In der grün-roten Landesregierung flammt die Auseinandersetzung um Kürzungen im Bildungsbereich erneut auf. Die SPD will das Ziel, 11600 Lehrerstellen einzusparen, vorerst zur Seite legen. Die Grünen wollen davon nichts wissen.

Stuttgart - Claus Schmiedel (SPD) spricht bereits von einem Paradigmenwechsel bei der Betrachtung des Einsparpotenzials von Lehrerstellen. „Wir orientieren uns nicht an rechnerisch ermittelten Einsparungszahlen“, verkündete der Fraktionsvormann. Die SPD nehme vielmehr die gute Unterrichtsversorgung als Zielgröße. Der Pflichtunterricht solle gesichert, Ergänzungsunterricht gewährleistet und die Ganztagsbetreuung ausgebaut werden. Zug um Zug solle noch die Inklusion hinzukommen. Erst danach will die SPD über den Rückgang von Lehrerstellen sprechen. Schon jetzt zweifelt Schmiedel daran, ob es im Doppelhaushalt 2015/16 möglich ist, wie vorgesehen, mit 3500 Lehrerstellen weniger zu kalkulieren.

 

Es hapert mit der Berechnungsbasis. Die grün-rote Koalition hatte damit gerechnet, dass bis zum Jahr 2020 die Schülerzahlen um 20 Prozent zurückgehen. Entsprechend sollten schrittweise 11 600 Lehrerstellen gestrichen werden. Das seien nur zehn Prozent der Stellen, betont die Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann.

Prognosen stimmen nicht

Doch schon jetzt stimmen die Zahlen des Statistischen Landesamts aus dem Jahr 2011 nicht. Schmiedel verweist darauf, dass im aktuellen Schuljahr 36 000 Schüler mehr in den Klassenzimmern sitzen, als von den Statistikern vorhergesagt. Damit wackle auch die mittelfristige Berechnung. Der Lehrerbedarf ändere sich ohnehin.

Das Statistische Landesamt kündigt für den Sommer 2014 neue Prognosen an. Sollte sich dann eine neue Entwicklung der Schülerzahlen zeigen, sehen auch die Grüne Gesprächsbedarf. „Dann müssen wir neu überlegen und reden“, sagte Edith Sitzmann. Sie verwies jedoch darauf, dass trotz der höheren Schülerzahlen in diesem Schuljahr die Unterrichtsversorgung gesichert sei. Claus Schmiedel nannte sie sogar „so gut wie nie“. In diesem Schuljahr hat das Kultusministerium 1000 Lehrerstellen gestrichen. Die Schulen waren aber gehalten, die Klassen aufzufüllen und, falls vertretbar, Schüler an andere Schulen zu verweisen.

Grüne verwundert über SPD

Sitzmann sieht noch keinen Grund, auf die nächsten Schritte zu verzichten. „Der Koalitionspartner ist damit noch nicht an uns herangetreten“, zeigte sich die Fraktionsvorsitzende erstaunt von Schmiedels Vorschlag, die nächsten Einsparschritte zu hinterfragen. „Noch besteht kein Grund zur Eile“ sagte Sitzmann mit Blick auf den Doppelhaushalt 2015/16. Kultusminister Andreas Stoch (SPD) habe auch noch nicht mit den Grünen über die mittelfristigen Einsparungen gesprochen. Zudem würden die regionale Schulentwicklung und eine bessere Steuerung der Ressourcen dazu beitragen, dass Stellen gestrichen werden könnten.

Die FDP sieht den nächsten Koalitionskrach heraufziehen. „Wir wollen wissen, was der Ministerpräsident zu den Äußerungen von Schmiedel sagt“, meldet sich Hans-Ulrich Rülke. Winfried Kretschmann (Grüne) habe das Einsparziel von 11 600 Stellen als Regierungshandeln verkündet. Nun sei die Frage, ob Schmiedel im Alleingang Aussagen des Ministerpräsidenten einsammeln könne. Der Regierungssprecher äußerte sich deeskalierend. Die Zahl 11 600 sei nicht in Stein gemeißelt, wiederholte er eine Aussage von Kretschmann.

Trotz der Aufweichung des Sparziels bei den Lehrern versichert Schmiedel, „die Schuldenbremse wird eingehalten. Am Schuldenabbaupfad wird nicht gerüttelt“. Er verweist auf die nächste Steuerschätzung und auf Finanzhilfen des Bundes für die Länder. Das Gros daraus will die SPD in die Schulen investieren.

Eine Milliarde für die Infrastruktur

Neben der Bildung hat die SPD bei ihrer Klausur die Infrastruktur zu einem Schwerpunktthema erhoben. In den kommenden fünf Jahren will die SPD eine Milliarde Euro zusätzlich in Modernisierung und Sanierung von Landesstraßen, Brücken und vor allem Hochschulbauten pumpen, sagte Schmiedel. Für den Doppelhaushalt 2015/16 sind 400 Millionen zusätzlich vorgesehen. Mitte Juni soll das Kabinett Schmiedel zufolge die Eckpunkte des künftigen Etats vorlegen.

Die Grünen nehmen verstärkt den ländlichen Raum in den Blick. Es gelte, die Lebensqualität und Infrastruktur zu erhalten. Die richtigen Antworten auf den demografischen Wandel suchen die Grünen bei vier Regionalkonferenzen im ganzen Land. Höhepunkt wird ein Kongress dazu in Stuttgart werden.

Neben dem Ausbau der Ganztagsbetreuung an Grundschulen und dem neuen Solidarpakt für Hochschulen wollen die Grünen den Verfassungsschutz im Land neu aufstellen. Sitzmann erwartet in diesem Jahr eine Einigung über die Einrichtung eines parlamentarischen Kontrollgremiums. Baden-Württemberg sei das einzige Land ohne derartige Instanz. Der Einfluss des Landtags müsse aber gesteigert werden. Sitzmann sieht beim Verfassungsschutz ein Einsparpotenzial von 30 bis 50 Prozent. Die Behörde soll sich nach Auffassung der Grünen auf Schwerpunkte konzentrieren. Es sei diskutabel, die Bekämpfung des Islamismus an den Bund abzugeben. Das müsse aber zu Verbesserungen führen.