Es müsse mehr gegen den Personalmangel in der Altenpflege getan werden, auch auf unorthodoxen Wegen, fordert die AOK Baden-Württemberg und schlägt dazu eine Arbeitsgruppe auf Landesebene vor.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Der Fachkräftemangel in der Altenpflege treibt alle Beteiligten um, Krankenkassen wie Pflegedienste. Ein Weg zu mehr Personal: Aufgaben, die bisher nur Pflegefachkräfte ausführen durften, stärker für geeignetes angelerntes Personal zu öffnen. Aus Kreisen der Stuttgarter Pflegedienste wird die Forderung laut, es müssten mehr Schulungsangebote zur Qualifizierung von Helfern geben, die keine formelle Ausbildung haben.

 

Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen im Land wächst. Zwar wurden in den vergangenen Jahren mehr Altenpflegekräfte ausgebildet, deren Zahl hält aber nicht Schritt mit dem Bedarf. Alleine in Baden-Württemberg fehlen derzeit etwa 5000 Pflegefachkräfte, schätzt der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (BPA). Stuttgart macht derzeit eine Umfrage bei den rund 130 Pflegediensten in der Landeshauptstadt, um sich ein Bild der Lage zu machen (wir haben berichtet).

Ein Schulungsprogramm gefordert

Zwar gibt es seit einiger Zeit für Pflegedienste zur Verbesserung der Personalsituation die Möglichkeit, geeignete und sehr zuverlässige Personen ohne formelle Ausbildung, die im Bereiche der ergänzenden Hilfen tätig sind, durch Schulungen auch in der Behandlungspflege einzusetzen, etwa bei dem Blutdruckmessen, der Blutzuckerkontrolle oder dem Richten und der Gabe von Medikamenten. Die Unterweisung, Begleitung und Kontrolle dieser Mitarbeiter durch examinierte Kräfte liegt aber alleine in der Verantwortung der Dienste selbst. Gerda Mahmens, die Leiterin des Pflegedienstes Zu Hause leben in Stuttgart-West, fordert deshalb ein Schulungsprogramm für diese Gruppe und mehr Kurse durch den Verband BPA und das Jobcenter. „Da muss mehr gemacht werden“, sagt Mahmens. Es müsse eine Art externer Zertifizierung für diese Gruppe geben.

Bernd Tews, der BPA-Bundesgeschäftsführer, kritisiert, dass der Verband in Baden-Württemberg zwar schon vor geraumer Zeit mit der AOK eine Vereinbarung zum stärkeren Einsatz von Hilfskräften in der Altenpflege getroffen habe, mit den Ersatzkassen dies aber erst zum Jahresbeginn gelungen sei, „nach fast drei Jahren Verhandlung“, so Tews. „Die Ersatzkassen hinken da hinterher.“

Nach wie vor gebe es mit diesen keine Vereinbarung, dass etwa auch medizinische Fachangestellte (Arzthelferinnen) oder Rettungssanitäter Aufgaben in der Behandlungspflege ausführen dürfen, die sogar der Leistungsgruppe zwei entsprechen (etwa Dekubitus-Versorgung oder das Ausziehen von Kompressionsstrümpfen), wie man dies mit der AOK vereinbart habe und was in anderen Bundesländern üblich sei.

Ersatzkassen sorgen sich um die Pflegequalität

Joachim Müller, der Referatsleiter Pflege beim Landesverband der Ersatzkassen, räumt ein, dass man „erst später nachgezogen“ habe in der Frage, dies aber nur, weil man besonderen „Wert auf Qualität in der Pflege“ lege. Man könne sich auf der anderen Seite aber der Personalnot bei den Diensten nicht verschließen. Die jetzige Regelung hält Müller für „noch vertretbar“.

Bei der AOK aber sieht man weiteren Handlungsbedarf beim Thema Personalmangel in der Altenpflege. Dort will man das Pflegesystem mit einem „systematischen Qualifikationsmix weiterentwickeln“, ohne die Qualität aus dem Auge zu verlieren. „Da muss noch mehr passieren“, sagt ein Sprecher, der Personalmangel werde sich noch verschärfen. Statt das Problem noch genauer zu beschreiben, müsse man zu einer Lösungsorientierung kommen, so der Sprecher. „Man muss in alle Richtungen denken, auch unorthodox.“ Die AOK schlägt deshalb eine spezielle Arbeitsgruppe mit Pflegediensten und Krankenkassen auf Landesebene vor. Der Verband BPA begrüßt diese Initiative ausdrücklich.