Baden-Württemberg hat sich an der Verfassungsklage Bayern und Hessens gegen den Länderfinanzausgleich nicht beteiligt. Jetzt folgt die Begründung: Grün-Rot sorgt sich, die Finanzkraft der Kommunen könnte stärker in den Ausgleich einfließen.
Stuttgart - Baden-Württemberg hat sich an der Klage Bayerns und Hessens vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Länderfinanzausgleich nicht beteiligt – im Gegenteil, jetzt hat die Landesregierung gegenüber den Karlsruher Richtern begründet, warum es die Klage ablehnt. Bis 31. März sind die Länder gefordert, ihre Stellungnahme zu der Klage abzugeben. Das Land hat das am 21. März getan.
Dazu hat sich Grün-Rot gutachterliche Unterfütterung geholt, erläuterten der Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Finanzminister Nils Schmid (SPD). Die Landesregierung treibt nämlich die Sorge um, dass ein Urteilsspruch in Karlsruhe für den Südwesten Nachteile bringen könnte. Das hat mit den Kommunen und deren Lage zu tun. „Wir haben die mit weitem Abstand am besten ausgestatteten Kommunen“, sagte Kretschmann. Ihre Finanzkraft liege noch vor jener der bayerischen oder hessischen Gemeinden.
In der aktuellen Version des Länderfinanzausgleichs wird die kommunale Finanzkraft in Höhe von 64 Prozent berücksichtigt. Das sei willkürlich. Es sei nicht nachzuvollziehen, wie dieser Wert ermittelt worden sei. Dem würde sicher nicht einmal der ehemalige Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) widersprechen. Unter ihm hatte sich Baden-Württemberg einer in Teilen erfolgreichen Verfassungsklage angeschlossen. Bei den sich an das Urteil anschließenden Verhandlungen zwischen den Ländern und dem Bund sei es zugegangen wie auf einem Basar, sagte Teufel damals. Am Ende kam die Zahl 64 heraus. Vorher wurden die Kommunen zu 50 Prozent berücksichtigt. Was der Südwesten an der einen Stelle durch die Folgen des Richterspruches gewonnen hatte, verlor er an diesem Punkt wieder zum großen Teil.
„64 Prozent sind zu viel“
Das will Grün-Rot nicht ähnlich noch einmal erleben. Deshalb arbeitet man beim Verfassungsgericht vorsorglich auf Kleinrechnen der Kommunen hin. Sie seien in den 90-er Jahren durch eine Änderung im Grundgesetz in ihrer finanziellen Eigenständigkeit gestärkt worden. Das werde in der aktuellen Regelung nicht berücksichtigt. Mit 64 Prozent werde ihre Finanzkraft viel zu hoch veranschlagt. Der Anteil müsse „deutlich reduziert werden“.
Unter den Geberländern unumstritten ist die Abscheu vor der so genannten Einwohnerveredelung. Die drei Stadtstaaten müssen ihre Infrastruktur alleine stemmen, bekommen aber von den Anliegerstaaten keinen Ausgleich, etwa wenn ein Potsdamer nach Berlin zum Studieren oder ein Lüneburger nach Hamburg ins Krankenhaus geht und dadurch sozusagen eine fremde Daseinsvorsorge in Anspruch nimmt. Um das abzumildern, werden die Einwohner der Stadtstaaten stärker gewichtet. Ihre Einwohnerzahl wird mit 1,35 multipliziert, also deutlich nach oben gerechnet. Berlin bekäme ohne diesen Kunstgriff 3,5 Milliarden Euro pro Jahr weniger aus dem Länderfinanzausgleich. Es lohnt sich also. Baden-Württemberg hat nun in Karlsruhe hinterlegt, dass dieses Vehikel nicht verfassungsgemäß begründet sei.
Verhandeln statt klagen
Der Verhandlungsweg sei einer Klage vorzuziehen, wenn es um die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen geht, wiederholten Kretschmann und Schmid. Das Kabinett hat für diese Verhandlungen einen Zehn-Punkte-Katalog verabschiedet. Darin wird gefordert, dass der Bund die Länder und Kommunen „für die anstehenden Zukunftsaufgaben mit dauerhaft zusätzlichen Mitteln ausstatten“ müsse, etwa für Aufgaben in Bildung, Wissenschaft, Forschung und Entwicklung, Infrastruktur, Soziales und Energiewende.
Weiter müssten die Kommunen um fünf Milliarden Euro jährlich von der Eingliederungshilfe entlastet werden. Der Bund solle sich ferner stärker an den Sozialausgaben beteiligen. Eine Forderung des Landes zielt auf eine erhöhte Steuerautonomie – außerhalb des Ausgleichssystems. Länder sollen also bestimmte Steuern oder Steuersätze selbst festsetzen können. So werde das Solidarsystem anreizgerechter.
Zündstoff in Aussicht
Solche Vorstöße bergen Zündstoff bei den anstehenden Verhandlungen. Einig sind sich die Länder freilich darin, dass sie an dem Geld, das der Solidaritätszuschlag bringt, beteiligt werden wollen. Dessen Zweckbindung für den Aufbau-Ost läuft 2019 aus. Abschaffen will man ihn nicht. Er fiele von 2020 an ganz dem Bund zu. Das wollen die Länder nicht zulassen. An der Stelle werden sie Gespräche aufnehmen.
Diese sind aus dem Zeitplan geraten. Eigentlich wollte Kretschmann das Thema Finanzbeziehungen schon bei der Ministerpräsidentenkonferenz vor zehn Tagen aufrufen. Weil die Runde aber zu lange brauchte, um sich über die Senkung der Rundfunkgebühren zu einigen, kam es nicht mehr dazu. „Ich werde die Zeit nutzen für bilaterale Gespräche mit anderen Ländern, aber auch dem Bund“, sagt Kretschmann trotzig. Er ist derzeit Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz.