Eine Musterfamilie zahlt zwischen 239 und 531 Euro pro Jahr für das Trinkwasser – je nachdem, wo sie wohnt. Ein Wechsel ist im Gegensatz zu Strom nicht möglich.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Gar nicht so froh ist Rainer Kübler, der Geschäftsführer der Stadtwerke Bietigheim-Bissingen, über den erneuten ersten Platz in der Liste der Landeskartellbehörde als günstigster privatrechtlicher Wasserversorger in Baden-Württemberg. „Wenn das Kartellamt bei Prüfungen teurer Versorger Vergleichskalkulationen haben will, dann kommt es immer zu uns“, sagt Kübler: „Das nehmen mir manche Kollegen übel. Von daher wäre der zweite oder dritte Platz besser“, schmunzelt er. Aber eine gute Werbung ist der Spitzenplatz natürlich schon.

 

In der Tat kostet das Trinkwasser eine Musterfamilie in Bietigheim-Bissingen mit 150 Kubikmeter Verbrauch im Jahr lediglich 239,34 Euro. Am teuersten ist es in Külsheim nahe Tauberbischofsheim, wo die Familie mehr als das Doppelte, nämlich 531 Euro, bezahlen muss. Der Schnitt der 80 untersuchten Wasserversorger liegt bei 382,22 Euro. Das ist gegenüber 2015 eine durchschnittliche Preiserhöhung von 2,13 Prozent. Seit Juni 2009 sind die Preise in der landesweiten Betrachtung um 13 Prozent gestiegen. Relativ günstig kommen noch die Menschen in Fellbach, Waiblingen oder Lauffen am Neckar an ihr Wasser; Reutlingen, Mannheim und Heilbronn liegen im Mittelfeld. Zu den teureren Anbietern gehören Tübingen, Sindelfingen, Schorndorf oder Backnang.

Die Kartellbehörde prüft allerdings nur die privatrechtlich organisierten Versorger und nicht die kommunalen – insgesamt gebe es in Baden-Württemberg rund 1000 Anbieter. Doch liefern die 80 privaten, zu denen als GmbH längst viele Stadtwerke gehören, knapp die Hälfte des gesamten Trinkwassers im Land. Laut einer Stichprobe der Kartellbehörde ist die Preisspanne der öffentlichen Versorger aber noch größer, von 129 Euro in Öllingen (Alb-Donau-Kreis) bis 560,16 Euro in Adelsheim (Neckar-Odenwald-Kreis).

Verschiedene Gründe für unterschiedliche Preise

Ursachen für die großen Unterschiede gibt es viele. So argumentiert die EnBW, die in Stuttgart das Wasser liefert, zum Beispiel immer mit der schwierigen Topografie der Stadt; ein Verfahren der Kartellbehörde gegen die EnBW endete im vergangenen Jahr mit einem Vergleich. Die EnBW liegt in der neuen Liste auf dem 72. von 80 Plätzen. Gegen den zweitteuersten Versorger, die Energie Calw, läuft derzeit noch das einzige Kartellverfahren im Land. Daneben können die Einkaufspreise unterschiedlich sein. Zum Beispiel seien eigene Brunnen oft teurer als der Einkauf des Wassers bei der Bodensee- oder Landeswasserversorgung, heißt es aus dem Kartellamt.

Rainer Kübler macht aus seinen Zahlen kein Geheimnis: Die Stadtwerke Bietigheim-Bissingen hätten trotz der niedrigen Preise und trotz hoher Investitionen in das Rohrnetz konstant einen Gewinn von rund fünf Prozent aus dem Wassergeschäft. Worauf er achte, sei die effektive Nutzung der Infrastruktur. Zum Beispiel hätten die Stadtwerke zwei von fünf Brunnen geschlossen, weil sie nicht benötigt wurden; auch ein Hochbehälter wurde stillgelegt. Daneben hätten seine Stadtwerke Glück, dass die Bezugsrechte für Bodenseewasser nahe am realen Bedarf lägen; andere Versorger, die ihre Rechte teils nur zu 50 Prozent nutzten, müssten hohe Ausfallgebühren bezahlen. Und natürlich helfe es, wenn die Kunden in größeren Städten wohnten – auf dem Land sei das Netz länger, obwohl weniger Kunden angeschlossen seien.

Hohe Wasserpreise beim vielleicht kleinsten Stadtwerk

Im vielleicht kleinsten Stadtwerk Deutschlands in Külsheim mit gerade 2000 Anschlüssen führt eine Sondersituation zu dem hohen Preis. Im Jahr 2006 seien durch die Schließung einer Kaserne 20 Prozent des Wasserabsatzes auf einen Schlag weggebrochen, sagt Geschäftsführer Paul Gehrig vom Stadtwerk Tauberfranken, das das Stadtwerk Külsheim mit betreibt. Man habe sogar mit hohem Aufwand das Rohrnetz zurückbauen müssen. Zudem hätten Auflagen vom Gesundheitsamt im Jahr 2011 zahlreiche Erneuerungen notwendig gemacht: „Insgesamt mussten wir zehn Millionen Euro investieren. Das wirkt sich bei einem so kleinen Stadtwerk natürlich auf den Preis aus“, so Gehrig.

Die Stadt Külsheim verzichte deshalb freiwillig auf die Hälfte der ihr zustehenden Konzessionsabgabe, und in der Kalkulation begnüge man sich mit drei bis vier Prozent Eigenkapitalverzinsung; so soll der Wasserpreis vertretbar gehalten werden. Dabei, sagt Gehrig, orientiere sich das Stadtwerk Külsheim an den Vorgaben des Kartellamtes; ein Verfahren sei deshalb nicht zu befürchten.

Im Gegensatz zum Strom gibt es beim Wasser keine Liberalisierung des Marktes; der Verbraucher kann nicht zu einem anderen Versorger wechseln.