Wie organisiert man einen Kräfteausgleich zwischen reichen und armen Bundesländern? Am Donnerstag starten die Gespräche zu den Bund-Länder-Finanzen. Das Thema birgt Konfliktstoff. Es steht viel auf dem Spiel, eine Einigung wäre ein Herkulesakt.
Stuttgart - Jetzt geht es ans Eingemachte: An diesem Donnerstag beginnen die Finanzminister von Bund und Ländern ihr Ringen darum, wie die Geldverteilung zwischen den staatlichen Ebenen organisiert werden soll. Im Oktober drehen dann die Ministerpräsidenten die Sache weiter. Bis zum Jahresende soll ein Konzept für eine Reform des Länderfinanzausgleichs vorliegen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Zwei Föderalismuskommissionen hat die Republik schon erlebt. Beide Male stand auch der föderale Umgang mit Geld auf der Agenda. Aber nie lange: es war klar, dass bei diesem Thema kaum Gemeinsamkeiten zu finden sein würden. Deshalb hat man es rasch wieder ausgeklammert.
Das Geben und Nehmen auf eine breitere Basis stellen
Jetzt spielt Baden-Württemberg eine Schlüsselrolle, denn der Südwest-Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) leitet in diesem Jahr die Ministerpräsidentenkonferenz. Er hat avisiert, dass es um mehr gehen müsse als den leidigen Länderfinanzausgleich. Bei dem liegen die Interessen der Länder weiter denn je auseinander. Wenn es aber gelänge, das Geben und Nehmen auf breiterer Basis in den Blick zu nehmen, könnten festgezurrte Fronten womöglich gesprengt und ungeahnte Länderkoalitionen gefunden werden – so Kretschmanns Idee.
Deshalb wird zunächst darüber sinniert, wie künftig der Solidaritätszuschlag aufgeteilt werden könnte. Eine Einheit der Länder lässt sich da am ehesten hinbekommen – gegen den Bund nämlich. Der kassiert die 5,5 Prozent Aufschlag auf die Einkommensteuer ganz alleine. Das waren 2013 immerhin 14 Milliarden Euro. Ursprünglich war der Soli für den Aufbau Ost gedacht. 2013 gab der Bund dafür laut Steuerzahlerbund aber nur 9,8 Milliarden. Tendenziell steigen die Einnahmen aus dem Soli immer weiter, die Ausgaben für den Aufbau Ost dagegen sinken und fließen 2019 letztmalig. Egal, wie viel die Länder dem Bund von diesem Einnahmeposten abtrotzen können, es ist für sie zusätzliches Geld.
Beim Soli-Beitrag geht es um 14 Milliarden Euro
Kretschmanns zweites Argument: beim Solidaritätszuschlag geht es um mehr als beim Länderfinanzausgleich. Den 14 Milliarden Euro aus dem Soli-Topf stehen etwa 8,5 Milliarden Euro gegenüber, die 2013 via Finanzausgleich umgeschichtet wurden.
Die Dynamik ist aber unterschiedlich. Der Soli brachte schon 1995 rund 13,4 Milliarden Euro in die Staatskasse. Damals betrug der Abgabensatz noch 7,5 Prozent. 1998 wurde er – man kann sich das heute kaum mehr vorstellen – auf 5,5 Prozent gesenkt. Das durch den Länderfinanzausgleich verschobene Finanzvolumen ist seit 1995 dagegen um fast 50 Prozent angewachsen. Damals sind erst 5,7 Milliarden Euro umgeschichtet worden.
Die Hessen haben lange Zeit die größte Last getragen
Die Entwicklung der Zahlen macht die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Systems dringlich. Die den Nehmerländern zufließenden Mittel haben diese nicht in die Lage versetzt, ihre Position zu verbessern. Nur Bayern – bis 1986 Empfängerland – zahlt seit 1993 massiv in das Solidarsystem ein. Auf der anderen Seite sinkt die Zahl der Geberländer. 1995 waren es noch sechs, auch Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Hamburg. Jetzt sind es noch drei – Bayern, Hessen und Baden-Württemberg –, die aber ein größeres Volumen schultern müssen.
Pro Kopf haben lange Zeit die Hessen die größte Last getragen, 2007 reichte das bis zu einem Spitzenwert von 475 Euro; seit 2012 sind die Bayern pro Kopf am stärksten belastet. Kein Wunder, dass diese Länder besonders massiv darauf dringen, dass der Finanzausgleich neu konfiguriert wird.
Man ist sich einig, dass man den Soli nicht abschafft
Zu Gesprächen darüber wird es aber nur dann kommen, wenn man sich beim Soli verständigt. Für ihn gibt es verschiedenste Ideen. Bis jetzt ist man sich nur einig darüber, dass man ihn nicht abschaffen will. Baden-Württemberg hat vorgeschlagen, den Soli in die Einkommensteuersystematik einzurechnen. Das zusätzliche Geld würde dann wie die Einkommensteuer zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verteilt. Die meisten Länder dürften das dankend ablehnen, denn Baden-Württemberg hat ein hohes Aufkommen bei der Einkommensteuer, würde also auch vom Soli-Effekt weit überdurchschnittlich profitieren. Das Land hat sich aber mal positioniert.
Das soll auch gegen die Idee vom Altschuldenfonds zielen. Den will der Südwesten nicht – anders als SPD-regierte Länder wie Berlin, Bremen oder Schleswig-Holstein. In diesen Fonds soll der Soli fließen. Das zusammenkommende Geld würde dann den Ländern helfen, ihre Schuldenlast abzutragen. Das bringt denen aber wenig, die pro Einwohner wenig Schulden haben, also Bayern oder Baden-Württemberg, aber auch Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen. Der Freistaat im Osten hat die niedrigste Pro-Kopf-Verschuldung überhaupt, erzielt aber nur ein Drittel seiner Einnahmen aus eigenen Quellen und lebt sehr stark vom bisherigen Finanzausgleich.
Vom Altschuldenfonds hält der Südwesten nichts
Das verdeutlicht die Gemengelage und dass es darauf ankommen wird, wie eine Lösung in der Feinbetrachtung aussieht. Ein Altschuldenfonds wäre für Baden-Württemberg vollständig indiskutabel, wenn auch noch die Schulden der Kommunen einbezogen würden – wie das manche Länder vorschlagen. Denn auch Städten und Gemeinden im Südwesten geht es gut. Vom Soli würde praktisch nichts ins Land fließen. Richtete man die Bedürftigkeit eines Landes aber nicht an seinen Pro-Kopf-Verbindlichkeiten aus, sondern an der Gesamtverschuldung, sähe es schon wieder anders aus. Denn da liegt das Land auf Rang vier.
Eine Kombination verschiedener Elemente bietet sich an. Man muss sie nur geeignet zusammenrechnen. Kreativität ist gefragt. Für die grün-rote Landesregierung ist derzeit nur klar, dass für Baden-Württemberg am Ende eine geringere Belastung stehen muss.