Bei ihrem Landesparteitag in Pforzheim stellt sich die Protestpartei neu auf und wählt eine dreiköpfige Führungsspitze um den Wirtschaftsprofessor Jörg Meuthen aus Kehl.

Pforzheim - Muss man sich so die künftige Arbeitsteilung im Landesvorstand der AfD vorstellen? Jörg Meuthen, Wirtschaftsprofessor an der Hochschule Kehl, eine Verwaltungslehrstatt und Bürgermeisterschmiede, gibt den vorzeigbaren intellektuellen Kopf der Partei. Lothar Maier, der im Stuttgarter Gemeinderat schon Politikerfahrung hat sammeln können, macht die Stimmungskanone, die dem Publikum immer noch einmal klarmacht, warum es die AfD gibt?

 

Derart unterschiedlich war der Auftritt der beiden, als sie beim Landsparteitag in Pforzheim die Mitglieder um Stimmen für die Wahl der Vorstandssprecher umwarben. Meuthen, 54, beim Bundesparteitag Anfang Juli zum Co-Bundeschef neben Frauke Petry gewählt, wurde schon nach seiner rhetorisch überlegten Parteitagseröffnung mit Applaus im Stehen belohnt.

Er hatte kaum eine halbe Stunde gebraucht, um der Parteibasis wieder Hoffnung zu machen. Das Gerede vom Zerfall der AfD sei Unsinn. 400 Mitglieder im Land hätten der Partei den Rücken gekehrt, aber 80 Prozent seien noch da, „mit denen kann man arbeiten“. Es müsse jetzt darum gehen, die Partei dauerhaft im deutschen Parteiensystem zu verankern. Das könne am besten gelingen, indem sie am 13. März 2016 in den baden-württembergischen Landtag einziehe.

95 Prozent Zustimmung nach fünf Minuten Rede

„Die Chancen sind weitaus besser, als aktuelle Umfragen das nahezulegen scheinen“, so Meuthen. Die Partei stehe jetzt bei vier Prozent. Wo werde sie wohl landen, „wenn die Menschen unser Auftreten als starkes Team erleben“, „unsere inhaltliche Kompetenz zu den drängenden inhaltlichen Problemen zu erkennen beginnen“. 93 Prozent der Mitglieder gaben Meuthen dafür ihre Jastimme.

Da durfte man schon überrascht sein, dass Lothar Maier, 71, nur fünf Minuten brauchte, um 95 Prozent Zustimmung zu generieren. Maier hatte nur die Redezeit für die Kandidatenvorstellung – aber die reichte. Als er „die außer Kontrolle geratene Masseneinwanderung“ noch vor dem „europäischen Griechenland-Geschenkpaket“ als Politproblem Nummer eins identifizierte, gab es Beifallsstürme. Die „zum Teil importierte Kriminalität“ oder der „Bildungsplan, den ich kategorisch ablehne“, waren die weiteren Marksteine für seinen Siegeszug.

Die Mitglieder hatten zuvor per Satzungsänderung das bisherige Vorstandssystem geändert. Es gibt nun nicht einen Sprecher, vielmehr besteht die Führung aus drei gleichberechtigten Köpfen – ach ja, der Dritte im Bunde ist Bernd Grimmer, 65.

Die österreichische FPÖ soll nicht das Vorbild sein

Er ist für die AfD im Pforzheimer Gemeinderat, wo sie am 25. Mai 2014 mit 10,8 Prozent das landesweit beste Ergebnis erzielt hatte. Er sei lange in der Politik, thematisch „breit aufgestellt“ und „passe mich den Gegebenheiten an“. Er bekam 71 Prozent.

Der Parteitag war ein Wahlparteitag, noch am Sonntagnachmittag waren sie nicht beendet. Doch durch die Vorstellungen verfestigte sich der Eindruck, dass neben dem Asylthema und einer Grexit-Offensive die Gleichstellungs- und die Bildungspolitik der grün-roten baden-württembergischen Landesregierung die Hauptthemen sind, mit den die AfD punkten möchte.

Zwar wies Meuthen das Ansinnen zurück, sich die österreichische FPÖ zum Vorbild zu nehmen – die einst liberale Partei hatte sich unter Jörg Haider zur rechtspopulistischen, allerdings auch erfolgreichen Truppe gewandelt. Doch auch er konnte der Versuchung nicht widerstehen, das grün-rote „Gender-Gaga“, welches „die Wahl zwischen 60 Geschlechtern“ organisiere, oder die „konfuse Migrationspolitik“ aufs Publikum loszulassen. Er will die Strömungen in der Partei ausloten und moderieren. „Es kommt darauf an, integrierend zu wirken“ und alle mitzunehmen, die auf dem Boden der Verfassung stehen.