Antike – Kelten – Kunstkammer: das Landesmuseum Württemberg im Stuttgarter Alten Schloss hat drei Abteilungen seiner Sammlung modernisiert.

Stuttgart - Im Glitzerlicht verborgener Strahler drehen sich zwei Pokale: große, schimmernde Schneckengehäuse, aus denen der Nürnberger Meisterjuwelier Hans Petzolt um das Jahr 1603 prunkvoll goldgefasste Trinkgefäße gefertigt hat. Irgendwann landeten sie in der Kunstkammer der württembergischen Herzöge, die mit ihren Preziosen zu den bedeutendsten in Europa gehört.

 

Eine andere Vitrine zeigt eine etruskische Kriegerstatuette aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. zwischen einer griechischen Amphore und einem steinernen römischen Porträtkopf. Mit den hochgestellten Wangenklappen seines Helms sieht der alte Kämpe aus wie ein spitzohriger, lässig posierender Mr. Spock aus einem imaginären Alterstumsraumschiff.

Zuletzt ein nachgebauter Schreibtisch, auf dem drei Bronze-Armreifen liegen und auf der anderen Seite, zusammen mit einem Brief, eine keltische Münze. In der Mitte lassen sich per Touchscreen Informationen über Ausgrabungsstätten und Funde dieser frühen mitteleuropäischen Kultur abrufen, die in Südwestdeutschland erstmals ins Licht der Geschichte trat. Zugleich erfährt der Besucher, dass die Landesarchäologie viel weiter zurückreicht als bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Staatssammlung Vaterländischer Altertümer gegründet wurde. Die keltischen Armreifen zählten schon im 17. Jahrhundert zu den Attraktionen der herzoglichen Kunst- und Wunderkammer (freilich ohne dass die Kelten ihren schwäbischen Nachfahren damals schon ein Begriff gewesen wären).

Drei Jahre hat die Sanierung gedauert

Dreimal ein Auftakt zu drei Abteilungen des Landesmuseums Württemberg, die sich von diesem Samstag an auf 1200 Quadratmetern von Grund auf neu gestaltet präsentieren. Antike, Kelten, Kunstkammer, so lautet der unter dem Titel „Wahre Schätze“ im ersten Stock des Alten Schlosses vereinte Sammlungsdreiklang. Mit dieser Sanierung und Neuordnung ist die Direktorin Cornelia Ewigleben am Ziel der nach ihrem Amtsantritt 2005 in Angriff genommenen Modernisierung aller Museumsbereiche. Bis auf das Foyer, das noch seiner Entrümpelung und Aufpolierung harrt, ist das Haus vom Keller bis unters Dach nun auf heutigem Stand.

Mit dem erleichterten Stoßseufzer „Es ist vollbracht!“ eröffnete die Pressesprecherin Heike Scholz darum die Medienkonferenz zur Eröffnung der „Wahren Schätze“. Drei Jahre, in denen die Besucher nicht nur auf die spektakulären frühkeltischen Herzstücke der Sammlung verzichten mussten, hat die Generalüberholung gedauert. Drei Jahre, in denen 21 Restauratoren im Einsatz waren, 120 neue Vitrinen mit entspiegeltem Glas und elf Medienstationen, neue Lichtsysteme und Ausstellungsmöbel nach den wissenschaftlichen Vorgaben der Museumsleute und den szenografischen Regieanweisungen des Weimarer Büros Valentine Koppenhöfer geschaffen wurden. Mehrere Forschungsprojekte begleiteten die Aufbauarbeiten – so konnten etwa durch ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertes Projekt rund 3700 Objekte des ehemaligen Bestandes der Kunstkammer identifiziert werden, von denen ein großer Teil nun in der Ausstellung zu sehen ist. Eine andere, ebenfalls von der DFG unterstützte Untersuchung war den Rätseln des berühmten keltischen Fürstensofas von Hochdorf auf der Spur.

Maßvoll historisierende Inszenierung

Ein beträchtlicher Aufwand, dessen Ergebnis sich sehen lassen kann. Angestaubt wirkt hier nichts mehr. Der Mief der sechziger Jahre, der vor der Neuordnung noch auf einigen Bereichen lagerte, ist einem übersichtlichen, anregend inszenierten Parcours gewichen. Die Schwierigkeit der Runderneuerung bestand ja nicht nur darin, drei disparate Sammlungen – Antike, Kelten und Kunstkammer mit Objekten aus dem 16. bis 18. Jahrhundert – einerseits klar gegeneinander abzugrenzen und sie andererseits dennoch als Einheit erlebbar zu machen. Vertrackt war auch die Aufgabe, kleinste Gegenstände – winzige römische Tierfigürchen etwa – und große wie den keltischen Prunkwagen aus Hochdorf nebeneinander zu präsentieren. Und da es sich bei einer kulturhistorischen Sammlung in den wenigsten Fällen um Bilder oder Dokumente handelt, sondern meistenteils um Objekte, sollten sie idealerweise auch noch von allen Seiten zu betrachten sein.

In zwei Abteilungen, den Kelten und der Kunstkammer, ist die Inszenierung maßvoll historisierend. Eine alte Ansicht des Kunstkammersaals im Stuttgarter Lusthaus hat den Weg für die Ausstellung der von den württembergischen Herrschern zusammengetragenen Schätze gewiesen. So wie diese einst in Schränken und Kommoden aufbewahrt und, selektiv hervorgeholt, auf Tischen zur Ergötzung von Besuchern und stolzen Besitzern ausgebreitet wurden, so sind die Kristall- und Edelsteinpokale, die geschnitzten Straußeneier, die Elfenbeinfiguren und Porzellanvasen, die Tafelaufsätze und die Prunkbestecke, mit denen der Adel gebratene Hühner und Fasanen effektvoll in der Luft zu tranchieren pflegte, in dunkelblauen Vitrinenschränken in angedeutetem Barockstil untergebracht. Besonders überzeugend auch die Präsentation der Münzsammlung, die in einem den historischen Kabinetten nachempfundenen, separaten Raum zu bewundern sind. Anfassen darf man die kostbaren Talerchen natürlich nicht, aber am zugehörigen Touchscreen lassen sich die jeweiligen Rückseiten angucken – Beispiel für die sparsam dosierte, aber gezielt und mustergültig eingesetzte digitale Technik in der Ausstellung.

Trinkhörner und Weinkessel

Wie ein keltischer Fürstensitz ausgesehen haben könnte, kann man sich ebenfalls auf einem Bildschirm anschauen. Die Präsentation der Gegenstände aus dreizehn frühkeltischen Prunkgräbern des 7. bis 5. Jahrhunderts v. Chr. aus der Region um den Hohenasperg, die Heuneburg und aus dem Albvorland orientiert sich dagegen an den archäologischen Fundsituationen. Zu den Höhepunkten gehören neben dem einzigartigen Hochdorfer Ensemble die kostbaren Beigaben aus dem Fürstengrab des Kleinaspergle und die lebensgroße Statue des „Kriegers von Hirschlanden“, der 1962 am Fuß eines eisenzeitlichen Grabhügels gefunden wurde und wohl ein idealisiertes Herrscherbildnis darstellt. Davon, dass die alten Kelten aber nicht nur Totenkulte kannten, sondern durchaus dem Leben zugewandt waren und es bei orgiastischen Gelagen krachen ließen, zeugen die riesigen Trinkhörner und Bronzekessel, in denen der Met oder Wein schwappte.

Auf eine Inszenierung mit Antike-Feeling hat das Landesmuseum bei den alten Griechen, Römern und Etruskern verzichtet. Großformatige Funde, etwa ganze Mosaikböden oder Architekturfragmente, hat die Sammlung auch nicht vorzuweisen. Die in der Mehrzahl kleinteiligen Werke befinden sich in sachlichen blauen Vitrinenschränken, wohlgeordnet nach Themenbereichen wie Bestattungssitten, Mythen, Religion oder Herrscherdarstellungen.

Einen Schwerpunkt bilden die Objekte aus der griechisch-römischen Zeit in Ägypten, die der Stuttgarter Industrielle Ernst von Sieglin Anfang des 20. Jahrhunderts dem Museum gestiftet hat und die in der Ausstellung in einer schwarzen Rotunde einen eigenen Platz bekommen haben. Herausragend darin besonders die farbenprächtigen, auf dünne Holztafeln gepinselten Mumienporträts, die zu den raren Beispielen bis heute erhaltener, antiker Malerei gehören – ägyptische Begräbnissitten und römische Porträtkunst vermengen sich in ihnen zu einem faszinierenden multikulturellen Mix.

Etwas weiter befindet sich der Besucher dann in Gesellschaft von zwei Dutzend steinernen Porträtköpfen aus dem alten Rom. Neuerdings auf Travertinstelen montiert, stehen sie am Ende der antiken Abteilung Spalier, das ihn freundlich grüßend in die Kunstkammer der Landesfürsten hinübergeleitet. Ave, Württemberg!