Messungen des Verkehrsministeriums nahe Stuttgart-Büsnau haben teils extrem laute Fahrzeuge nachgewiesen – nicht nur Motorräder. Die Anwohner sehen die Politik und die Hersteller in der Pflicht, um die Lärmbelastung zu reduzieren.

Manteldesk: Sandra Hintermayr (shi)

Jedes dritte Motorrad ist lauter als 90 Dezibel, nur 13 Prozent der Motorräder leiser als 80 Dezibel. Das ergibt sich aus den vom Verkehrsministerium beauftragten Messungen im ganzen Land. Auch nahe Stuttgart-Büsnau erfassten die Messgeräte für einen Zwei-Wochen-Zeitraum 2021 den Verkehr, einmal an der L 1189/Magstadter Straße und an der L 1187/Mahdentalstraße.

 

In Büsnau sind die Ergebnisse aufmerksam verfolgt worden. Denn die S-Kurve der ehemaligen Solitude-Rennstrecke im Norden des Vaihinger Ortsteils ist besonders bei Motorradfahrern beliebt. Die Messstellen lagen sozusagen an den Zubringerstraßen zur S-Kurve. Dementsprechend hätten die Büsnauer an ihrem Hotspot eigentlich die Summe beider Messergebnisse zu ertragen gehabt– „zumindest bei den Fahrern, die auf der alten Solitude-Rennstrecke blieben“, sagt Gerhard Stachorski, einer der Anwohner, die seit mehr als zehn Jahren gegen den Lärm kämpfen. Er hätte sich gewünscht, „dass unser Hotspot bei den Messstellen dabei gewesen wäre“.

Auf- und Ab-Fahrer verursachen unnötigen Lärm

Größtes Ärgernis der Anwohner sind die Fahrer – oftmals Biker –, die die S-Kurve mehrmals hintereinander zum Vergnügen auf- und abfahren und so unnötigen Lärm verursachen. In der Kurve gilt Tempo 40, die „Auf- und Ab-Raser“, wie Stachorski sagt, hielten sich aber oft nicht an die Geschwindigkeitsbeschränkung. Und leiser als 80 Dezibel seien sie vermutlich auch nicht.

Das Tempolimit ist eine Maßnahme zur Lärmreduzierung, ebenso wurden zum Beispiel Lärmdisplays aufgestellt. Die Maßnahmen hätten immerhin zur Folge, dass die Lärmbelästigung durch den Durchschnittsverkehrsteilnehmer zurückgegangen sei, berichtet Stachorski. Einzelnen Rasern und solchen Fahrern, „die bewusst gegen allgemeine Regeln verstoßen und denen eine Lärmbelästigung anderer Personen schlichtweg egal ist“, sei damit nicht beizukommen.

„Die Fahrzeuge – es sind immer mehr Pkw dabei, zum Teil noch lauter als Motorräder – sind meistens regelkonform zugelassen und somit zwar legal, aber dermaßen laut unterwegs, dass einem die Ohren schmerzen“, sagt Stachorski. Die Büsnauer wünschen sich, dass „die Politik endlich reagiert und auch die gesundheitliche Gefährdung von Anwohnern als Begründung zulässt, um Lärm-Hotspots zu sperren oder mit einer Dezibel-Obergrenze zu belegen“ – wie in den Tiroler Alpen. Im Sommer 2020 hat das österreichische Bundesland für einige Straßen ein Fahrverbot verhängt für Motorräder, die laut Zulassung ein Standgeräusch von mehr als 95 Dezibel aufweisen.

An den Fahrverboten für laute Motorräder gibt es auch Kritik

An dem Tiroler Modell gibt es aber auch Kritik. Denn es seien einige Motorräder mit einem Standgeräusch von mindestens 95 Dezibel zugelassen – legale Motorräder würden auf den Strecken damit zu illegalen Fahrzeugen. Außerdem liege es auch an den Fahrern, wie laut ihre Motorräder seien. Der Verein Moto – Biker im Dialog, der sich für Kompromisse zwischen Motorradfahrern, Anwohnern, Verbänden und der Politik einsetzt, argumentiert, dass fast jedes Motorrad durch den Fahrer mit hoher Lautstärke gefahren werden kann. Im Umkehrschluss könnten aber auch Motorräder mit hohem Standgeräusch durch umsichtige Fahrweise leise bewegt werden. Das Verbot nehme die Technik, nicht aber die Fahrer in den Blick.

Die Vereinigte Arbeitsgemeinschaft gegen Motorradlärm (VAGM) mit Sitz in Stuttgart und die Initiative Silent Rider, bei denen Gerhard Stachorski ebenfalls Mitglied ist, wollen die Politik und die Hersteller für die Lärmproblematik sensibilisieren und setzen sich auf Bundesebene für entsprechende Änderungen in der Gesetzgebung ein. Silent Rider betont auf ihrer Homepage, dass die Initiative sich nicht gegen die Biker-Community richte, „sondern ausschließlich gegen die Verursacher von unverhältnismäßigem, illegalem Motorradlärm“. Man wolle gemeinschaftlich Lösungen finden, um Anwohner vor Lärm zu schützen und pauschale Diffamierungen gegen Motorradfahrer zu vermeiden. Das sehen auch die Büsnauer so – einige von ihnen sind selbst Motorradfahrer. Sie hoffen aber auf Verständnis dafür, dass die persönliche Freiheit von lärmenden Rasern spätestens dann enden müsse, wenn die Gesundheit von Anwohnern gefährdet werde. „Der Schutz der Anwohner und energiebewusstes Handeln und Produzieren muss in der Priorität endlich über den persönlichen Freiheitsbedarf weniger Einzelpersonen gestellt werden“, sagt Stachorski.