Kim Wilde war der Stargast auf dem Landespresseball in Stuttgart. Doch auch der Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte seinen Auftritt.

Stuttgart - Werden sie fremdeln? Beherrscht der Streit um Stuttgart 21 auch die Tanzfläche? Eins, zwei, Ausfallschritt? Der 52. Landespresseball mit rund 2400 Gästen versprach spannend zu werden. Die Ehrentische im Beethovensaal waren neu besetzt, und auch die "Fleischküchle-Connection" im Hintergrund war Geschichte. An der Bierbar im Silchersaal hatten sich Jahr für Jahr die CDU-Granden um "ihren" MP geschart, unter Günther Oettinger erlebte das Balzritual seinen Höhepunkt. Die Equipe-Bar im Keller, wo "Oetti" zu 80er-Pop schwofte, hatte schon 2010 unter Stefan Mappus einen Dämpfer verkraften müssen.

 

Immerhin: am Freitagabend war Kim Wilde der Stargast - eine Woche vor ihrem 51. Geburtstag und 30 Jahre nach dem Erscheinen ihres Kulthits "Kids in America". Die britische Sängerin ist in ihrer Heimat inzwischen eine gefragte Größe als Garten- und Blumenratgeberin in Fernsehsendungen und Zeitungen ("Gärtnern mit Kindern"). Grün also auf allen Kanälen: Schirmherr des Balls ist traditionell der Ministerpräsident; beim Eröffnungswalzer debütierte dieses Jahr Winfried Kretschmann.

Der ließ es ganz gelassen angehen. Erst wedelten die brasilianischen Sambamädels in den Beethovensaal, dann war mit einem Mal auch der Landesvater da. Das Haar wie immer unter Strom, aber Fliege zum Nadelstreifenanzug und am Arm seine Frau Gerlinde in einem mintgrünen Seidenensemble. Ob er heimlich vorher geübt habe? "Ich kam nicht dazu. Aber Walzer geht immer." Zunächst aber gab es Umarmungen (die Männer) und Küsschen (die Frauen) für den Parteifreund und Bundesvorsitzenden Cem Özdemir und seine Frau Pia. Die beiden waren zum ersten Mal beim Landespresseball und leugneten nicht, warum. Die neue Konstellation habe sie gereizt. "Wir hatten Lust, uns das mal anzusehen."

Auch Nils Schmid führt seine Frau zum Ball

Der Finanzminister Nils Schmid (SPD) führte seine Frau Tülay zum Ball - ihre schwarze Robe war ein Blickfang. "Wir freuen uns auf einen entspannten Abend", sagte Schmid, "das Regieren ist ganz schön anstrengend." Peter Hauk, der CDU-Fraktionschef, grinste an der Seite seiner Lebensgefährtin Eva Türk nicht ganz so breit. Aber er beteuerte: "Wir werden uns hier wohlfühlen." Bei den Politikern möge es ja einen Farbwechsel gegeben haben. Aber die Couleur der übrigen Ballgäste schätze er anders ein. Wie auch immer: die offizielle FDP, allen voran die Landesvorsitzende Birgit Homburger, glänzte durch Abwesenheit.

Dafür konnten die Ballbesucher etliche neue Gesichter entdecken. So war die Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD), die inzwischen von Berlin nach Stuttgart gezogen ist, erstmals dabei. Sie gestand ganz offen: "Ich bin keine Ballgängerin. Ich sehe das als Arbeitsessen. Ich stehe auf Rock."

Im Tagesgeschäft rappelt es oft genug. Die neue Koalition, sagte Joachim Rüeck, der Vorsitzende der Landespressekonferenz, habe "eine hohe Meinung von der Durchschnittsintelligenz im deutschen Südwesten". Sie traue dem Bürger Verständnis dafür zu, dass eine Regierung mit großer Inbrunst gleichzeitig Ja und Nein zum Bahnhofsneubau sagt. Grün-Rot habe das Umdenken zur Devise erklärt, den ökologischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel ausgerufen. "Es wird spannend, ob die Wirklichkeit mit diesem Anspruch Schritt halten kann." Ernsthafte Sorgen ums Urteilsvermögen der Baden-Württemberger mache sich dagegen die CDU "wegen ihres Zwangsausstiegs aus der Regierung". Und der FDP bleibe nur noch Galgenhumor.

Dem Ball hat der Regierungswechsel nicht geschadet

Dem Ball hat der Regierungswechsel in Baden-Württemberg jedenfalls nicht geschadet. Im Gegenteil: schon Wochen vor dem größten gesellschaftlichen Ereignis in der Landeshauptstadt gab es diesmal keine Sitzplatzkarten mehr. Im Januar waren die ersten Tische im Beethovensaal belegt - und damit so früh wie nie. Damit hält nach einer gewissen Dürrezeit der positive Trend an: "Wir sind seit drei Jahren wieder im grünen Bereich", sagte der Ballchef Jens B. Fink. Das klingt umso erfreulicher, als der Erlös der Veranstaltung an Journalisten in Not geht.

Nächstes Jahr findet der Ball übrigens erst am 23. November statt. Der traditionelle Termin, der zweite Freitag im November, wäre der 9.11. und damit der Jahrestag der Reichspogromnacht. Das hatte den Veranstaltern 2007 Ärger mit dem Zentralrat der Juden eingebracht; der Ball fand schließlich als leise Gala statt. Und diese Erfahrung möchte man nicht wiederholen.