Bleihaltige Munition könnte bei der Novellierung des Jagdgesetzes verboten werden. Doch Verbraucherminister Bonde (Grüne) zögert und wartet Gutachten ab. Andere Bundesländer sind da schon weiter.

Stuttgart - Hasenbraten, Rehrücken oder Hirschgulasch – Wild ist als Weihnachtsessen beliebt. Die Jäger preisen Wildbret aus der Region als hochwertiges Nahrungsmittel an. Doch ein Problem wird dabei stets ausgeklammert: die mögliche Verunreinigung des Fleisches durch bleihaltige Splitter der tödlichen Kugeln. Noch immer wird im Südwesten mit bleihaltiger Jagdmunition geschossen, obwohl es inzwischen Alternativen gibt.

 

Ausgerechnet der grüne baden-württembergische Verbraucherminister Alexander Bonde will vorerst nicht tätig werden. Dabei hatte doch die grüne Bundestagsfraktion, der Bonde damals angehörte, bereits im Mai 2009 ein Verbot bleihaltiger Munition gefordert. Zudem werden im Frühjahr 2013 die Staatswälder im Südwesten nach dem ökologischen FSC-Standard zertifiziert. Darin heißt es zum Thema bleifreie Munition: Spätestens in drei Jahren sollte Munition verwendet werden, „die den Eintrag von Schadstoffen in die Umwelt minimiert, die Gesundheitsgefahren über den Wildbretverzehr vermeidet und den höchsten Tierschutz- und Sicherheitsstandards genügt“. Minister Bonde lässt mitteilen, dass er „zum Schutz der Verbraucher“ erst einmal ein weiteres Gutachten abwarten wolle, das das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Auftrag gegeben hat. Immerhin könnte auch bleifreie Munition giftige Wirkungen haben.

Die Risiken der Bleimunition sind weit gehend bekannt

Dabei weist das Bundesministerium auf seiner Internetseite darauf hin, dass die gebräuchliche Jagdmunition zum Teil „erhebliche Bleirückstände im Wildbret“ hinterlasse. Weiter heißt es: „Auch für Menschen, insbesondere für Schwangere und Kleinkinder, kann der Verzehr von bleikontaminierten Wildbret ein Risiko beinhalten.“ Längst sind Gutachten bekannt, die die toxische Wirkung der schwermetallhaltigen Geschosse aufzeigen – auf Seeadler etwa, die angeschossene oder verendete Tiere oder nicht sachgerecht entsorgten Wildaufbruch fressen, dadurch das Blei aus der Munition aufnehmen und schleichend vergiftet werden. 1997 und erneut 2007 hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit eine erhebliche Bleikontamination in Wildschweinen festgestellt. Einzelne Geschosspartikel drängen so tief ins Fleisch ein, dass „die großzügige Entfernung des Fleisches um den Einschusskanal nicht immer ausreicht“.

Bisher ist jeder Vorstoß die Bleimunition zu verbieten, am Widerstand der Jäger und der Industrie gescheitert. Immer neue Gutachten werden initiiert. Die aktuellen Untersuchungen auf Bundesebene sollten abgewartet werden, sagt Ulrich Baade, der Sprecher des Landesjagdverbands. So sei die Tötungswirkung von alternativer Munition noch nicht völlig geklärt und auch nicht, welche Wirkung Munition aus Blei, Zink oder Kupfer tatsächlich auf die Fleischqualität habe. Ersten Ergebnisse zufolge, die das Bundeslandwirtschaftsministerium dem Deutschen Jagdschutzverband vorstellte, sei eine „tierschutzgerechte Tötungswirkung“ von Büchsenmunition nicht abhängig vom Material, sondern von dessen Wirksamkeit – also von der Geschwindigkeit des Geschosses und der Entfernung. Dabei fiel auf: Sowohl bleihaltige als auch bleifreie Patronen bestanden die Tests in bis zu 300 Metern Entfernung. Andererseits erwiesen sich einzelne Patronen beider Herstellungsarten als nicht tauglich für die Jagd – einige erreichten nur eine Wirkung bis 50 Meter, andere nur null Meter. Für Baade ist deshalb klar: „Die Industrie muss nachbessern.“ Die Jäger fordern von den Munitionsherstellern, man müsse auf der Packung sofort die maximale Reichweite erkennen.

In Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein kommt das Verbot

Drei Bundesländer hingegen wollen sich nicht länger hinhalten lassen. Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein haben per Erlass die bleihaltige Munition in ihren Staatswäldern von April 2013 an , dem Beginn des neuen Jagdjahres, verboten. Der brandenburgische Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) begründet das Verbot mit dem Schutz von bedrohten Seeadlern und dem Schutz von Kindern und schwangeren Frauen, auf deren Tellern das mit Blei geschossene Wild landen könnte. In Nordrhein-Westfalen steht der Schutz der Verbraucher im Vordergrund, sagte ein Sprecher. Bei der Novellierung des Landesjagdgesetzes werde ein generelles Verbot „mit Sicherheit diskutiert“.

Auch in Baden-Württemberg ist ein Landesjagdgesetz in Arbeit. Die Munition wird dabei zwar eine Rolle spielen, doch sorgt die im Koalitionsvertrag festgelegte ökologischere Ausrichtung der Jagd für mehr Unruhe unter den Jägern und auch bei der CDU-Opposition. Demnach will Grün-Rot die Wildfütterung abschaffen, was der Landesjagdverband vehement ablehnt. „Tierschutz ist unteilbar“, betont der Landesjägermeister Dieter Deuschle. Man könne nicht das Füttern von Vögeln im Winter propagieren und gleichzeitig das „langsame Verhungern“ des Wilds als „natürliche Auslese befürworten“. Die CDU wollte in einer Anfrage mehr über die geplanten Änderungen im Jagdrecht wissen. Doch konkrete Fragen seien vom Agrarministerium „faktisch nicht beantwortet, Informationen wohl bewusst zurückgehalten“ worden, empören sich die beiden Abgeordneten Marianne Engeser und Wolfgang Reuther. „Es gibt einen Fahrplan, aber noch keinen Entwurf“, versucht der forstpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Thomas Reusch-Frey, die Wogen zu glätten. Er verweist auf den „Dialog orientierten Weg“ zu einem neuen Jagdgesetz, bei dem „die Jäger mitgenommen werden müssen“. Offensichtlich auch das Kabinett selbst. „Wir müssen die eigene Regierung ziemlich schieben bei Dingen, die uns wichtig sind“, sagt Reinhold Pix, der Forstexperte der Grünen. Das neue Jagdrecht und der Umgang mit Wildtieren gehört dazu.