Die Finanzkontrolleure des Landesrechnungshofs vermissen bei der grün-roten Regierung jeglichen Ehrgeiz beim Schuldenabbau.

Stuttgart - Zu seinen Zeiten als Fraktionschef der Grünen im Landtag hatte Winfried Kretschmann als unerbittlicher Vorkämpfer einer sparsamen Haushaltspolitik gegolten. Diesem Ruf wird er nach Ansicht des Landesrechnungshofs in seiner neuen Rolle als Ministerpräsident indes kaum gerecht. "Ein ausgeglichener Haushalt ohne neue Schulden ist 2012 rechtlich geboten, und er ist auch möglich", hat Günter Kunz, der Vizepräsident der Behörde, am Montag bei Vorstellung des jüngsten Jahresberichts des Landesrechnungshofs gesagt. Dabei verwies er auf die inzwischen wieder sehr ergiebigen Steuerquellen. Unter Berufung auf die Landeshaushaltsordnung (LHO) sagte Kunz: "Die Landesregierung darf im kommenden Jahr eigentlich keine neuen Schulden mehr machen."

 

Die jüngste Steuerschätzung hatte für 2011 zusätzliche Einnahmen von knapp über einer Milliarde Euro ergeben. Mit diesem Geld hätte bereits im laufenden Jahr ein ausgeglichener Etat erreicht werden könnte. Finanzminister Nils Schmid (SPD) bleiben allerdings nur 250 Millionen Euro, um die Schuldenaufnahme 2011 abzusenken - von 810 Millionen Euro auf 560 Millionen Euro. Den größeren Teil des unverhofften Steuersegens verwendet die Landesregierung zur Deckung zwangsläufiger Mehrausgaben sowie für eine zweckgebundene Rücklage zur Sanierung der Infrastruktur des Landes. 560 Millionen Euro fließen in diese Rücklage, also just jene Summe, welche Grün-Rot am Kreditmarkt neu aufnimmt.

Schmid sagte am Montag, der Kassensturz nach dem Regierungswechsel habe einen "enormen Sanierungsstau" bei den Gebäuden und Straßen offen gelegt. Um diese "verdeckten Schulden" zu beseitigen, kämen erhebliche und unabwendbare Ausgaben auf das Land zu. Ministerpräsident Kretschmann hat inzwischen mehrfach bekundet, die Nettonullverschuldung erst im Jahr 2020 erreichen zu wollen. Dann greift das unter seiner maßgeblichen Mitwirkung im Grundgesetz verankerte Verschuldungsverbot. Die Zielmarke 2020 ist jedoch nach Auffassung der Rechnungsprüfer "mit dem geltenden Landesrecht nicht vereinbar". CDU-Fraktionschef Peter Hauk ließ verlauten, mit den Steuermehreinnahmen wäre es ohne Weiteres möglich gewesen, die Neuverschuldung auf null zu bringen. Sein FDP-Kollege Hans-Ulrich Rülke sagte, die Finanzpolitik von Grün-Rot müsse ihre Mehrausgaben durch Einsparungen wieder wettmachen.