Am Freitagabend feierten Politiker, Manager und Mittelständler in der Liederhalle mit den Presseleuten. Der größte Ball der Stadt ist trendy.

Stuttgart - So ist das mit den Versprechen. "Ich trau mir das zu", sagte der designierte Ministerpräsident Stefan Mappus voriges Jahr. Gemeint war der Eröffnungswalzer – und den legte er am Freitagabend einigermaßen galant aufs Parkett der Liederhalle. "Ich komm wieder", versprach 2009 der gerade noch amtierende Landesvater Günther Oettinger. Jetzt war der EU-Kommissar verhindert. Brüssel statt Beethovensaal.

Viele andere Stammgäste hielten dem größten gesellschaftlichen Event der Stadt die Treue: Neben Mappus (im Smoking) und seiner Frau Susanne Verweyen-Mappus in rückenbetonter schwarzer Robe repräsentierten das Justizressort Ulrich und Julia Goll, das Wirtschaftsressort Ernst und Doris Pfister und das Innenministerium Heribert Rech mit Tochter Eva. Auch die Fraktionschefs Claus Schmiedel (SPD) und Winfried Kretschmann (Grüne) sowie OB Wolfgang Schuster führten ihre Frauen aus. Slow Fox statt Schlichtungsgespräch.

Trotz so viel Politprominenz ließen sich die Stuttgart-21-Gegner nicht blicken. So konnten auch CDU-Fraktionschef Peter Hauk und seine Freundin Eva Türk entspannt über den roten Teppich flanieren – ebenso wie der SPD-Landesvorsitzende Nils Schmid mit seiner Ehefrau Tülay. Sie hatte gestern ihren 37. Geburtstag – und ihr Mann war ganz im Glück: "Ich kann ihr eine riesen Party und ein Konzert bieten. Was will man mehr." Promenieren statt protestieren.

Und dennoch hatte der Ball sein großes Gesprächsthema. "Die Landespolitik ist aufregend wie selten – auch wenn manche, die hier im Saal sitzen, gern auf diese Form der Spannung verzichten würden", sagte Joachim Rüeck, der Vorsitzende der Landespressekonferenz, bei seiner "märchenhaften" Begrüßung. Die CDU, die seit Jahren den Kalifen und seinen Hofstaat stelle, müsse plötzlich kämpfen wie noch nie, während die Grünen auf dem fliegenden Teppich säßen. Doch, Vorsicht, der sei schwierig zu steuern. Der rote Teppich der SPD hebe dagegen erst gar nicht ab, und auch bei der FDP "fliegt derzeit nichts". Dafür habe die Tombola viel zu bieten: "Mit Goldbarren, Geschmeide und Reisen kann es unsere Schatzkammer locker mit der des Ali Baba aufnehmen." Glanz statt Gloria.

Beim Landespresseball scheint die Talsohle durchschritten. Die Veranstaltung ist wieder ein "Muss". Schon lange nicht mehr haben Firmen so viele Tische im Saal reserviert. Insgesamt gingen 2400 Karten weg – im Prinzip hieß es seit Wochen schon: "Ausverkauft!". Und das Interesse an Laufkarten war so groß wie nie. Was mit Sicherheit auch am Stargast lag: Dieter Thomas Kuhn, Brusttoupet statt Balladenschwere.

"Wir sind ja eigentlich unpolitisch", erzählte der Schlagerbarde aus Tübingen, "aber ein Lied im Repertoire hat uns richtig Drive gegeben: Es fährt ein Zug nach Nirgendwo." Erfahrung mit festlichen Anlässen habe man gesammelt: "Wir haben die Stallwächterparty in Berlin gerockt." Für den Presseball stieg DTK stilgemäß in den Glitzeranzug. Silber statt Smoking.

Auch das restliche Programm konnte sich sehen und hören lassen. Die SWR-Big-Band hatte Helen Schneider (Rock'n'Roll Gipsy) mitgebracht, und im Foyer heizte Sidney Youngblood (If only I could) ein. Wer nicht tanzen mochte, nippte in der Lounge der Händlervereinigung Equipe am Champagner oder probierte im Mosaikfoyer ein Häppchen vom Hällischen Schinken zum Weinsberger Wein. Im Silchersaal dampften Fleischkäse und Krustenbraten, die für den nötigen Energieschub sorgten. Für viele sollte es eine lange Nacht werden. "4.00 Uhr", stand im Programm: "Die Musiker packen ihre Instrumente ein. Die Bierbar schließt." Bett statt Ball.