Was in Schwäbisch Gmünd über die vergangenen Monate geschehen ist, können Zahlen nicht erklären. Dem im Frühjahr erreichten Dauerkartenrekord der Landesgartenschau folgte am Sonntag der Besucherrekord.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Schwäbisch Gmünd - Was in Schwäbisch Gmünd über die vergangenen Monate geschehen ist, können Zahlen nicht erklären, selbst wenn sie Schwindel erregen. Dem im Frühjahr erreichten Dauerkartenrekord von mehr als 30 000 abgesetzten Tickets folgte am Sonntag der Besucherrekord. Knapp mehr als zwei Millionen Menschen passierten die Eingangstore, so viele wie noch nie in der Geschichte des Südwestens. Beim Internet-Reiseanbieter Holidaycheck landete der „Reisetipp Landesgartenschau 2014“ zuletzt dagegen bei der Note 4,2 (Höchstnote 6), die Weiterempfehlungsrate betrug 60 Prozent: Ein Mann, der sich verirrte und Hinweisschilder vermisste, oder eine Schwangere, die keine Rücksicht im knallvollen Shuttlebus fand, verhinderten Bestnoten.

 

Das alles taugt, wie gesagt, nicht zum Erfolgsindikator. Weil schon die Frage falsch ist. Sie darf nicht lauten, was in Gmünd passiert ist, sondern mit Gmünd. Dabei ist es völlig gleichgültig, ob der Besucherrekord erreicht oder knapp verfehlt oder deutlich unterschritten wurde oder wie viele Smileys mit hängendem Mundwinkel in Internetportalen aufblinken. Dafür muss man in Gesichter gucken und Stimmen hören.

Samen auf satter Erde

Wie zum Beispiel die von Markus Herrmann, dem Pressesprecher der Stadt. Er ist zwar qua Amt dem besonnenen Wort und dem Positivimage der Stadt verpflichtet, aber wie es aus ihm heraussprudelt nach dieser Landesgartenschau, das kriegt man in Medienseminaren normalerweise ausgetrieben. Er spüre „beruflich wie privat ein ganz neues Lebensgefühl“, sagt Herrmann. „Plötzlich ist die Lebensqualität einer ganzen Region gestärkt worden.“

Zur Beschreibung dessen, was mit Gmünd passiert ist, bietet sich ein wenig Floristendeutsch ganz gut an. Auf satter, dunkler Erde sind Samen ausgeworfen worden, und dann begann es auf einer Fläche, die nicht eben karg war, aber auch nicht üppig und von der mancher glaubte, sie tauge kaum zu exotischer Pracht, zu wachsen, nein, in die Höhe zu schießen, dass sogar dem Gärtner angst und bange werden konnte.

Ein Konjunkturprogramm der besonderen Art

Historisch betrachtet sind Landesgartenschauen als ein Hilfsinstrument ins Leben gerufen worden, um zerbombte Städte wieder grüner und lebenswerter zu machen. Seit den 80er-Jahren wurden die Blumenparaden zum Konjunkturprogramm gerade für Mittelstädte, die Geld und Motivation fanden, ihre Flussufer endlich frei zu legen, ihre Brachen in grüne Oasen zu verwandeln und frischen öffentlichen Bürgersinn zu entdecken.

Wie das in Gmünd geklappt hat, der Stadt mit den hunderten Vereinen und mit einem Oberbürgermeister an der Spitze, der weiß, was für eine gute Show nötig ist, das hat sich nicht vorausahnen und schon gar nicht planen lassen. Das Konjunkturprogramm führte in einen großen, gefühligen Strudel. Warum? Weil Schwäbisch Gmünd in einer Art Schlummermodus gelegen hat; von der Vorstellung paralysiert, gegenüber den Großstädten abgehängt zu werden; Kräfte nutzlos absorbiert von einer Konkurrenzhaltung gegenüber Aalen oder Heidenheim.

Das Volks zeigte sich elektrisiert

Plötzlich hat sich die Stadt auf andere Weise erlebt. Nicht als einsam gelegene Burg, die sich in ihrem Inneren selbst verniedlicht und deren größtes Gaudium Altersgenossenaufzüge sind, sondern als offenes Gebilde, als etwas Zukünftiges. Das zu erleben und zu erkennen, hat bei den Gmündern eine elektrisierende Wirkung entfaltet. Diese Spannung war immer da, und sie hat sich geradezu auf die Besucherströme von auswärts und die Nachbarn in der Region Ostwürttemberg übertragen.

Dann hat diese Landesgartenschau noch eine politische Konnotation gehabt, indem der OB Arnold Asylbewerber zur Mitarbeit motivierte. Für ihn sei das, sagte er, ein Beispiel für Integration in einer multikulturellen Stadt, und da hat er recht. Gmünd hat seine Veranstaltung weit über den verwelkten Begriff von der Blümchenparade hinausgeführt. Diese Erfahrung wird die Stadt nie mehr loslassen. Das kleinere Öhringen wird diesen Erfolg 2016 nicht duplizieren können, aber wer verlangt das schon. Die Stadt wird ihre eigene Marke setzen. Noch mal: Landesgartenschauen sind nicht für Bestmarken da. Sondern für das Wohl der Gastgeber.