Der Heimatverein schickt am Sonntag beim Umzug der Landesfesttage den Nachbau eines Festwagens aus dem Jahr 1841 durch die Stadt. Er zeigt die Tonprodukte des ersten Waiblinger Industriebetriebs.

Waiblingen - Das größte Problem? Den passenden Wagen finden. Einen, der möglichst so aussieht, wie der Festwagen mit Produkten der Ziegelei Bihl, den die Stadt Waiblingen anno 1841 zum großen Jubiläumsfestzug nach Stuttgart geschickt hat. Denn genau solch ein Exemplar will die Stadt Waiblingen erneut rollen lassen. Dieses Mal anlässlich des Landesfestumzugs am Sonntag – und zwar durch die Waiblinger Altstadt.

 

Deshalb haben Wolfgang Wiedenhöfer, der Vorsitzende des Heimatvereins Waiblingen, und seine Vereinsmitglieder sich schon vor anderthalb Jahren auf die Suche nach einem passenden fahrbaren Untersatz gemacht. „Wir haben Pferdebesitzer und Reitvereine angeschrieben, sind aber nicht wirklich weit gekommen“, erinnert sich Wiedenhöfer. Modelle mit Gummibereifung waren einige im Angebot – aber keines mit Holzrädern und Speichen. Und ein solches Exemplar musste es laut der historischen Vorlage eben sein.

Transportwagen aus Althütte

Zum Ross- und Fuhrmannstreffen in Bartholomä im Ostalbkreis sind Mitglieder des Heimatvereins dann mit Block und Stift angerückt: „Wir haben uns die Nummern derjenigen Umzugswagen aufgeschrieben, die in Frage kommen könnten.“ Dabei stieß der Heimatverein endlich auf eine heiße Spur. Sie führte zurück in den Rems-Murr-Kreis, nach Althütte-Sechselberg und zu Hermann Bay. Der Inhaber eines Holzrückeunternehmens sei gleich bereit gewesen zu helfen, sagt Wiedenhöfer: „Das war alles super unkompliziert.“

Der Originalwagen aus dem Jahr 1841 Foto: Heimatverein
Und so kommt es, dass ein betagter Transportwagen, den Bay in einem Hühnerstall bei Winnenden geparkt hatte, auf seine alten Tage noch einmal so richtig groß rauskommt. Auf einem Tieflader hat Bay das gute Stück nach Waiblingen gebracht. Dort bekam der Wagen einen überdachten Standplatz im städtischen Betriebshof und von da an hat das Projekt ordentlich Fahrt aufgenommen.

„Ohne die große Unterstützung des Betriebshofs hätten wir es nie geschafft“, sagt Wolfgang Wiedenhöfer jetzt, wo die Heimatvereinsmitglieder letzte Hand an den Wagen legen. Günter Rühle, der im Betriebshof als Schreiner tätig ist, hat einen satteldachartigen Aufbau aus Holz gezimmert, auf dem das Heimatvereinsmitglied Herbert Sattler mit der Hilfe von Beate Mayer eben eine gut drei Meter lange, bedruckte Plane festnagelt. Die vom Stadtarchiv Waiblingen grafisch bearbeitete historische Zeichnung zeigt Ziegel, Firststeine, Fußbodenfliesen, Zierfriese und tönerne Wasserrohre aus der Produktion jener Firma, auf die man in Waiblingen zu Beginn des 19. Jahrhunderts offensichtlich besonders stolz war: die Tonröhrenfabrik der Gebrüder Ernst und Jakob Bihl, die als erster Industriebetrieb der Stadt gilt.

Ausstellung zur „Stadt des guten Tons“

Im Haus der Stadtgeschichte zeigt die Abteilung „Die Stadt des guten Tons“ die Historie des Betriebs und einige erhaltene Originalprodukte. Die seltenen Exponate habe man aber selbstverständlich nicht auf den Wagen packen können, sagt der Museumsleiter Uwe Heckert. Trotzdem ist er überzeugt, dass die detaillierte Nachbildung auf Plane, gepaart mit echten Girlanden aus Tannenzweigen und Buchs sowie einer festlichen Blumendeko einen schönen Anblick bieten wird. Bis zum Sonntag sind die Heimatvereinler noch gut beschäftigt: 150 Troddeln müssen am Wagen angebracht werden, Blumenschmuck und Girlanden arrangiert werden. Zum Glück sind auch die Kostüme der zehn Wagenbegleiter fertig: Sie tragen Blaumänner und blaue Kappen, wie ihre Vorgänger anno 1841.

Ein Jubeltag und eine Erfindung

Jubiläum
Beim Festzug anlässlich des 25-jährigen Regierungsjubiläums König Wilhelms I. am 28. September 1841 in Stuttgart war das ganze Land auf den Beinen: 10 390 Menschen aus fast allen Berufsständen und Bevölkerungsgruppen marschierten oder ritten mit im Festzug. Er schlängelte sich durch die Königstraße in Richtung Schlossplatz, vorbei an rund 200 000 Zuschauern. Die Stadt Stuttgart hatte zu dieser Zeit nur 40 000 Einwohner.

Tonwaren
Schon die Römer betrieben in der Gegend von Waiblingen-Beinstein eine Töpferei, in der wohl auch Ziegel hergestellt wurden. Bei Grabungen im frühen 19. Jahrhundert wurden mehrere Brennöfen freigelegt, außerdem entdeckte man irdene Röhren, die sich als Wasserleitungsrohre entpuppten.

Erfindung
Der Waiblinger Ziegeleibesitzer Georg Friedrich Bihl erkannte, dass die im 18. und 19. Jahrhundert verwendeten Leitungen aus Holz jenen aus Ton hygienisch nicht das Wasser reichen konnten. Die „Bihlsche Röhre“ aus Ton, die er daraufhin entwickelte, machte Furore. Bihls Sohn Ernst erfand 1823 eine hydraulische Presse, mit der sich die Erfindung in großer Zahl produzieren ließ.