Mehrfach bat das Landesarchiv um die Mails von Ex-Ministerin Gönner und ihren Mitarbeitern. Doch das Umweltressort rückte sie nicht raus, sondern vernichtete sie. Nun hat sich der Archivchef beim Wissenschaftsministerium beschwert.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Um die Mails der früheren Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) und ihrer Mitarbeiter, die im Zuge des zweiten Untersuchungsausschusses zum Polizeieinsatz im Schlossgarten bekannt geworden waren, gibt es neuen Ärger. Das Landesarchiv Baden-Württemberg hat sich bei dem heute von Franz Untersteller (Grüne) geführten Ressort mehrfach vergeblich darum bemüht, die Mails angeboten zu bekommen. Unterstellers Haus lehnte dies ab und ließ die Mails im November 2015 vernichten. In einem ganz ähnlich gelagerten Fall zeigte sich das ebenfalls Grünen-geführte Staatsministerium hingegen kooperativ: die Mails zweier leitender Beamter im Zusammenhang mit dem „schwarzen Donnerstag“ werden nicht gelöscht, sondern sollen vom Landesarchiv übernommen werden.

 

Im Archiv lagert bereits die elektronische Korrespondenz des früheren Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) aus dem Zeitraum Ende 2010/Anfang 2011. Mappus hatte vor dem Verwaltungsgerichtshof erfolgreich die Löschung im Staatsministerium erstritten; die Richter ordneten jedoch an, dass die Mails zuvor dem Landesarchiv angeboten werden müssten. Dieses übernahm sie unter strengen Sicherheitsvorkehrungen; sie bleiben nun für Jahrzehnte unter Verschluss.

Archivchef sieht eine Gesetzespflicht

An den Mails der Mappus-Vertrauten Gönner, ihres Amtschefs Bernhard Bauer und weiterer Mitarbeiter aus dem gleichen Zeitraum war das Landesarchiv ebenfalls hoch interessiert. Insgesamt 600 Mailkonten des damaligen Umwelt- und Verkehrsressorts waren in Form von Sicherheitskopien erhalten geblieben, die beim Regierungswechsel 2011 mit Blick auf einen mögliche Neuzuschnitt der Ressorts angefertigt wurden. Auch Gönner und Bauer hatten sich vor Gericht gegen die Verwertung durch den U-Ausschuss gewehrt; schließlich wurden die relevanten Mails von einem Richter aussortiert und dem Gremium zur Verfügung gestellt.

Laut dem Präsidenten des Landesarchivs, Professor Robert Kretzschmar, unterlagen die Mail der „gesetzlichen Andienungspflicht“. Dies habe man dem Umweltministerium im August und September 2015 dargelegt. „Ohne weitere Reaktion auf unser letztes Schreiben“ habe das Ressort die Daten offenbar im November gelöscht und dies dem Archiv erst danach mitgeteilt. In dem Schreiben habe es „seine von uns abweichende Rechtsauffassung noch einmal dargelegt“. Man bleibe jedoch dabei, dass die Mails hätten angeboten werden müssen, betonte Kretzschmar.

Umweltminister pocht auf Datenschutz

Das Umweltministerium bestätigte den Dissens und bekräftigte seine Sicht der Rechtslage. Ein Sprecher Unterstellers sagte, mit der Vernichtung der Sicherungskopien habe man gerichtliche Beschlüsse umgesetzt. Die nicht an den Landtag gelieferten Mails – solche privater Art oder ohne Bezug zum Polizeieinsatz – hätten danach gelöscht werden müssen. „Aus Gründen des Schutzes des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung unserer Belegschaft“ habe man die Übermittlung der 600 Mailkonten an das Staatsarchiv abgelehnt. Private und dienstliche Mails seien darin „untrennbar miteinander verbunden“. Die relevanten Mails von Gönner und Bauer seien beim Landtag ja noch vorhanden, sagte der Sprecher.

Der Verwaltungsgerichtshof hatte gerügt, dass die Kopien überhaupt erhalten geblieben waren. Dies sei „ein Versehen, das wir ausdrücklich bedauern“, hatte sich Untersteller entschuldigt. Zugleich wies er Vorwürfe der Opposition zurück, man habe die Daten als Munition für den U-Ausschuss aufbewahrt. Aus Protest gegen das Verhalten des Umweltministeriums hat sich das Landesarchiv an das ihm vorgesetzte Wissenschaftsministerium von Theresia Bauer (Grüne) gewandt. Man habe das Ressort „über den Vorgang informiert“ und die eigene Rechtsauffassung „eingehend dargelegt“, sagte Kretzschmar. „Um weitere Fälle dieser Art auszuschließen“, habe das Archiv das Ministerium gebeten, es bei der Erfüllung seines gesetzlichen Auftrages gegenüber dem Umweltressort zu unterstützen. Ob man sich über den Landtag um die Mails von Gönner und Bauer bemühe, werde „derzeit geprüft“.

Nun soll das Archivgesetz novelliert werden

Ein Sprecher von Ministerin Bauer sagte, man habe dem Umweltressort wunschgemäß nochmals die Rechtsauffassung des Archivs erläutert. Darüber hinaus sehe das Ressort „keinen weiteren Handlungsbedarf“. Die fraglichen Mails seien schließlich nicht verloren, sondern „in der Sphäre des Landtags“. Zudem sei für das Jahr 2016 eine Novellierung des Archivgesetzes geplant, um die Anbietungspflicht für Mail-Accounts zu präzisieren.

Auf den Umgang des Staatsministeriums mit den Beamtenmails ging das Ressort Bauers nicht ein. „Sie wurden dem Landesarchiv bereits angeboten“, berichtete Kretzschmar. Man stehe mit der Regierungszentrale im Kontakt, „um die Übergabe im Laufe der nächsten Wochen durchzuführen“. Genau das hatte sich das Archiv auch vom Umweltressort erhofft.