Die von der Bundesregierung angestoßene Reform des Länderfinanzausgleichs stockt. Bund und Länder wollen bis Herbst erste Ideen zur Neuverteilung der Finanzströme entwickeln. Die Ministerpräsidenten erheben Anspruch auf den Solidaritätszuschlag.

Berlin - Der Start verläuft holprig. Im Koalitionsvertrag haben Bund und Länder verabredet, die Finanzbeziehungen neu zu ordnen. Das ist allein schon wegen der vielfältigen Abhängigkeiten und Zahlungsströme ein Großvorhaben. Umso erstaunlicher ist es, dass davon im ersten halben Jahr der neuen Bundesregierung nichts zu hören war. Die Länder sagen, die Bundesregierung habe es nicht sehr eilig gehabt. Der Zeitdruck ist groß, denn bis Ende kommenden Jahres soll die Reform stehen. Das ist vorerst der letzte Termin, denn 2016 stehen wichtige Landtagswahlen an.

 

Immerhin sind sich die Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin nun über den Zeitplan und die Themen einig. Bis Herbst sollen die Finanzminister von Bund und Ländern erste Vorschläge für eine Reform erarbeiten, die dann den Ministerpräsidenten vorgelegt werden. Um die Gespräche in Gang zu bringen, wollen alle Seiten mit dem Einfachen beginnen. „Wir haben uns darauf verständigt, zunächst einmal über die Finanzbeziehungen von Bund und Ländern zu sprechen“, sagte der baden-württembergische Finanzminister Nils Schmid (SPD). Vertikale Finanzbeziehungen lautet das Zauberwort im Expertenjargon. Im ersten Anlauf soll geprüft werden, wie die Finanzströme zwischen Bund und Ländern vereinfacht werden können. Im Themenkatalog steht zwar weiter die Reform des Länderfinanzausgleichs. Dazu sollen bis Dezember erste Konzepte vorliegen. „Den Ländern ist diese Reihenfolge wichtig“, sagte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nach dem Gespräch der Länder mit der Kanzlerin.

Natürlich geht es vor allem ums Geld. Die Länder haben die Erwartung, dass ihnen der Bund einige Aufgaben in der Sozialpolitik abnimmt. Ideen dafür sind vorhanden: Der Bund soll künftig die Finanzierung des Wohngelds übernehmen, im Gegenzug bieten die Länder an, den sozialen Wohnungsbau in eigener Regie zu betreiben. Eine Blaupause für diese Neuverteilung gibt es bereits: Vor Kurzem willigte die Bundesregierung ein, die Schüler- und Studentenförderung Bafög ganz von den Ländern zu übernehmen. Im Gegenzug engagieren sich die Länder stärker im Hochschulbau.

Lebhafte Fantasien weckt bei den Ländern der Solidaritätszuschlag, der nach geltender Rechtslage allein dem Bund zusteht. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) spricht aus, was alle Länderchefs denken: Die Länder wollten den Bund überzeugen, ihnen einen substanziellen Anteil am „Soli“ abzutreten. Dabei geht es immerhin um Einnahmen von 14 Milliarden Euro jährlich. Die Ministerpräsidenten argumentieren: Wenn der Solidarpakt 2019 ausläuft, werde der „Soli“ gegenstandslos. Bund und Länder sind sich jedoch einig, dass die Steuer weiter für einen anderen Zweck erhoben werden soll. Von Steuersenkung ist keine Rede. Die Länder möchten den Soli dafür verwenden, ihre Schuldenberge abzubauen. Die Begeisterung des Bundes hält sich dabei in Grenzen, schließlich zahlt der Bund seit der Einführung der Schuldenbremse zur Hälfte die Konsolidierungshilfen an die Länder Berlin, Bremen, Saarland, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt. Das reicht den Ländern nicht, sie fordern vom Bund einen Beitrag zum Abbau der Altschulden.

Nach dem Gespräch im Kanzleramt fällt auf, dass ein Thema nur noch am Rande vorkommt. Die von den Geberländern Baden-Württemberg, Bayern und Hessen geforderte Reform des Länderfinanzausgleichs rückt in die Ferne. Kretschmann kündigte in Berlin zwar an, auch darüber solle geredet werden. Hinter den Kulissen ist aber zu hören, dass sich die Zahlerländer kaum noch Hoffnungen auf eine Neuordnung machen – zu groß ist der Widerstand bei den Nehmerländern. Wer frühere Verhandlungen erlebt hat, weiß, dass eine umfassende Reform in einem Jahr kaum zu schaffen ist. Stattdessen soll nun der Bund eine Art „Schmiermittel“ zur Verfügung stellen. Die Länder setzen darauf, dass sie künftig vom Soli profitieren.