Regieren während der Coronakrise Wie sich die Landesregierung in der Krise aufstellt

Allein am Kabinettstisch: Ministerpräsident Winfried Kretschmann muss virtuell mit seinen Ministern kommunizieren. Foto: dpa

Das Geld für die Rettungsschirme ist bewilligt, der Landtag steht nun abseits. Die Regierung hat sich im Krisenmodus eine neue Struktur gegeben. Sie findet, sie mache ihre Sache gut. Nicht alle sehen das so.

Stuttgart - In Krisenzeiten schlägt die Stunde der Exekutive. Das gilt auch für die Corona-Krise. Der Landtag, eigentlich das Herz der repräsentativen Demokratie, sieht sich an die Seite gerückt, wo er auf bessere Zeiten wartet. Die Landesregierung verspricht „regelmäßige Information“, wobei offen bleibt, wie oft die Abgeordneten in Kenntnis gesetzt werden – und mit welchen Fakten.

 

Wäre man in diesen Tagen zum Spott aufgelegt, so ließe sich sagen: ein Traumzustand für jede Regierung, die ungehindert von quengelnden Abgeordneten frei vor sich hin werkeln kann. Immerhin erzwang die Opposition von SPD und FDP zuletzt einige Ausschusssitzungen, um ihr Kontrollrecht wahrzunehmen.

Rettungsschirme sollen wirtschaftlichen Totalabsturz verhindern

Vor allem aber hat das Parlament seine Großtat bereits geleistet: nämlich die Mittel freizugeben, mit denen die grün-schwarze Regierung um Ministerpräsident Winfried Kretschmann fleißig all die Rettungsschirme aufspannt, die den wirtschaftlichen Totalabsturz verhindern sollen. Aktuell werden Rücklagen im Landesetat in Höhe von 1,2 Milliarden Euro mobilisiert, überdies dürfen Schulden in Höhe von fünf Milliarden Euro aufgenommen werden. In der Krise werden Beträge, um die zu Normalzeiten wochenlang erbittert gerungen wird, mit ein paar Blickwechseln samt einigen dürren Worten freigegeben.

Das zentrale operative Steuerungsinstrument ist die von Staatssekretär Florian Stegmann, dem Chef der Staatskanzlei, geleitete Lenkungsgruppe mit den Amtschefs der Ministerien für Finanzen, Inneres, Soziales, Schulen und Wirtschaft. In der Kabinettsvorlage heißt es: „Die Lenkungsgruppe identifiziert die notwendigen Handlungsbedarfe für die Landesregierung und trifft exekutive Entscheidungen auf Grundlage der Kabinettsbeschlüsse.“ Aus den Fachressorts ist dieser Tage anerkennend zu vernehmen, wie rasch und unbürokratisch das Finanzministerium Geld freigebe.

In einem umgekehrt reziproken Verhältnis zu dieser Freude dürfte die Verzweiflung der Haushälter im Finanzressort stehen. Schließlich müssen sie all das viele Geld, das jetzt in Sturzbächen abfließt, eines Tages wieder einsammeln. Die Schuldenbremse ist ja nicht außer Kraft gesetzt. Ganz im Gegenteil: Sie steht im Katastrophenmodus – neue Kredite dürfen aufgenommen werden, sind aber mit einem verbindlichen Tilgungsplan zu versehen.

Manche wachsen in der Krise, andere schrumpfen

Menschen gehen mit Krisen in unterschiedlicher Weise um. Manche wachsen, andere schrumpfen. Die Landesregierung geizt nicht mit mitunter etwas angestrengtem Eigenlob, doch an der Basis regt sich Kritik. „Wenn das Land die Landkreise nicht hätte, würde der Laden zusammenbrechen“, sagt – nun gut – ein Landrat. Der Ministerialbürokratie fehle die Machermentalität: Zu viele Juristen wälzten zu viele Bedenken. Wenn die Landesregierung sich dazu durchringe, etwas anzuweisen, sei vor Ort oft schon gehandelt worden.

Die Herrschaft der Ministerialdirektoren

Als die skialpine Spaßgemeinde das Coronavirus breitflächig nach Baden-Württemberg schleuste, befand sich die Landespolitik bereits im Wahlkampfmodus. Ganz frei davon ist auch das Krisenmanagement nicht geblieben. CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann versuchte, den Blick ostwärts auf Markus Söder (CSU) gerichtet, sich mit raschen Ansagen vor das Handeln der Landesregierung zu setzen, der sie doch selbst angehört. Als es darum ging, hurtig einen Rettungsschirm über die Wirtschaft des Landes aufzuspannen, war das goldrichtig. Mit der Forderung nach einer Ausgangssperre überzog sie jedoch inhaltlich – und strapazierte die Geduld des Koalitionspartners. Eisenmann wolle sich als Macherin inszenieren, monieren die Grünen und legen die Stirn staatstragend in Falten. Die sei unangemessen angesichts der Dimension der Krise. Ein Schelm, wer den Grünen bei ihrem Eisenmann-Containment Wahlkampfabsichten unterstellt!

Die Spitzenkandidatin und Kultusministerin lässt jedenfalls nicht locker und will nun darüber nachdenken, wie das Land aus dem Shutdown wieder herausfindet. Nach Auffassung der CDU stößt Kretschmanns präsidialer Regierungsstil in der Corona-Krise an seine Grenzen. Mit Blick auf die zentrale Rolle des Lenkungsausschusses heißt es, es sei schon erstaunlich, dass der Ministerpräsident das Geschehen „aus den Händen gibt und einer Runde von Ministerialdirektoren das Handeln überlässt“. Was Kretschmann als Besonnenheit angerechnet werde, sei in Wahrheit ein Warten auf die Impulse anderer.

Offiziell traut sich derzeit freilich niemand, von Wahlkampf zu sprechen. Jetzt ist erst einmal Krise.

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