„Der Klimawandel ist Fakt im Land“, sagt Umweltminister Franz Untersteller. Die Landesregierung arbeitet deshalb an einer Strategie zur Anpassung an die Folgen.

Stuttgart - Wir dürfen die Augen nicht verschließen: Der Klimawandel ist Fakt im Land“, sagte der Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) am Montag. Die Landesregierung jedenfalls will handeln und Konsequenzen ziehen aus den langjährigen Messungen im länderübergreifenden Forschungsprojekt „Klimaveränderung und Wasserwirtschaft“ (Kliwa). Angesichts der „unvermeidbaren Folgen“ des Klimawandels soll für zehn Handlungsfelder eine Anpassungsstrategie erarbeitet werden – darunter Gesundheit, Landwirtschaft, Tourismus, Wasserwirtschaft, kündigte Untersteller an.

 

Der aktuelle Kliwa-Monitoring-Bericht 2011 zeigt, dass der langjährige Temperaturanstieg in Baden-Württemberg im Zeitraum 1931 bis 2010 bei 1,1 Grad liegt. Damit ist es im Südwesten deutlich wärmer geworden als weltweit (plus 0,7 Grad). Die Experten gehen von wärmeren Sommern mit mehr Hitzetagen (über 30 Grad) und wärmeren Wintern (weniger Frost- und Eistage) aus. Zudem wurden im selben Zeitraum im Winter deutlich mehr Starkniederschläge (zwischen 7 und 40 Prozent) verzeichnet, außerdem gab es mehr Hochwasser.

Temperaturanstieg um 3,3 bis 4,5 Grad bis 2100

Ohne ausreichende Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Reduzierung der schädlichen Treibhausgase könnte die Temperatur im Land bis 2100 sehr wahrscheinlich um 3,3 bis 4,5 Grad steigen, sagte der Umweltminister. Untersteller verwies in diesem Zusammenhang auf die erst jüngst vorgestellten Eckdaten zu einem Klimaschutzgesetz, das Ende 2012 verabschiedet werden soll. Darin legt die Regierung verbindliche Ziele für die Minderung der Treibhausgasemissionen vor: bis 2020 soll der CO2-Ausstoß um 25 Prozent (gegenüber 1990), bis 2050 um 90 Prozent gesenkt werden. Die nötigen Maßnahmen sollen in einem integrierten Energie- und Klimaschutzkonzept festgelegt werden.

Gleichwohl müsse sich das Land einstellen auf die Folgen des Klimawandels, der sich auf viele Lebensbereiche auswirken werde, erläuterte der Minister. Unter der zunehmenden Hitze und Trockenheit könnten insbesondere ältere Menschen leiden, aber auch die Wälder und die Landwirtschaft, die Waldbrandgefahr steige, Ernteausfälle drohten. Der Wintersport im Schwarzwald sei bedroht, und ob die Erwärmung des Bodensees und die dadurch bereits beobachtete geringere Vermischung der unterschiedlichen Schichten Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung haben könnten, sei unklar. Untersteller geht von deutlich mehr Risiken als Chancen aus. Als möglichen Gewinner des Klimawandels sieht er den Weinbau. Neue Sorten könnten hier heimisch werden, wie etwa der Cabernet Sauvignon.

Die Anpassungsstrategie soll anhand der Kliwa-Daten und regionaler Szenarien erstellt werden. Für den Forst etwa gebe es aufgrund der Arbeit der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Freiburg (FVA) bereits konkrete Empfehlungen für stabile Wälder – etwa mehr Laub- statt Nadelbäume. Auch die Fichten werden sich nur noch in den Höhenlagen halten können. Bei Planungen müssten künftig in den Städten die Frischluftschneisen erhalten, außerdem die Standorte von Seniorenheimen bedacht werden.

BUND: „Klimaschutz ist günstiger als Anpassungsmaßnahmen.“

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) zeigte sich schockiert über den möglichen Temperaturanstieg von bis zu vier Grad in 2011. Dies hätte viel weitreichendere Folgen als den Anbau anderer Rebsorten oder schlechtere Wintersportbedingungen, erklärte dessen Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender. „Klimaschutz ist günstiger als Anpassungsmaßnahmen“, sagte Dahlbender. Sie forderte die Regierung auf, die Anstrengungen zur Vermeidung von Treibhausgasen durch mehr Energieeffizienz, Energieeinsparung und den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu forcieren.

Die CDU kritisierte, dass Grün-Rot die Klimaschutzstrategie erst 2013 verabschieden wolle. Seit einem Jahr liege ein Konzept der alten Landesregierung mit 140 konkreten Maßnahmen vor, erinnerte der CDU-Umweltexperte Ulrich Lusche.