Urkunden, Möbel und eine Krone: Die im Karlsruher Schloss präsentierten Exponate aus 900 Jahren Baden sind schön. Für den vollen Genuss aber brauchen die Besucher eine kundige Führung.

Karlsruhe - Die Meldung klingt, als wäre sie ein PR-Gag zur Ausstellung. Aber anscheinend ist sie wahr: Wie vor wenigen Tagen bekannt wurde, sind aus der Gruft der Pforzheimer Schlosskirche die sterblichen Überreste des badischen Erbprinzen verschwunden, der 1812 beerdigt wurde. Warum das wichtig ist? Weil es seit fast 200 Jahren das Gerücht gibt, nicht dieser früh gestorbene Knabe sei der badische Prinz, sondern der geheimnisvolle Findling Kaspar Hauser, der 1828 in Nürnberg aufgetaucht war. Jetzt kann nicht mehr per DNA-Vergleich ermittelt werden, ob der beigesetzte Säugling wirklich ein leiblicher Sohn von Großherzogin Stephanie war oder nicht. Das Haus Baden hat bisher immer den DNA-Vergleich verweigert. Seit wann die Särge fehlen, ist nicht bekannt.

 

Kein PR-Gag also. Aber sehr passend. Denn natürlich kommt in einer Geschichte des Landes Baden auch Kaspar Hauser vor, wenn auch eher am Rande. Aber es kommt sehr vieles in dieser Ausstellung nur am Rande vor. Immerhin: 900 Jahre Geschichte eines Landes zu zeigen, das ist schon eine Leistung. Natürlich musste die Auswahl strikt sein. Und so fehlt sehr vieles, zum Beispiel die ganze Kunst, die Architektur (außer Weinbrenner, Dammerstock und die Gartenstadt Freiburg) und mit sehr, sehr wenigen Ausnahmen auch die gesamte Literatur. Warum da gerade Hermann Hesse ausgewählt wurde, der zwar Württemberger, Schweizer und Russe war, aber nie Badener, und nur zufällig auf der badischen Seite des Bodensees wohnte, ist nicht ganz schlüssig.

Man zeigt die Original-Großherzogskrone in ihrem Reisekoffer

Schön ist die Idee, die Geschichte des Landes in Geschichten zu erzählen und die mit ausgewählten Stücken zu repräsentieren. Zum Beispiel das Ende der Monarchie 1918 mit der prächtigen Original-Großherzogskrone in einem originalen Reisekoffer, einem Bild von Friedrich dem Großen, in dem man noch ein revolutionäres Einschussloch sieht, einem Foto der provisorischen Volksregierung und einem Telegramm von Max von Baden an den Großherzog. Die beginnende Demokratie mit dem Modell des Ständehauses, in dem das badische Parlament öffentlich tagte und einer Abschrift der Verfassungsurkunde. Die Bedeutung des Tabakanbaus für das Land mit einem schönen Modell eines Tabaktrockenschuppens, Fotos der Zigarrenfabrik Baer in Mannheim, und einer Schnupftabakdose, auf der zu lesen steht: „Sprich was wahr ist, Trink was klar ist, Schnupf, was von Lahr ist“.

So streift die Ausstellung sehr viele Aspekte, zeigt mit Karten die Entwicklung von den zersplitterten Gebieten zum einheitlichen Baden von Napoleons Gnaden und spart auch nicht mit kritischen Tönen, wenn es um die Zeit des Nationalsozialismus geht und die Ermordung der Juden: Wo Baden als erstes „judenfreies Land“ mit der Deportation der Juden nach Gurs sogar eine Vorreiterrolle für Deutschland gespielt hat, ohne dass es Proteste gab.

Ohne kundige Führung haben die Besucher nicht so viel

Kritisches erfährt man auch über Tullas Rheinbegradigung, die bei vielen Bürgern am Oberrhein Proteste hervorrief, wegen möglicher Überflutungen, dem Sinken des Grundwasserspiegels und der Austrocknung der Auen. Natürlich dürfen auch die Universitäten nicht fehlen. Wo man erfährt, dass Rahel Gotein die erste Frau war, die sich in Deutschland in einer medizinischen Fakultät immatrikulierte – in Heidelberg. Das „Herr“ auf dem „Studien- und sitttenzeugnis“ vom 9. Mai 1900 ist noch mit „Frl.“ überschrieben, aber weiter unten heißt es noch falsch „studiosus medicinae“.

So erfährt man durch viele Geschichten viel über die Geschichte des Landes – wenn man sich den Katalog besorgt oder eine Führung mitmacht. Ohne diese Hilfestellung wird man wohl oft ein wenig hilflos zurückbleiben, denn die Begleittexte sind allzu kurz und kursorisch, als dass man die Zusammenhänge zwischen den oft sehr schönen Ausstellungsstücken herstellen könnte. Und auch der Gefahr, dass die Landesgeschichte sich schließlich in eine Reihe von Anekdoten auflöst, kann die Ausstellung nicht ganz entgehen.

Ausstellung: Bis 11. Nov. im Karlsruher Schloss, Di bis So 10–18 Uhr, Eintritt 8/6/2 Euro, Tel. 07 21/9 26 28 28, www.landesmuseum.de.