Motorradlärm im Schwarzwald Ärger im Biker-Paradies

Schön in die Kurve legen – so mögen es viele Motorradfahrer. Die kurvige Schwarzwaldhochstraße ist ideal dafür. (Symbolbild) Foto: imago/Arnulf Hettrich

Die Schwarzwaldhochstraße steht bei Motorradfahrern hoch im Kurs. Anwohner klagen über Lärm, Biker halten die Beschwerden für übertrieben, Gastrobetriebe freuen sich.

Baden-Württemberg: Florian Dürr (fid)

Wenn die rechte Hand am Lenker den Gashahn aufdreht, die Tachonadel in den hohen Drehzahlbereich wandern und den Motor der Maschine schön brummen lässt, dann macht Motorradfahren besonders Spaß. Wer mal auf einem Zweirad gesessen hat, kennt dieses Gefühl, der Körper schüttet Glückshormone aus. In schöner grüner Landschaft mit vielen Kurven lässt sich dieser Geschwindigkeitsrausch noch viel besser erleben. Kein Wunder also, dass die Schwarzwaldhochstraße zwischen Freudenstadt und Baden-Baden bei Motorradfahrern hoch im Kurs steht: kurvenreich, herrliche Ausblicke über den Schwarzwald, mächtige Tannen rechts und links der Fahrbahn. Da schlägt das Biker-Herz höher.

 

Anwohner vermeiden es, in der „Motorrad-Hauptzeit“ auf dem Balkon zu sitzen

Doch während das bei den einen Endorphine ausschüttet, bedeutet das für andere: Stresshormone. Anwohner der B 500 klagen seit Jahren über den Lärm durch Motorradfahrer und erwarten auch in dieser Saison keine Besserung. „Lärm macht krank. Tempo runter“ – steht auf einem Schild in Baden-Baden am Ortsausgang Richtung Schwarzwaldhochstraße. Die Abbildung eines Motorradfahrers zeigt, an wen sich der Appell richtet. „Am Wochenende ist es ganz schlimm, die drehen hier auf dem geraden Stück auf, um sich da vorne dann in die Kurve zu legen“, sagt Gudrun Heinzelmann ein paar Hundert Meter entfernt von dem Schild und zeigt auf die Straße vor ihrem Haus in Baden-Baden.

Sie und ihr Mann Kurt könnten es hier so schön idyllisch haben: Auf der anderen Straßenseite plätschert ein kleiner Bach, dahinter geht es in den Wald, dazwischen verläuft ein hell geschotterter Wanderweg. Schon oft hätten sie sich bei der Stadt wegen des Lärms beschwert, sie wollten eine 30er-oder zumindest 40er-Zone, „aber es sei keine Gefahrenstelle, heißt es“, berichtet Gudrun Heinzelmann. So gilt weiterhin Tempo 50.

„Wenn sie wenigstens 50 fahren würden“, sagt Kurt Heinzelmann dazu. Weil die Stadt ihrer Ansicht nach zu wenig gegen den Lärm unternimmt, versuchen die Heinzelmanns ihre Freizeit an die Biker anzupassen: Das Ehepaar vermeidet es, in der „Motorrad-Hauptzeit“ auf dem Balkon zu sitzen. „Bis 10 Uhr können wir morgens draußen sein, dann ist Lärm, und ab circa 16 Uhr ist wieder Ruhe“, erzählt Gudrun Heinzelmann.

Sperrung eines beliebten Biker-Parkplatzes eine mögliche Option

Auch in der Geroldsauer Mühle, die nach dieser Kurve ihre Gäste als „Das Tor zum Schwarzwald“ empfängt, ist der Lärm durch Zweiräder ein Thema. Jürgen Jäke und Irene Hauser sitzen an diesem Mittag im Biergarten. „Es gibt welche, die den Gashahn aufdrehen, um zu zeigen, was sie haben“, sagt Jäke. Oft hörten sie das Martinshorn eines Krankenwagens. „Dann weiß man, dass es wieder jemanden gewickelt hat“, sagt er.

Baden-Badens Bürgermeister Roland Kaiser sind die Sorgen der Bürger bekannt. Die Stadt habe in den vergangenen Jahren eine Reihe von Maßnahmen gegen Lärm und Motorradunfälle ergriffen: Lärmdisplays, die anzeigen, wie laut ein Motorrad ist, mobile Blitzer, Verkehrskontrollen, Hinweisschilder, Rüttelstreifen auf der Fahrbahn vor Kurven. Sogar den bei Motorradfahrern beliebten Parkplatz am Helbingfelsen hat die Stadt schon sperren lassen. „Das ist der Treffpunkt jener, die sich filmen lassen, wenn sie besonders schnell in die Kurve dort fahren“, erklärt Kaiser. Die Polizei spreche von der „Applauskurve“. Auch für diese Motorradsaison sei die Sperrung wieder eine Option, „wenn wir es mit Kontrollen nicht in den Griff bekommen“, sagt Kaiser.

Landesregierung fordert mehr rechtliche Möglichkeiten gegen Lärm

Doch all das hat nicht verhindert, dass die Lärmmessungen bei Baden-Baden immer noch Höchstwerte von um die 90 Dezibel ergeben. Die Straßenverkehrsordnung aber bilde Lärmbelästigung bislang nicht ab – es fehle die rechtliche Grundlage, um weitergehende Maßnahmen zu ergreifen. Das sei bislang nur möglich, wenn man es mit der Verkehrssicherheit begründe, erklärt Kaiser. Der Bürgermeister will sich vor allem für strengere Regeln bei der Zulassung von Motorrädern starkmachen: damit laute Motorräder erst gar nicht auf die Straße dürfen.

In anderen Ländern sind auch radikalere Maßnahmen möglich: Das österreichische Bundesland Tirol etwa sperrt auch dieses Jahr vom 15. April bis 31. Oktober wieder bestimmte Strecken für besonders laute Motorräder. Betroffen sind Zweiräder mit einem Standgeräusch von mehr als 95 Dezibel. Wer gegen die Regelung verstößt, riskiert ein Bußgeld von 220 Euro.

In Baden-Württemberg aber scheitern ein Modell nach dem Tiroler Vorbild oder Lärmblitzer, wie sie in Frankreich getestet werden, an der Straßenverkehrsordnung. „An dieser Stelle ist der Bund gefordert“, heißt es von der Landesregierung. Da hilft auch die stattliche Größe der Initiative Motorradlärm nicht weiter, dieser haben sich mittlerweile 170 Städte, Gemeinden und Landkreise im Südwesten angeschlossen. „Wir fordern, dass das Land und die Kommunen mehr rechtliche Möglichkeiten bekommen, den Motorradlärm einzudämmen. Unser Ziel ist, dass Motorräder leiser werden, dass sie leiser gefahren werden und rücksichtsloses Fahren deutliche Folgen hat“, sagt Landesverkehrsstaatssekretärin Elke Zimmer.

„Das hier ist ein Paradies für Biker. Bei schönem Wetter ist der Parkplatz voll“

Biker fühlen sich von den Maßnahmen und Initiativen an den Pranger gestellt. „Motorräder machen keinen Lärm, sie machen Musik“, sagt Heiko Schmidt, der Vorsitzende des Vereins Moto – Biker im Dialog. Er könne die Anwohner zwar verstehen und sagt: „Wenn jemand seine Maschine mit 14 000 Umdrehungen durch eine Ortschaft prügelt, dann ist das schwachsinnig und macht natürlich Lärm.“ Dennoch ist er der Meinung, dass viele Menschen die Geräusche von Autos oder Hubschraubern oft mit Motorrädern verwechseln. Um das zu untermauern, schneidet der Verein Audiosequenzen zusammen und spielt sie bei öffentlichen Veranstaltungen ab. „Viele schreiben dann zum Beispiel das Geräusch eines amerikanischen Autos mit V8-Motor einem Motorrad zu“, sagt Schmidt: „Alles, was anders klingt als ein normales Auto, ist für viele gleich Lärm durch Motorräder.“

Überall unerwünscht sind die Biker trotz allem auch an der Schwarzwaldhochstraße nicht: Gastronomiebetriebe wie die Geroldsauer Mühle freuen sich in der Motorradsaison über viele Gäste auf Zweirädern. „Das hier ist ein Paradies für Biker. Bei schönem Wetter ist der ganze Parkplatz voll“, sagt die Mitarbeiterin Sabine Braun. Für sie ist der Ärger über den Lärm ein „Jammern auf allerhöchstem Niveau“ – und sie argumentiert: „Andere wohnen in der Nähe der Autobahn oder in der Großstadt, wo es mit dem Berufsverkehr um 5 Uhr morgens losgeht.“ Motorradfahrer seien hier herzlich willkommen.

Weitere Themen