Für die Landesregierung beginnt 2020 der politische Endspurt. Hier sind sieben Themen, um die sich Winfried Kretschmann & Co. in diesem Jahr vordringlich kümmern müssen.

Stuttgart - Im Frühjahr 2021 wählen die Baden-Württemberger einen neuen Landtag. So bleibt Winfried Kretschmann (Grüne) und seiner Regierung noch ein gutes Jahr, um etwas zu bewegen. Hier sind die wichtigsten Probleme, die sie anpacken müssen:

 

1. Klimaschutz – jetzt wird es konkret

Ob die Schülerdemonstrationen für den Klimaschutz im neuen Jahr in gewohnter Stärke fortgesetzt werden, ist nicht sicher. Aber die Aktivisten von „Fridays for Future“ werden ganz sicher genau aufpassen, dass die grün-schwarze Landesregierung eine Hausaufgabe aus dem Koalitionsvertrag keinesfalls versäumt: Das lange angekündigte Klimaschutzgesetz des Landes mit umfangreichem Maßnahmenpaket liegt noch nicht vor. Anders als erwartet ist der Gesetzentwurf zum Jahresende noch nicht ganz fertig gewesen. Die juristischen Feinheiten machen dem Vernehmen nach noch Arbeit.

Auf die Eckpunkte des Gesetzes haben sich die Koalitionäre schon im Frühjahr verständigt, und die sind in den Zielsetzungen ziemlich ehrgeizig. Baden-Württemberg, das seine Klimaziele für 2020 – ebenso wie der Bund – sehr deutlich verfehlt, will den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase bis 2030 um 42 Prozent reduzieren. Das wird im Südwesten wohl niemanden kalt lassen: Private Haushalte sollen – gemessen am Basisjahr 1990 – im nächsten Jahrzehnt 57 Prozent CO2 einsparen, die Industrie 62 Prozent der energiebedingten und 39 Prozent der prozessbedingten Emissionen, die Bauern 42 Prozent und die Abfallwirtschaft 88 Prozent der Treibhausgase.

Dabei setzt die baden-württembergische Landesregierung auf Zielvereinbarungen mit Unternehmen, mehr nachhaltigen Verkehr, Wärmeplanung in den großen Kommunen des Landes und höhere Ansprüche beim nachhaltigen Bauen.

Der Erfolg des Gesetzes steht und fällt mit den Projekten aus dem Integrierten Energie- und Klimaschutzgesetz mit Solarpflichten bei Neubauten, Klimavorgaben für den landeseigenen Fuhrpark und die Kantinen, eine Mobilitäts-App für Pendler und vieles mehr. Seit dem ursprünglichen Entwurf kamen mehr als 7000 Empfehlungen und Vorschläge im Rahmen der Bürgerbeteiligung zusammen. Für die Grünen ist damit noch ein Kernprojekt dieser Legislaturperiode umzusetzen.

Und dann sind da ja noch die Fahrverbote: Seit Anfang 2019 gibt es in Stuttgart zur Luftreinhaltung Fahrverbote für Diesel der Euronorm 4 und schlechter. Im nächsten Schritt dürfen von Anfang 2020 an Diesel der Euronorm 5 und schlechter nicht mehr auf vier Strecken fahren, die aus der Stadt hinein- und hinausführen. Wenn die Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte bis April/Mai nicht in Sicht ist, kommen zum 1. Juli 2020 großflächige Fahrverbote auch für Diesel der Euronorm 5. Dazu zwingen Gerichte das Land, obwohl die CDU und auch Teile der Grünen immer wieder beteuert hatten, keine Verbote zu wollen.

2. Polizei: Freiwillige vor

Neues Polizeigesetz? Erledigt! Neue Stellen? Erledigt! An die meisten Punkte seiner To-do-Liste kann Innenminister Thomas Strobl einen Haken machen. Aber nicht an alle. So streitet sich die Koalition bis heute darüber, ob die mehr als 600 Polizeifreiwilligen im Land auch künftig eine Waffe tragen dürfen. Die CDU würde die „Hilfssheriffs“ am liebsten zusammen mit Profis auf Streife schicken. Die Grünen sehen den Schwerpunkt eher bei der (unbewaffneten) Präventionsarbeit. Auch über die künftige Rolle und Ausbildung der kommunalen Ordnungsdienste – größere Städte stocken dieses Personal massiv auf – wollen die Koalitionspartner noch reden.

3. Grundsteuer – wie soll die aussehen?

Den Doppelhaushalt 2020/21 hat der Landtag beschlossen, nun steht die Grundsteuerreform bevor. Nachdem sich Bund und Länder auf eine Öffnungsklausel geeinigt haben, müssen sich Grüne und CDU verständigen, wie sie diese umsetzen, damit die Kommunen ab 2025 weiter die Steuer erheben können. Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) will, dass die Steuern in Luxuslagen höher sind als an der Autobahn – das spricht für eine Bemessung nach dem Bodenrichtwert, den die Gemeinden erheben. In der CDU plädieren viele für ein Flächenmodell, dabei spielt nur die Größe von Grundstück und gegebenenfalls Gebäuden eine Rolle, die Lage nicht.

4. Dicke Luft beim Rauchverbot

Das Thema birgt zwar keinen Sprengstoff für die Koalition, steht aber im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit: Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) will den Nichtraucherschutz verschärfen und hat dazu bereits einen Gesetzentwurf vorgelegt. Das Rauchen in Kneipen und Bars wäre damit komplett verboten. Auch in Gartenwirtschaften würde das absolute Rauchverbot greifen.

„Wir müssen dringend nachbessern, um vor allem Kinder, aber auch junge Erwachsene und alle übrigen Nichtraucher noch besser zu schützen“, sagt der Minister. Er verweist dabei auf den Koalitionsvertrag, in dem eine solche Verschärfung zwar nicht ausdrücklich vereinbart ist, wohl aber das Bekenntnis, der Entstehung von Abhängigkeit und gesundheitlichen Schäden vorzubeugen. Doch der Koalitionspartner spielt da nicht mit.

„Das kommt einer Gängelung der Bürgerinnen und Bürger gleich. Diese trage ich nicht mit“, hat sich die Kultusministerin und CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann festgelegt. Auch der Hotel- und Gaststättenverband hält das geltende Gesetz für völlig ausreichend. In kleinen Kneipen, die keine oder nur kalte Speisen anbieten, darf bisher geraucht werden.

5. Volkes Stimme

Großthemen, die das ganze Land aufwühlen, gibt es zurzeit nicht viele. Der Gesetzentwurf zum Artenschutz war eines, beinahe hätte die Bieneninitiative dazu ein Volksbegehren in Gang gesetzt.

Doch die Koalition hat die Sache eingefangen, ein Referendum findet wohl nicht statt. Von ähnlichem Kaliber könnte die Sanierung der Stuttgarter Oper sein, denn die Kosten von einer Milliarde Euro sind hoch umstritten. Die Diskussion dazu kommt gerade in Schwung.

Ob sich genügend Menschen finden, dazu Plebiszite auf Stadt- und Landesebene zu beantragen, wird sich zeigen. Sicher ist aber, dass auch der Landtag zu dem Projekt Position beziehen muss, denn er soll die Hälfte der Summe bewilligen. Das wird eine Zerreißprobe werden.

6. Staatsdiener, die kürzer arbeiten?

Die Anliegen der Staatsdiener bleiben Dauerbrenner für die Koalition – die sich im Detail nicht immer einig zeigt. So dringt der Beamtenbund Baden-Württemberg auf die Rücknahme der Beihilfeverschlechterungen ab 2013 und erwartet dazu schon bald eine Entscheidung. Zudem kämpft er für eine Verringerung der Wochenarbeitszeit, die mit 41 Stunden für die Beamten bundesweit mit die höchste ist (bei 39,5 Stunden für die Tarifkräfte). Auch dass Grün-Schwarz bisher kein Entgegenkommen beim gewünschten Lebensarbeitszeitkonto zeigt, tut dem Landesbund weh. Immerhin sei im Koalitionsvertrag festgehalten worden, entsprechende Modelle zu vereinbaren und auf ihre Umsetzbarkeit zu überprüfen – dies sei bisher nicht passiert. Nicht einmal das hessische Modell mit einem Lebensarbeitszeitkonto, auf das eine Stunde wöchentlich abgebucht wird, erscheint noch vermittelbar.

Beide Fraktionen haben aber signalisiert: das sei nicht abgehakt – man wolle im Gespräch bleiben. Große Differenzen gibt es in der Koalition bei der Wahlfreiheit zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung für Beamte. Ein ganz heißes Eisen. Die Grünen befürworten das sogenannte Hamburger Modell, die CDU lehnt es ab.

7. Bessere Mobilität

Grün-Schwarz will saubere Antriebstechniken voranbringen. Aus Baden-Württemberg soll Spitzentechnologie kommen, die globale Maßstäbe setzt. „Wir setzen in der Forschung auf die Batterieforschung und auf Schlüsseltechnologien wie Brennstoffzelle und Wasserstoff“, heißt es. Alle drei Bereiche werden unterstützt. Der Rückschlag bei der Forschungsfabrik für Batteriezellen muss verkraftet werden. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer sagt: „Unser Strategiedialog Automobilwirtschaft setzt Schwerpunkte mit Mobilitätskonzepten an Hochschulen. Sie sollen auch Innovationsplattform für Unternehmen sein.“ Die Uni Stuttgart und das Karlsruher KIT bündeln ihre Stärken im „Advanced Manufacturing“ und bei „Emissionsfreier Mobilität“.