Verkehrsminister Hermann will stillgelegte Bahnverbindungen im Land reaktivieren – sofern sie rentabel sind.

Stuttgart - Verkehrsminister Winfried Hermann will bis zu 15 stillgelegte Schienenstrecken im Land reaktivieren und dafür tief in die staatlichen Fördertöpfe greifen. „Wir müssen schauen, was auf der Schiene noch mehr geht“, erläuterte der Grünen-Politiker am Montag sein Engagement für eine systematische Wiederbelebung von Zugverbindungen. Im vergangenen Jahr hatte sein Haus dafür Kreise, Gemeinden und Verkehrsverbände angeschrieben und um Vorschläge gebeten.

 

Von den 75 Strecken, die ihm dabei gemeldet wurden, blieben nach einer fachlichen Prüfung 41 übrig, die für eine Reaktivierung in Frage kommen. „Bei diesen Bahnstrecken werden nun bis Ende 2020 das Fahrgastpotenzial sowie die erforderlichen Investitionen untersucht“, kündigte Hermann an. Am Ende werden wohl an die 15 Strecken übrig bleiben, lautet seine Prognose. Denn er lässt keinen Zweifel daran, dass sich das Ganze rechnen muss: „Das ist keine Schienen-Nostalgie, die wir da betreiben, sondern wir prüfen sehr rational.“ Tausend plus x Fahrgäste pro Tag seien wohl notwendig, um diese Hürde zu überwinden.

Geld für den Betrieb

Wenn sich die kommunale Seite für eine Reaktivierung entscheidet, kann sie Fördermittel vom Land beantragten, und Hermann will dann nicht knausrig sein. Zwar sind die Regularien dafür gesetzlich festgeschrieben: Bei kleineren Projekten unter 50 Millionen Euro steuert das Land zum Beispiel die Hälfte der Planungs- und Investitionskosten aus dem Topf des sogenannten Landes-Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) bei, bei höheren Beträgen kommt der GVFG-Topf des Bundes in Betracht.

Doch Hermann bietet darüber hinaus an, aus sogenannten Regionalisierungsmitteln auch den Betrieb reaktivierter Bahnstrecken zu finanzieren – zumindest für die ersten 100 Kilometer, die ertüchtigt werden. Fünf bis sieben Strecken haben seiner Rechnung nach das Potenzial für diesen Zuschuss.

Dass viele der zwischen 1960 und 1990 stillgelegten Strecken auch heute noch ein hohes Fahrgastpotenzial haben und der Betrieb durchaus wirtschaftlich sein kann, sieht der Verkehrsminister durch mehrere erfolgreiche Beispiele belegt. So sei die Prognose für die 1996 wieder in Betrieb genommene Bahn Seehäsle zwischen Radolfzell und Stockach (Landkreis Konstanz) übertroffen worden. Das gelte auch für die Schönbuchbahn zwischen Böblingen und Dettenhausen.

Auch die 1999 reaktivierte Ammertalbahn zwischen Tübingen und Herrenberg habe die Erwartungen übertroffen: Hermann zufolge lautete die Prognose ursprünglich 5000 Fahrgäste, 2017 hätten aber bereits 9000 Fahrgäste die Bahn täglich genutzt.

Ländlicher Raum im Fokus

Gute Chancen rechnet sich der Verkehrsminister auch für die Strecken Lauffen (Neckar)-Zaberfeld-Leonbronn und Ludwigsburg-Markgröningen aus, ebenso für die sogenannte Kanderbahn im Großraum Lörrach. Auch grenzüberschreitend hätten alte Verbindungen neues Potenzial, sagte der Grünen-Politiker und nannte die Strecken Rastatt-Haguenau (Elsaß) und Breisach-Colmar (Elsaß). Zu der Vorauswahl der 41 möglichen Reaktivierungsstrecken zählen auch Kirchheim/Teck-Holzmaden-Weilheim, Weilheim-Bad Boll und Göppingen-Bad Boll.

Viele der alten Verbindungen verlaufen im ländlichen Raum, und Hermann betonte, die Landesregierung wolle diese Regionen keineswegs benachteiligen: „Wir wollen die Mobilität auch im ländlichen Raum sichern, bauen aber auch den städtischen Raum aus.“ Die geplante Regionalstadtbahn zwischen Tübingen und Reutlingen laufe allerdings in seinem Haus nicht unter der Überschrift Reaktivierung.

Um die Mittel für die erneute Inbetriebnahmen optimal einzusetzen, habe das Land eine vergleichende Machbarkeitsuntersuchung in Auftrag gegeben, deren Ergebnis die Grundlage für die Auswahl bilde. Im kommenden Jahr werde man nun die ersten Projekte herausfiltern.

CDU begrüßt Vorstoß

Der christdemokratische Koalitionspartner der Grünen begrüßte Hermanns Vorstoß: „Die Reaktivierung stillgelegter Schienenstrecken kann einen Schub für den Ausbau des ÖPNV geben, wenn das Fahrgastpotenzial dafür vorhanden ist“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Thomas Dörflinger. Allerdings müsse Hermann sicher stellen, dass ausreichend Regionalisierungsmittel verfügbar bleiben, um auf bestehenden Strecken auf Zuwächse bei den Fahrgastzahlen mit besseren Takten und zusätzlichen Fahrzeugen reagieren zu können. Die ÖPNV-Finanzierung dürfe nicht in eine Schieflage kommen.