Der Bund schlägt ein Neun-Euro-Ticket für den Nahverkehr vor, um die Bürger zu entlasten. Viele Länder wie Baden-Württemberg plädieren stattdessen auf ein Null-Euro-Ticket.

Das von der Bundesregierung propagierte Nahverkehrsticket für neun Euro pro Monat bleibt umstritten. Landes-Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) wirbt für die Null-Euro-Variante. „Der administrative Aufwand und die Abrechnung ist für alle Verkehrsverbünde in Deutschland für eine drei Monate dauernde Aktion mega kompliziert“, sagte Hermann am Samstag unserer Zeitung. Man wolle deshalb in einer Arbeitsgruppe von Bund und Ländern rasch eine bessere Lösung finden. Für die Länder liegt sie in Null-Euro-Ticket, also einem für alle Nutzer kostenlosen Nahverkehr. Abokunden würden ihre Monatsrate rückerstattet bekommen.

 

Länder stimmen für andere Lösung

Die Sonderkonferenz aller Verkehrsminister hatte am Freitag mit elf gegen drei Stimmen bei zwei Enthaltung beschlossen, anstelle der 9-Euro-Lösung auf den auf drei Monate befristeten Nulltarif zu setzen, „vollfinanziert durch den Bund“. Ziel sei, den administrativen Aufwand zu minimieren und das Angebot „zeitnah, verbundweit und bundeseinheitlich einzuführen“. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte in der Sitzung auf das Angebot des Koalitionsausschusses beharrt. Die Aktion „9 für 90“ sei beschlossene Sache. Im Maßnahmenpaket des Bundes stehen dazu nur zwei Sätze. Praktiker in den Verkehrsbetrieben beklagen fehlende Absprache, die Regierung unterschätze den Aufwand. Der in einer Nachtsitzung gefundene Vorschlag erinnert an die in der Coronakrise 2021 abrupt von der damaligen Kanzlerin Angela Merkel verkündeten zusätzlichen Ruhetage an Ostern. Bund und Länder wollten Gutes tun, hatten damals aber die Umsetzungsschwierigkeiten stark unterschätzt, die Ruhetage wurden wieder zurückgenommen. Die jetzige Fahrkarten-Aktion würde den Bund voraussichtlich 2,5 Milliarden Euro kosten. Dieses Geld würde laut Hermann auch für mindestens zwei Freimonate reichen.

Mit der Aktion sollen die Bürger von hohen Energie- und damit auch stark gestiegenen Mobilitätskosten entlastet werden. Deren Ursache liegt im Krieg Russlands gegen die Ukraine. Man wolle genau beobachten, welche Auswirkungen vergünstigte Tickets auf das Nutzerverhalten haben, so Wissing. Gleichzeitig mit der dreimonatigen Ticket-Subventionierung will die Bundesregierung die Spritpreise durch einen abgesenkte Besteuerung der Kraftstoffe drücken.

Den Verkehrsbetrieben fehlt Geld

Die Verkehrsminister begrüßen grundsätzlich die Aktion des Bundes, mahnen aber eine Erhöhung der Regionalisierungmittel des Bundes zum Ausbau und dauerhaften Betrieb des Nahverkehrs sowie Zusatzhilfen von 750 Millionen Euro in diesem Jahr für die von Preiserhöhungen getroffene Verkehrsbetriebe an. Höhere Kraftstoffkosten könnten nicht einfach durch übermäßige Tariferhöhungen an die ÖPNV-Kunden weitergereicht werden, das widerspreche den Klimaschutzzielen und sei nicht sozial verträglich. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) erklärte, man setze den neuen Tarif so schnell wie möglich um, sobald die Rahmenbedingungen „final geklärt sind“. Ein 9-Euro-Ticket sei im Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) „frühestens ab Mai möglich, wahrscheinlich später“, sagte VVS-Geschäftsführer Horst Stammler unserer Zeitung.