Ein gesellschaftliches Stelldichein: Rund 2300 Gäste haben am Freitagabend in der Liederhalle beim 53. Landespresseball gefeiert.

Stuttgart - Kalte Fischsymphonie „Presseball“: Aalglatte Typen in schlecht sitzenden Anzügen werden von fetten Flundern in eingefärbten Hochzeitskleidern durch die Säle geschleppt, und junge Heringe mühen sich im Wiegeschritt, während weibliche Barrakudas an der Bar ihre Opfer ins Visier nehmen. Am Freitag beschränkte sich die kalte Fischsymphonie aber Gott sei Dank auf die Teller: Halber Hummer, Heilbutt, Saibling und Forelle. Die Gäste kamen adrett gekleidet – wenn auch der Smoking ein Auslaufmodell zu sein scheint. Und der in jungfräulich zartem Grün und Weiß dekorierte Beethovensaal glich eher einem Goldfischglas denn einem Haifischbecken.

 

Der Ball der Medien ist unbestritten der gesellschaftliche Höhepunkt im Land, schon mangels ebenbürtiger Konkurrenz. Auch bei der 53. Auflage schüttelten sich an den Ehrentischen Minister und Unternehmer, Verleger und Funktionäre die Hand. Sie war außerdem die Abschiedsgala des Hausherrn. Oberbürgermeister Wolfgang Schuster tanzte mit seiner Stefanie nach 15 Jahren zum letzten Mal in offizieller Mission Walzer. Der „Neue“, Fritz Kuhn ließ sich von seinem Büro entschuldigen. Es tue ihm leid. Aber solange sein Vorgänger noch im Amt sei, trete er öffentlich nicht auf. Also saßen der polnische Honorarkonsul Bernd Kobarg und die Verlegerin Christine Bechtle-Kobarg den Schusters gegenüber. Und wieder konnte die Zimmerpflanzenfrage im OB-Büro nicht geklärt werden.

Grün hat sich dennoch auf dem gesellschaftlichen Parkett etabliert. Ministerpräsident Winfried Kretschmann fungierte wieder als Schirmherr. Der Präsident des Bundesrats ließ den Presseball in Berlin sausen, um mit der Vorsitzenden der Landespressekonferenz Edda Markeli den Ball zu eröffnen. „Ich freue mich, ausnahmsweise mal mit Ihnen das Tanzbein zu schwingen“, hatte die SWR-Redakteurin in ihrer Begrüßungsrede gesagt. Sonst treffe man sich wöchentlich im Landtag zur Regierungspressekonferenz, die von Kretschmann als „Hölzchen- und Stöckchenrunde“ bezeichnet werde. Mit Hölzchen und Stöckchen meine der MP die Fragen der Journalisten, die er auf seine ganz eigene Weise apportiere. „Das sparen wir Journalisten uns für den nächsten Dienstag auf.“

Sekt statt Selters also. Und ob namhaft oder unbekannt, eines eint alle Ballgäste: Das Menü kommt traditionell aus der Küche des Maritim-Hotels nebenan. Und das schmeckt längst nicht jedem. Der Organisator des Balls Jens Fink nimmt kein Blatt vor den Mund: „Wir haben jedes Jahr massive Klagen über kaltes Essen und Wartezeiten von bis zu einer Stunde auf eine Flasche Wein. Das erreicht fast den Grad einer Geschäftsschädigung.“ Schließlich dürfe sich ein Veranstalter den Caterer nicht selbst aussuchen. Das Monopol des Maritim-Hotels beruhe auf einen jahrzehntealten Vertrag mit der Stadt. Das sei umso ärgerlicher als der Erlös des Balls mit seiner großzügig bestückten Tombola an in Not geratene Journalisten geht. Obwohl er genug Alternativen hätte, so Fink, gelte bei der Bewirtung der Gäste die Maxime: „Vogel friss oder stirb.“

Dieses Jahr kamen 2300 Gäste zum Ball, im vorigen Jahr waren es noch 2400. Demgegenüber stieg die Zahl der sogenannten Laufkarten ohne festen Sitzplatz von 750 auf 850. Viele Gäste essen zuvor im Restaurant und kommen erst später, nicht nur die jüngeren, die sich die bis zu 200 Euro teuren Karten im Saal nicht leisten können. Auch immer mehr Vorstände greifen laut Fink zum flexibleren Ticket: „Inzwischen hat das Who is Who von Stuttgart Laufkarten.“ Den Stargästen kann dieser Trend nur recht sein: So füllt sich der Platz vor der Bühne im Beethovensaal schon schneller. Letztes Jahr röhrte hier Kim Wilde. Auf den britischen Superstar folgte der deutsche Rock’n’Roller mit der Schmalztolle. Dieses Jahr hatten die Veranstalter Dick Brave and the Backbeats engagiert, der das Publikum mit einer großartigen Show zum Schwitzen brachte. Sascha Schmitz, der einst als Sasha zu Ruhm kam, sorgt also auch heute noch dafür, dass die Frauen reihenweise in Schnappatmung verfallen.