Die Freien Demokraten aus dem Rems-Murr-Kreis bereiten sich auf den Landesparteitag in Fellbach vor. Kritisiert wird die grün-schwarze Regierungskoalition in Stuttgart.

Seit fast 160 Jahren lockt Stuttgart jedes Jahr zum Feiertag Heilige Dreikönige die Liberalen von Lübeck an der Ostsee-Waterkant bis Konstanz am Bodensee an den Neckar beziehungsweise Nesenbach. Vom medienträchtigen Rummel des traditionellen Dreikönigstreffens in der Stuttgarter Staatsoper profitieren seit 2016 zumindest ein kleines bisschen auch die Freien Demokraten im Rems-Murr-Kreis. Denn vor sieben Jahren wechselte, bedingt durch die offenkundig nicht ganz so kostspielige Saalmiete, der stets am 5. Januar stattfindende Parteitag der baden-württembergischen FDP von der Landeshauptstadt in den westlichen Rems-Murr-Vorposten, nämlich in die Schwabenlandhalle Fellbach.

 

Und regelmäßig, wiederum einen Tag vor diesem Ereignis, laden die jeweils aktuellen freidemokratischen Bundes- und Landtagsabgeordneten aus dem Rems- oder Murrtal zum Neujahrspressegespräch ins „Werk 24“ in der Endersbacher Werkstraße. In der Schwabenlandhalle wird nun, wie Jochen Haußmann aus Kernen als Vorsitzender des 420 Mitglieder zählenden Rems-Murr-Kreisverbands verkündete, „erstmals ein waschechter Bundestagsabgeordneter aus Fellbach“ dabei sein, nämlich Stephan Seiter.

Einer von 92 FDP-Abgeordneten

Der 59-jährige Professor für Volkswirtschaftslehre ist übers Landeslistenmandat seit September 2021 einer von 92 FDP-Abgeordneten im Berliner Reichstag und hat seit der Jungfernansprache zum Thema Extremismus weitere sieben Reden im Plenum gehalten. Fast die Hälfte seiner Zeit ist er in Berlin, gut die andere Hälfte im Wahlkreis Waiblingen. Geprägt gewesen seien diese eineinhalb Jahre natürlich durch die oft zitierte „Zeitenwende“ infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine, was viele „multiple Krisen“ verursacht habe. Zur Ampelkoalition aus SPD, Grünen und der FDP sagt er, kaum verwunderlich: „Es ist eine lernfähige Koalition, ich denke, wir haben eine gute Note verdient, eine Zwei auf jeden Fall.“

Auf Landesebene, wo sich die FDP in der Opposition befindet, hat die liberale Abteilung Attacke natürlich deutlich mehr Entfaltungsmöglichkeiten als im Bund. Welche Note gibt’s also aus Rems-Murr-Sicht für die grün-schwarze Regierungskoalition in Stuttgart? Der den Wahlkreis Schorndorf vertretende Haußmann stuft die Leistung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und seiner Ministerriege als „versetzungsgefährdet“ ein. Einmal mehr nimmt er Manfred Lucha (Grüne) aufs Korn; der hat gerade den Vorsitz der Gesundheitsministerkonferenz übernommen und müsse „endlich aus dem Bremserhäuschen rauskommen“.

Seine Waiblinger Abgeordnetenkollegin Julia Goll hingegen hat den stellvertretenden Ministerpräsidenten Thomas Strobl (CDU) im Visier, der sich einem Untersuchungsausschuss stellen musste, „das macht keinen Spaß“, sagt Goll, die ausgerechnet auch noch ihren Geburtstag in dem Gremium verbringen musste: „Er ist eine Belastung für unsere Innenpolitik.“ Versäumnisse hält Goll der Landesregierung auch beim Sirenenthema vor: Wegen der ungerechten Verteilung der Gelder für neue Alarmanlagen seien auch etliche Rems-Murr-Kommunen zu Recht verärgert.

Fellbach als Herz des Liberalismus

„Fellbach gilt ja als Herz des Liberalismus“, sagt Haußmann. „Hier fühlen wir uns sehr wohl.“ 400 Delegierte aus Baden-Württemberg sowie weitere Gäste aus den Landesverbänden in Deutschland werden im Hölderlinsaal und beim Bunten Abend (früher „Dreikönigsball“ genannt) in den anderen Sälen erwartet. Wahlen stehen in Fellbach nicht an – außer, weil der bisherige gerade zum Bundesschatzmeister ernannt wurde, jene des neuen Landesschatzmeisters. Einziger Kandidat ist: Jochen Haußmann.