Wer möglichst ruhig fliegen möchte, muss seinen Flugzeugsitz mit Bedacht wählen, rät der Fluglärmforscher Kay Kochan. Der Akustik-Experte forscht am Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) an Methoden, wie sich Kabinen besser dämmen lassen.

Hamburg - Die Innenräume von Flugzeugen sind so laut wie stark befahrene Straßen. Daran möchte Kay Kochan (39) etwas ändern. Der Akustik-Experte forscht am Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) an Methoden, wie sich Kabinen besser dämmen lassen.

 
Herr Kochan, wo sitzen Sie im Flugzeug?
Dort, wo das Entertainment-System am besten ist. Wenn ich privat fliege, bin ich in der Economy-Klasse unterwegs. Mit einem geschulten Blick auf das Kabinenlayout versucht man sich natürlich die besseren Plätze auszusuchen, zum Beispiel möglichst weit weg von Bordküchen und Bordtoiletten. Dort entsteht immer sehr viel Lärm durch Passagiere und Flugbegleiter.
Sie forschen an der Akustik von Flugzeug-Innenräumen. Welcher Platz wäre denn vom Geräuschpegel her am besten?
Das kommt auf den Flugzeugtyp an. Nehmen wir eine gängige A320-Bauart. Dort ist es interessanterweise im Bereich des Flügels am leisesten. Außerdem sind die Gangplätze leiser als die Fensterplätze, weil Sie dann weiter von der Lärmquelle entfernt sitzen. Bei Propellermaschinen ist es eher im Bereich der Flügel am lautesten.
Wie laut ist es in einem Flugzeug?
Der Airbus A380 ist zurzeit das leiseste Passagierflugzeug der Welt. Dort kommt man auf etwa 75 bis 80 Dezibel – das ist so laut wie eine stark befahrene Straße. Die anderen Flugzeugtypen sind etwas lauter. Gesundheitsschädlich ist das nicht, aber ab 60 Dezibel kann man nicht mehr richtig schlafen. Dann wird das Reisen unangenehm.
War es früher nicht noch unangenehmer?
Fliegen ist in den letzten Jahrzehnten deutlich leiser geworden. Die großen Flugzeughersteller haben viel Geld in e ine bessere Kabinenakustik investiert. Ältere Triebwerke haben deutlich mehr Lärm verursacht als moderne Modelle. Dazu sind die Kabinen sehr viel besser isoliert als früher. Was den Außenlärm angeht, haben die Airlines heute sogar einen großen Anreiz, leiser zu werden, denn je lauter das Flugzeug, desto höher sind die Start- und Landegebühren.
Womit genau befasst sich Ihre Forschung?
Wir versuchen, eine möglichst gute Innenraum-Akustik zu realisieren: nicht zu laut, aber auch nicht zu leise. Wenn sich Passagiere unterhalten, sollen die Leute in den anderen Reihen schließlich nicht jedes Wort verstehen. Deshalb ist ein gewisser Hintergrund-Lärmpegel durchaus gewollt. Aktuell stellt sich außerdem die Frage, wie man akustische Maßnahmen mit einer hochautomatisierten Fertigung umsetzen kann – also technische Lösungen, die auch von Robotern installiert werden können.
Solche Wundermittel finden Sie sicher nicht von heute auf morgen.
Man kann aber die Forschung beschleunigen. Früher haben die Hersteller aufwendige Testflüge gemacht. Bei der A380 hat es allein drei Tage gedauert, die Mikrofone einzubauen, zu verwenden und hinterher wieder auszubauen. Inzwischen ist das nicht mehr nötig. Im ZAL-Techcenter verfügen wir über Europas größtes Akustiklabor im Bereich der Luftfahrt. An unserem Standort in Hamburg steht der Rumpf eines Airbus A320 – ein Gemeinschaftsprojekt von ZAL, Airbus und der Hochschule für Angewandte Wissenschaft, gefördert mit Bundesmitteln.
Welche Lösungen gibt es für die Hersteller?
Akustische Meta-Materialien sind derzeit eine vielversprechende Technologie. Diese neuartigen Materialien reduzieren den Schallpegel deutlich besser im Vergleich zu konventionellen Lösungen. Im Grunde verhindern sie, dass sich bei bestimmten Frequenzen Körperschallwellen ausbilden können. Sie schaffen also eine Art schwarzes Loch, nur im akustischen Bereich.
Das klingt kompliziert und damit wahrscheinlich auch teuer. Haben die Fluggesellschaften an solcher Technik denn Interesse?
Die Airlines interessieren sich vor allem für einen effizienten Flugbetrieb. Neue leichte Materialien können dazu einen Beitrag leisten. Aber natürlich erinnert sich ein Passagier eher an eine faszinierende Beleuchtung als an einen Flug, der drei Dezibel leiser war als bei der Konkurrenz. Trotzdem wird die Akustik in Zukunft eine stärkere Rolle spielen. Die Airlines suchen nach Möglichkeiten, sich von ihren Wettbewerbern abzugrenzen.
Wer mehr zahlt, fliegt auch ruhiger?
So ist es ja heute schon. VIP-Jets sind ganz anders gedämmt als Linienflieger. Auch die Business-Class und die First Class sind besser isoliert, damit die Kunden einen Tick leiser fliegen. Die Kunst wird darin bestehen, diese Unterschiede in Zukunft auch wirklich transparent zu machen. Wenn Passagiere wissen, welche Zusatzleistungen sie für ihr Geld bekommen, sind sie eher bereit, dafür zu bezahlen.
Von der besseren Isolierung abgesehen: Wie lassen sich Durchsagen an Bord verbessern?
Das Problem ist, dass die an Bord verbauten Lautsprecher sehr leicht sind. Mit größeren Modellen könnte man viel mehr erreichen, aber dann wäre der Flug schon wieder teurer. Bei der A380 werden etwa 250 Lautsprecher in der Kabine eingebaut. Bei nur hundert Gramm mehr Gewicht pro Lautsprecher kämen schnell 25 Kilo zusammen. In einem Projekt beschäftigen wir uns mit neuartigen Lautsprechern, die den Schall während der Durchsagen besser verteilen.
Was raten Sie Passagieren, die in der Economy-Class fliegen?
Die einfachste Variante sind Ohrstöpsel. Richtig gut funktionieren Kopfhörer mit „Active Noise Control“-Funktion. Sie messen Umgebungsgeräusche und neutralisieren sie, indem sie einen passenden Gegenschall aussenden. Manche Hersteller wollen solche Systeme in Zukunft auch in die Sitze integrieren – eine interessante Möglichkeit, die man schon auf Messen sehen kann.
Welches Potenzial sehen Sie für die nächsten zehn Jahre?
Es wird eine stärkere Differenzierung geben. Billig-Airlines werden alles daransetzen, ihre Maschinen noch leichter zu machen. Da darf man nicht auf bessere Lautsprecher oder Schall-Isolierungen hoffen. Für Full-Service-Airlines wird eine leise Kabine dagegen zum Angebot gehören. Insgesamt wird das eine spannende Zeit, weil Sitze in Bereichen aufgestellt werden, die momentan noch nicht dafür genutzt werden, vielleicht auch im Frachtraum. Auch dort stehen wir vor großen Herausforderungen, wie wir das Ganze leiser machen können.

Zur Person

Dr. Kay Kochan (39) ist seit 2015 für das Team „Acoustic & Vibration“ am Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) in Hamburg verantwortlich.

Er studierte Maschinenbau und promovierte darin an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg und am Dartmouth College in den USA. Vor seiner Zeit am ZAL war er für die Luftfahrtindustrie tätig.