Mit einem Exzellenzgymnasium für naturwissenschaftlich Hochbegabte will Baden-Württemberg ein bundesweites Zeichen setzen. Der „Leuchtturm“ soll in Bad Saulgau entstehen.

Stuttgart - Mit Macht will die grün-schwarze Koalition den naturwissenschaftlich-technischen Elitenachwuchs in Baden-Württemberg fördern und damit „der herausragenden Bedeutung des Mintbereichs Rechnung tragen“. In Bad Saulgau soll ein staatliches Exzellenzgymnasium für die Mintfächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik entstehen. Das Gymnasium ist als Internatsschule für besonders gute Oberstufenschüler geplant. Den Grundsatzbeschluss hat die Landesregierung schon 2017 gefasst. Jetzt wird das „Leuchtturmprojekt“ konkret. In der kommenden Woche soll das Kabinett über das Vorhaben abstimmen, das sich auf bis zu 80 Millionen Euro Investitionskosten und jährliche laufende Ausgaben von rund sechs Millionen Euro summieren kann. Das geht aus der Kabinettsvorlage hervor, die unserer Zeitung vorliegt.

 

„Mit dem Exzellenzgymnasium in Bad Saulgau setzen wir ein bundesweit sichtbares Zeichen für eine herausgehobene Mint-Förderung“, erklärt Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) auf Anfrage. „Wir wollen internationale Spitzenleistungen ermöglichen und besonders motivierte und leistungsbereite Schülerinnen und Schülern gezielt fördern.“

Hohe Aufnahmehürden

Die Schule ist als vierzügiges Oberstufeninternat mit dem Klassen 10 bis 12 angelegt. Keine Klasse soll mehr als 16 Schüler aufnehmen. Daraus ergibt sich eine Gesamtzahl von 192 Schülern, rechnet Eisenmann vor. Wer in die Eliteoberstufe aufgenommen werden will, muss eine „deutlich überdurchschnittliche fachliche Leistung in den Mintfächern“ vorweisen, ebenso einen „entsprechend hohen Intelligenzquotienten (IQ)“.

Das Aufnahmeverfahren sieht zwei Stufen vor: eine fachliche Aufnahmeprüfung und ein Test zur Feststellung des IQ. Schüler, die diese Hürde genommen haben, werden zum schulischen Aufnahmeverfahren zugelassen. Für das Leben im Internat gilt zudem „soziale Kompetenz als unverzichtbar“. Auch „Selbstständigkeit und charakterliche Stärke“ werden erwartet. Die Schüler sollen, so der Plan, im Internat von 15 Sozialpädagogen und einem Psychologen betreut werden. Das Exzellenzgymnasium soll in der ehemaligen Japanischen Schule in Bad Saulgau einziehen. Der CDU ist wichtig, dass damit der ländliche Raum gestärkt werde.

Enge Verbindungen von Schule und Universität

Das Besondere an der Eliteschule ist nach Darstellung der Kultusministerin die Vernetzung von Gymnasium, Universität und Unternehmen. Die Schüler durchlaufen in Klasse 10 den Bildungsplan schneller, es gibt zusätzliche Stunden in den Fächern Mathematik, Physik, Chemie, Biologie und Informatik. In den Klassen 11 und 12 können die Gymnasiasten Mathematik als Schülerstudium an den Universitäten belegen. Eine Ringvorlesung der Unis soll in die Mintdisziplinen einführen. Geplant sind außerdem Projekte mit Wissenschaft und Wirtschaft sowie unterschiedliche Praktika in der Wirtschaft. Diese werden als Vorpraktika für technische Studiengänge gewertet. Die Schule soll mindestens 15 Jahre lang wissenschaftlich begleitet werden. Das übernimmt das Hector-Institut für empirische Bildungsforschung der Universität Tübingen.

Eisenmann unterstreicht, mit der Schule gebe es erstmals „qualitativ höchstwertige Bildungsangebote für Hochleister im Mint-Bereich“, die alle Schüler nutzen könnten. Mit einer professionellen Kommunikationsstrategie will das Land die Schüler für die Internatsschule gewinnen. Nach dem Grundsatzbeschluss von 2017 wurde ein Startschuss für das Schuljahr 2021/22 ins Auge gefasst. Nun sagt eine Ministeriumssprecherin vorsichtig, die nächsten Schritte würden mit der Aufstellung des Doppelhaushalts 2020/21 gemacht.

Koalition steht hinter dem Projekt

„Das Mint-Exzellenzgymnasium findet die uneingeschränkte Unterstützung von Landkreis, Kommune und Wirtschaft“, heißt es in der Kabinettsvorlage. In seltener Einmütigkeit begrüßen auch Grüne und CDU die Pläne. „Wir stehen hinter diesem außergewöhnlichen Gymnasium, für das sich unser grüner Ministerpräsident persönlich stark gemacht hat“, erklärte Andreas Schwarz, der Fraktionschef der Grünen im Landtag auf Anfrage. „Wir wollen, dass Baden-Württemberg bei den Schlüsseltechnologien weltweit vorne mitspielt“, so Schwarz. Dafür brauche das Land „klugen und in den Mintfächern bestens ausgebildeten Nachwuchs.“

Das sieht Wolfgang Reinhart (CDU) ganz genau so. „Mit dem Leuchtturmprojekt Mint-Exzellenzgymnasium will Baden-Württemberg bundesweit ein Zeichen setzen“, sagt der Vorsitzende der Landtagsfraktion. Das Ziel sei, „dass Baden-Württemberg die Innovationsregion Nummer Eins in Europa bleibt“. Dazu müsse man im schulischen Bereich Akzente setzen. „Jeder eingesetzte Euro für dieses Exzellenzgymnasium wird sich vielfach auszahlen.“ Die CDU erinnert auch daran, dass sie bereits 2013 ein derartiges Projekt in Bad Saulgau vorgeschlagen habe. Die damalige grün-rote Mehrheit habe den Vorschlag jedoch abgelehnt, und den Standort im ländlichen Raum als ungeeignet betrachtet.

Gymnasiallehrer fordern bessere Bedingungen für alle Schulen

Auch der Philologenverband (PhV) Baden-Württemberg lobt das Exzellenzgymnasium als „hervorragende und zielführende Maßnahme zur Spitzenförderung“. Jedoch müssten möglichst viele begabte Schüler gefördert werden. Dazu müsse der Klassenteiler an allen Schularten „schnellstens“ auf maximal 28 Schüler pro Klasse gesenkt werden. Langfristig sollten an den allgemein bildenden Gymnasien nicht mehr als 22 Schüler in einer Klasse sitzen, fordert Ralf Scholl, der Vorsitzende des PhV.