborfleisch zu erzeugen.

„Laborfleisch entwickelt sich zu einer neuen Art von Lebensmittel, das tierisches Eiweiß auf nachhaltige Weise liefern kann“, heißt es in der Studie. Die Wissenschaftler sind überzeugt: „Der Geschmack ist die wichtigste sensorische Eigenschaft, die über die Qualität von Fleisch entscheidet.“

Info: Was ist Laborfleisch?

In-vitro-Fleisch
Kann Fleisch aus der Petrischale, sogenanntes In-Vitro-Fleisch, die Ernährung der Menschheit in der Zukunft sichern? Und kann aus Stammzellen gezüchtetes Gewebe dazu beitragen, die industrielle Massentierhaltung zu ersetzen?Kunstfleisch, das nicht von Tieren stammt, die dafür massenhaft leiden und sterben müssen – das ist die Vision der Wissenschaftler, die sich mit In-Vitro-Fleisch beschäftigen.

Basismatariel
Das Material entsteht, indem tierische Muskel- und Fettzellen im Labor wachsen. Daran wird vor allem in den USA, den Niederlanden und in Israel geforscht.

Retortentechnik
Die Retortentechnik lässt bisher keine Fleischzucht in großen Mengen zu. Ob man also den Hunger in der Welt mit Kunstfleisch bekämpfen kann, ist daher äußerst fraglich. Nach einer Studie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) ist die Herstellung sehr aufwendig. Die Karlsruher Forscher stellten aber auch fest, dass In-Vitro-Fleisch dabei helfen könnte, Probleme des Fleischkonsums mit Blick auf die wachsende Weltbevölkerung, den Klimawandel und den Tierschutz zu lösen.