Felix Franz ist der beste deutsche 400-Meter-Hürden-Läufer. Doch der 22-Jährige stößt an die Grenzen seiner dualen Karriere und muss bei weiteren Erfolgen vielleicht sein Studium an der Uni Stuttgart abbrechen.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Stuttgart - Hindernisse pflastern das Leben von Felix Franz. Das liegt in der Natur seiner Profession, schließlich besteht ein großer Teil seines Alltags darin, über Hürden zu sprinten. Der 22-Jährige ist 400-Meter-Hürden-Läufer, und er kennt sich deshalb entsprechend aus mit Dingen, die in seinem Weg stehen. Solange die Hindernisse auf einer Tartanbahn sind, hat er sie auch ziemlich gut im Griff.

 

Größere Probleme bereiten ihm die Hürden der dualen Karriere an der Universität Stuttgart-Vaihingen. Franz studiert dort Verfahrenstechnik, der Läufer von der LG Neckar-Enz ist im achten Semester, und im vergangenen Jahr hat er auf der Bahn ein Niveau erreicht, das so hoch ist, dass sein Sport und das ganze Drumherum immer mehr Zeit beanspruchen. Dummerweise „erhalte ich null Unterstützung von der Uni“, sagt Franz: „Die behandeln mich wie jeden anderen Studenten auch.“

Felix Franz aus Bietigheim-Bissingen ist der Aufsteiger des Jahres 2014. Er hat seine Bestzeit auf starke 48,96 Sekunden gesteigert, er war damit 2014 die Nummer 21 der Welt und wurde bei der EM in Zürich Fünfter. Am Sonntag beim traditionsreichen „Meeting der krummen Strecken“ in Pliezhausen (Beginn des Hauptprogramms 14.35 Uhr/Schönbuchstadion) ist der Deutsche Meister eines der Aushängeschilder, neben Namen wie etwa Mittelstreckenläufer Timo Benitz und dem internationalen Star Maryam Yusuf Yamal (Bahrain), zweifache Weltmeisterin über 1500 Meter. Sportlich ist 2015 für Franz ein Jahr der Konsolidierung, er will seine Zeiten bestätigen, ehe dann 2016 eine weitere Leistungssteigerung anvisiert wird; bei der U-23-EM will er eine Medaille holen, bei der WM im August ist das Halbfinale sein Ziel.

Kostet ihn die erhoffte Olympiateilnahme das Studium?

Hochleistungssportler auf diesem Niveau, in der erweiterten Weltspitze, ist man nicht nebenher, sondern 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Vier Einheiten am Olympiastützpunkt Stuttgart sowie fünf bis sechs weitere in seinem Heimatverein sind sein wöchentliches Trainingspensum, dazu kommen Trainingslager, Physiotherapie, Sponsorentermine und so weiter.

Nur wenige haben ein so effektives Zeitmanagement wie Spitzensportler. Die Organisation von Zeit ist zwangsweise ihre wichtigste Disziplin. Aber Felix Franz sieht für sich die Grenze erreicht, deshalb legt er ein Urlaubssemester ein. „Anders geht es einfach nicht.“ In den USA, sagt er, „werden Unterrichtseinheiten um den Trainingsplan gelegt. Bei uns ist es kaum möglich, Prüfungen zu verschieben oder Onlineklausuren zu schreiben“, sagt Franz. „Was Sie in ihrer Freizeit machen, ist ihr Problem, heißt es an der Uni.“

Es ist eine bittere Ironie: Wenn er sich im nächsten Jahr seinen Kindheitstraum erfüllt und sich für die Olympischen Spiele qualifiziert, platzt vielleicht ein anderer Traum – der eines abgeschlossenen Studiums nämlich. „Wenn ich in Rio dabei bin, muss ich wegen der Olympia-Vorbereitung mein Studium beenden, weil ich es dann nicht in zehn Semestern schaffe.“

Franz kritisiert wie andere Athleten vor ihm das System

Einen Plan B für den Fall hat er noch nicht, vielleicht macht er ein Fernstudium. Finanziell, so sagt er, sei er aktuell vergleichsweise einigermaßen gut aufgestellt. Er habe Glück: „Bietigheim-Bissingen steht hinter dem Sport.“ Die Stadt habe ihm bei der Sponsorensuche geholfen. Mittlerweile hat er auch eine Managerin, was für einen Athleten unter den Top 30 der Welt auch Pflicht ist, wie er erfahren hat. Sie entlastet ihn, nachdem er 2014 neben den Vollzeitjobs Sport und Studium noch einen „Halbtagsjob“ als Bürokraft gehabt hat, um seine Karriere zu organisieren, wie er sagt.

Seine Geschichte ist kein Einzelfall im deutschen Sport. Das Gros der Athleten hat die gleichen oder ähnliche Probleme, weil fast alle Sport und Studium oder Beruf irgendwie unter einen Hut bringen müssen. Und viele scheitern daran und beenden mit Blick auf ihre wirtschaftliche Zukunft im Zweifel dann lieber die Karriere im Sport. Einerseits fordert der Innenminister Medaillen ein, und erst recht die Öffentlichkeit. Aber auf der anderen Seite, das kritisieren zumindest immer mehr Sportler wie nun auch Felix Franz, gibt es in Deutschland nicht die nötigen Rahmenbedingungen für erfolgreichen Leistungssport. „Es ist ja kein Zufall: Im Jugendbereich sind wir Spitze, danach hört es auf.“