Die grün-rote Landesregierung könnte Geld sparen, wenn sie Kompetenzen nach unten abgäbe – auf Kreis- und Kommunalebene. Dagegen regt sich Widerstand. Die Aufgabenabgrenzung zwischen Land und Kommunen wird neu vermessen.

Stuttgart - Die grün-rote Koalition prüft eine weitere Kommunalisierung von Landesaufgaben. Vorerst geht es um rechnerisch exakt 1513,6 Beamte des höheren Dienstes, die nach der großen Verwaltungsreform unter Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) beim Land verblieben sind, obwohl ihre Behörden im Jahr 2005 in die Landratsämter eingegliedert wurden. Nun soll ausgelotet werden, ob dieses Personal gegen eine Effizienzrendite an die Landratsämter abgegeben wird. Das beschloss die Haushalts- und Strukturkommission der Landesregierung am Dienstag. Schon in der vergangenen Woche hatten sich die Landräte bei zwei Enthaltungen für Verhandlungen mit der Landesregierung ausgesprochen. Betroffen sind zum Beispiel Veterinärärzte, Forsträte, und die Landwirtschaftsdirektoren, aber auch die Ersten Landesbeamten.

 

Geld gegen Macht

Ob es zu dem Deal kommt, ist jedoch ungewiss. Die Motive unterscheiden sich: Das Land verspricht sich eine Einsparung, die Landräte bekommen weiteren Einfluss. Geld gegen Macht, so lautet die Formel. Konkret bedeutet dies, dass das Land die Beamten an die Landratsämter abgibt, jedoch die für die Finanzierung der Beamten nötigen Mittel – nach Angaben des Landkreistages etwa 100 Millionen Euro – nicht in voller Höhe folgen. Damit verbliebe beim Land ein Einsparung; die Landkreise wiederum müssten versuchen, eine Effizienzrendite zu erwirtschaften – natürlich auch über Stellenabbau. Nach diesem Muster hatte bereits Erwin Teufel seine Verwaltungsreform entworfen. Die den Landkreisen auferlegte Effizienzrendite betrug 20 Prozent.

Darum wird nun gefeilscht. Hat die 20-Prozent-Rendite Bestand, kann die grüne-rote Landesregierung bei ihren bisher noch schüchternen Bemühungen, den Etat zu sanieren, eine strukturelle Einsparung erzielen. Die Landräte hingegen sind natürlich daran interessiert, diese Zahl nach unten zu drücken. Nur: Die Widerstände innerhalb des Regierungslagers gegen die Kommunalisierung sind so stark, dass den beiden Staatssekretären Klaus-Peter Murawski (Grüne) und Ingo Rust (SPD, die das operative Geschäft der Sparkommission leiten, kaum Handlungsspielraum bleibt.

Zuletzt hatte die Grünen-Landtagsfraktion Bedenken gegen den Plan angemeldet – in einer Vehemenz, die schon das Ende des Projekts anzuzeigen schien, bevor es gestartet war. Schon seit Monaten mobilisieren vor allem grün geführte Ressorts – das Agrarministerium von Alexander Bonde und das Umweltministerium mit Franz Untersteller – gegen die Kommunalisierung. Hinter all dem steckt die Angst, mit der Verlagerung der Dienstherrenfunktion auf die Landräte verlören die – durch Teufels Verwaltungsreform schwer traumatisierten – Ministerien vollends den Durchgriff auf die unteren Verwaltungsbehörden.

Ministerien bangen um Einfluss – und mauern

Ein Kenner der Szene sagt, bisher schickten die Ministerien in diskreten Angelegenheiten ihre Post direkt an die jeweiligen Fachverwaltungen in den Landratsämtern, künftig aber werde alles über den Schreibtisch des Landrats gehen. Dazu tritt die Sorge, konservative Landräte könnten zentrale Anliegen der Grünen wie den Naturschutz oder die Energiewende (konkret: den Ausbau der Windkraft), hintertreiben. Zwar handle die Verwaltung nach Recht und Gesetz, doch ein Interpretationsspielraum bleibe immer. Schließlich verlören die Ministerien Einfluss auf die Stellenbesetzungen. Tüchtige Mitarbeiter können nicht mehr so einfach mit attraktiven Stellen in der Fläche belohnt, unliebsame oder schwache Kräfte nicht mehr still aus dem Weg geräumt werde.

Die Befürworter halten diesen Einwänden entgegen: Die Fachaufsicht verbleibe ebenso beim Land wie die Rechtsaufsicht. Der Ausbau der Windkraft komme nicht deshalb nur schleppend voran, weil Landräte obstruierten, sondern weil das Naturschutzrecht strafbewehrt sei, weshalb alle naturschutzrechtlichen Auflagen penibel eingehalten würden.

Andere Argumente laufen darauf hinaus, über die Kommunalisierung die im Südwesten nicht ganz durchgängig, aber mehrheitlich wohlhabenden Gemeinden, Städte und Kreise an der Sanierung des Landesetats zu beteiligen. Natürliche könne das Land auch Geld aus dem kommunalen Finanzausgleich abschöpfen, dies erzeuge aber nur Streit und schade der Regierung politisch. „Wir müssen die Kommunen einbinden“, sagt ein Regierungsvertreter. Er verweist auf Winfried Kretschmann als Vertreter des Subsidiaritätsprinzips. Was vor Ort erledigt werden könne, solle dort auch getan werden.

Härter als die CDU

Die kommunalen Landesverbände hatten schon im vergangenen Jahr eine Reihe von Vorschlägen vorgelegt, in welchen Bereichen die Kommunen Aufgaben übernehmen könnten. Der Städtetag etwa reklamierte Zuständigkeiten im Naturschutz, im Wasserrecht oder auch beim Immissionsschutz. Der Vorstoß lief ins Leere. Statt dessen formiert sich in den Ministerien eine Gegenbewegung, die nicht auf weniger Landesverwaltung, sondern auf mehr Landesverwaltung hinaus läuft. Also auf eine teilweise Revision von Teufels Verwaltungsreform. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) liebäugelt mit einem „Landesbetrieb Straßen“ – Pläne, die Regierungschef Kretschmann zwischenzeitlich stoppte. Doch Hermann durfte ein Gutachten in Auftrag geben, dessen Ergebnisse noch ausstehen. Im Ministerium für den ländlichen Raum blühen im Verborgenen Wünsche nach einer Rückübertragung der Agrar- und der Forstverwaltung. Vergleichbares gilt für die Wasserwirtschaft. „Die von den Grünen geführten Häuser sind da härter als früher die CDU“, heißt es auf kommunaler Seite.

Stefan Gläser, Hauptgeschäftsführer des baden-württembergischen Städtetags, warnt vor einer „Reverstaatlichung“ kommunaler Aufgaben,. „Alles, was die Kommunen wahrnehmen können, gehört nicht in staatliche Hände.“