Junge SPD-Wähler wurden enttäuscht: Kevin Kühnert kandidiert nicht für den Vorsitz. Ernst genommen werde man in der Partei teils „erst nach 30 Jahren Bergwerk“, sagt der baden-württembergische Juso-Chef Pavlos Wacker.

Stuttgart - Für viele junge SPD-Wähler dürfte die Nachricht eine herbe Enttäuschung gewesen sein: Kevin Kühnert tritt nicht für den SPD-Vorsitz an. Er hat es spannend gemacht. Seinen Verzicht gab er erst wenige Tage vor Ablauf der Frist für die Kandidatenpaare bekannt.

 

Kühnert begründete seine Entscheidung in erster Linie damit, dass ein Duell zwischen Olaf Scholz, der seine Kandidatur schon vor einigen Tagen erklärt hatte, und ihm selbst die Partei zu sehr spalten würde. Statt eines polarisierenden Spektakels brauche die SPD genau das Gegenteil: eine integrative Führung, die alle Gruppen mitnehmen könne und „mehr als 40 oder 50 Prozent der Mitglieder hinter sich vereinen kann“. Das sagte der 30-jährige Kühnert in einem Interview mit „Spiegel Online.“

Kühnert polarisiert – die Jusos finden das gut

„Viele haben Hoffnungen gehabt, dass er es macht“, sagt Pavlos Wacker, der Chef der Jusos in Baden-Württemberg. „Aber wir können es nicht ändern.“ Kritisieren will Wacker den Juso-Bundesvorsitzenden für seine Entscheidung nicht. Sie zeuge von Größe.

Inhaltlich könne Kühnert in seiner aktuellen Position ohnehin mehr erreichen. „Kevin Kühnert polarisiert, und das ist super, das tut uns gut“, sagt Wacker. Das wäre ihm als Parteichef in der Form nicht mehr möglich.Lesen Sie hier: Wie stehen die Jusos im Land zur Großen Koalition

Ernst genommen wird man „erst nach 30 Jahren Bergwerk“

Pavlos Wacker erhofft sich von der neuen Parteispitze vor allem eines: Dass die SPD ihre jüngeren Mitglieder stärker in Entscheidungen und bei der Besetzung von Posten miteinbezieht. „Es gibt bei uns schon die Mentalität, dass man erst einmal 30 Jahre im Bergwerk gearbeitet haben muss, bevor man sich an Debatten beteiligen kann“, sagt er. Wer unter oder um die 30 Jahre alt sei und einem Ortsverein beitrete, merke in der SPD oft schnell, dass es schwierig ist, ernst genommen zu werden.

Anlässlich eines internationalen Jugendtages vor einigen Monaten haben die Jusos die Beteiligung junger Menschen in der Politik unter die Lupe genommen. „Fast 30 Prozent der Bevölkerung sind unter 30 Jahre alt. Im Bundestag trifft das nur auf 2,5 Prozent der Abgeordneten zu“, sagt Wacker. Junge Menschen müssten besser abgebildet werden. „Die Jusos müssen einen Platz am Tisch bekommen, bei inhaltlichen Entscheidungen und bei der Profilierung der Partei“, fordert Wacker.

Wacker hat sich noch nicht festgelegt

Aktuell traut der 21-Jährige diesen Wandel am ehesten dem Kandidatenpaar Kampmann/Roth zu. Christina Kampmann wurde mit 35 Jahren im Kabinett der damaligen SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft Familienministerin in Nordrhein-Westfalen. Seitdem die SPD dort in der Opposition ist, sitzt sie als einfache Abgeordnete im Landtag. Michael Roth ist seit dem 28. Lebensjahr, also seit 20 Jahren, direkt gewählter Bundestagsabgeordneter der SPD. Derzeit ist er Staatssekretär im Auswärtigen Amt.

Endgültig habe er sich noch nicht auf ein Kandidatenpaar festgelegt. Fest steht: Kevin Kühnert wird er seine Stimme nicht geben können.