Tausende Bootsflüchtlinge versuchen jedes Jahr, die europäischen Küsten zu erreichen. Jetzt ist wieder ein Boot gekentert. Mehr als 100 Migranten kamen ums Leben, Dutzende werden noch vermisst.

Rom  - Mindestens 133 Flüchtlinge sind bei einer Schiffskatastrophe nahe der italienischen Insel Lampedusa ertrunken. Die Zahl der Opfer könnte weiter steigen, da Dutzende Menschen noch im Mittelmeer vermisst wurden, wie italienische Medien berichteten. Unter den Opfern des Schiffbruchs vom Donnerstag seien mindestens drei Kinder und zwei schwangere Frauen, sagte Italiens Innenminister Angelino Alfano.

 

Zunächst waren 93 Leichen geborgen worden, später entdeckten Taucher der Küstenwache weitere Tote in und neben dem gekenterten Boot. Es soll in etwa 40 Metern Tiefe liegen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa soll es sich um mindestens 40 Menschen handeln, die Zahl könnte aber noch steigen.

Das Boot mit etwa 500 Menschen aus Nordafrika an Bord hatte im Mittelmeer vor der Nachbarinsel Isola dei Conigli Feuer gefangen und war dann gekentert. 155 Menschen konnten von der Küstenwache in Sicherheit gebracht werden; andere versuchten, sich selbst über Wasser zu halten. Zunächst war von 94 Todesopfern die Rede, eine Frau war aber irrtümlich für tot erklärt worden. Sie wurde später ins Krankenhaus gebracht.

Flüchtlinge aus Somalia und Eritrea

Berichten zufolge sollen einige Migranten auf dem Schiff eine Decke angezündet haben, um dadurch ein Fischerboot in der Nähe auf sich aufmerksam zu machen. Das Feuer breitete sich aus, das Schiff kenterte. Das tunesische Innenministerium teilte der Nachrichtenagentur dpa mit, das Boot sei in Libyen aufgebrochen und auf seinem Weg nach Lampedusa an der tunesischen Hafenstadt Sfax vorbeigefahren. Die Flüchtlinge sollen überwiegend aus Somalia und Eritrea stammen. Sie waren nach Angaben von Geretteten vor zwei Tagen in der libyschen Hafenstadt Misrata gestartet.

Bewegende Fernsehbilder zeigten, wie Rettungsteams in dem kleinen Hafen von Lampedusa eingehüllte Leichen nebeneinander aufbahrten. „Unglücklicherweise brauchen wir keine Krankenwagen mehr, sondern Särge“, berichtete der örtliche Arzt Pietro Bartolo. „Es ist ein Horror“, sagte Bürgermeisterin Giusi Nicolini nach dem zweiten Flüchtlingsdrama innerhalb weniger Tage. „Sie hören nicht auf, weitere Leichen zu bringen.“

Alfano reiste nach einem Treffen mit Regierungschef Enrico Letta nach Lampedusa, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen. Letta bezeichnete den Tod der Migranten als „ungeheure Katastrophe“. Die Minister von Alfanos PdL-Partei sagten eine geplante Pressekonferenz ab. Es wurde erwartet, dass in Italien für Freitag Staatstrauer ausgerufen wird.

„Beten wir für die Opfer des tragischen Schiffbruchs vor Lampedusa“, schrieb Papst Franziskus auf Twitter. Die erneute Flüchtlingstragödie sei eine Schande. Der Papst hatte Lampedusa vor zwei Monaten besucht und auf das Los der Flüchtlinge als Folge einer „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ aufmerksam gemacht.

Mutmaßlicher Schleuser festgenommen

Die Staatsanwaltschaft eröffnete ein Ermittlungsverfahren, einer der mutmaßlichen Schleuser wurde Medienberichten zufolge bereits festgenommen. „Eine enorme Tragödie, für die es keine Worte gibt“, sagte Vize-Innenminister Filippo Bubbico.

Mit Bestürzung hat die EU-Kommission auf das tödliche Drama reagiert. „Es ist wirklich eine Tragödie, ganz besonders, weil auch Kinder betroffen sind“, erklärte EU-Regionalkommissar Johannes Hahn in Brüssel. „Es ist etwas, über das Europa wirklich traurig sein muss und wir sollten sehen, wie wir die Lage verbessern“, sagte er.

Kurz zuvor war ein Boot mit 463 Migranten vor Lampedusa angekommen. Bei gutem Wetter versuchen immer wieder Flüchtlinge, die europäischen Küsten zu erreichen. Oft endet die Überfahrt auf den kaum seetüchtigen Booten für einige tödlich. Erst am Montag waren 13 Menschen vor der Küste Italiens ertrunken.