Und jährlich grüßt zu Dreikönig die FDP. Ein Schauspiel zwischen Größenwahn und Vernichtungsängsten. Was den Liberalen in ihrer verkrampften Selbstfindung fehlt, ist die Erkenntnis, dass auch andere mal Recht haben können. Ein Kommentar von Reiner Ruf.

Stuttgart - Bei der Bundestagswahl 2009 sammelte die FDP 14,6 Prozent der Stimmen ein, in Baden-Württemberg kam sie damals sogar auf 18,8 Prozent. Es war ein Triumph, von dem sich die Liberalen nie wieder erholten. Die Partei Guido Westerwelles zeigte sich in der Folgezeit den Erwartungen, die sie in der Wählerschaft geweckt hatte, nicht gewachsen. Dennoch bleibt die Tatsache, dass damals zahlreiche Menschen in der Wahlkabine bei vollem Bewusstsein ihr Kreuz bei der FDP setzten. Wo sind diese Menschen geblieben? Das ist die Frage, auf welche die Liberalen zu Dreikönig eine Antwort finden müssen. Schließlich stehen in diesem Jahr Landtagswahlen in fünf Bundesländern an, allein am 13. März sind es drei: in Sachsen-Anhalt, in Rheinland-Pfalz – und in Baden-Württemberg.

 

Obwohl in Berlin eine große Koalition regiert – eine für die Liberalen günstige Wahlkampfsituation –, krebst die FDP selbst in ihrem Stammland Baden-Württemberg an der Fünfprozentlinie herum. Dies aber muss vor allen Koalitionsdebatten oberstes Ziel sein: die Sicherung der parlamentarischen Existenz, denn nur sie garantiert öffentliche Wahrnehmung. Zur außerparlamentarischen Mobilisierung taugt die Partei nicht, dabei verlöre sie sich vollends selbst. Das gilt zumal in Zeiten der Flüchtlingskrise, in denen sich der Protest gegen das Establishment andernorts eine politische Heimat suchen wird.

Zu viele Karrieristen, zu viele Spaßmacher

Dabei gibt es doch die sozialen und wirtschaftlichen Interessen, als deren politischer Arm die Liberalen lange galten und als der sie sich immer noch andienen. Das sind vorneweg die Selbstständigen und mittelständischen Unternehmer. Dass sie sich von der FDP abwenden, dafür gibt es Gründe. Dem postmaterialistisch orientierten Bürgertum erscheinen die Grünen schicker als die Parteiliberalen mit ihrer monotonen Steuersenkungsrhetorik. Den Wirtschaftsleuten gilt die FDP als unseriös: zu viele Jungkarrieristen, zu viele Spaßmacher. Das ist zwar das Image der vergangenen Westerwelle-FDP, doch auch in der Politik kann ein Vertrauensverlust lange nachwirken. Die SPD nach Hartz IV weiß ein Lied davon zu singen. Dennoch: die Linksdrift der CDU unter Angela Merkel müsste den Liberalen doch Luft lassen, um sie über Wasser zu halten, zumal in Baden-Württemberg.

Liberalismus muss allerdings auch gelebt werden. Jahre der Verspaßung der FDP und der anschließende Kampf ums politische Überleben sind auch im Südwesten nicht spurlos an der Partei und deren Protagonisten vorbeigegangen. Sie befinden sich im Zustand der Verkrampfung. Eine bei weiten Teilen von Grün und Rot gepflegte Attitüde der Überheblichkeit gegenüber den Freidemokraten beantworten diese im parlamentarischen Alltag mit erhöhtem Blutdruck und rhetorischen Rundumschlägen. Für eine liberale Geisteshaltung aber gibt es das schöne alte Wort Freisinn: dazu gehört, die Welt ohne Scheuklappen zu betrachten; dazu gehört aber auch, den anderen gelten zu lassen mit dem, was er sagt und was er ist. In der Landespartei findet sich diese klassische liberale Haltung bei deren Chef Michael Theurer. Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke changiert zwischen kühler, treffender Analyse und kalkulierter Provokation.

Schwarz-Gelb derzeit ohne Chance

Mehr Gelassenheit aber kann helfen, die inhaltliche, habituelle und kulturelle Kluft gegenüber Grün-Rot zu überwinden. Wenn es – eine derzeit wenig aussichtsreiche Konstellation – zu Schwarz-Gelb reichen sollte, wird es zu dieser Koalition kommen. Wenn nicht, gibt es für die FDP keinen Grund, eine Ampelkoalition mit Grünen und SPD auszuschließen, mag sie auch ein wackeliges Konstrukt sein. Im nächsten Jahr ist Bundestagswahl. Was könnte die Liberalen besser aus der von ihnen beklagten medialen Versenkung holen als Regierungsämter in einem großen Bundesland?