Der Haussegen in Kretschmanns grün-schwarzer Regierung hängt mächtig schief. Es geht dabei nicht nur um die umstrittenen Fahrverbote.

Stuttgart - Die Grünen als Partei des Regierungschefs, die CDU als Juniorpartner - kann das gut gehen? Das fragten sich im Mai 2016 viele, als in Baden-Württemberg die grün-schwarze Landesregierung unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) an den Start ging. Die erste Halbzeit von Grün-Schwarz verlief über weite Strecken überraschend unaufgeregt. Jetzt aber ist der Ton deutlich giftiger geworden. Es geht um die umstrittenen Diesel-Fahrverbote und Luftreinhaltung in Stuttgart - aber nicht nur.

 

Als „Komplementärkoalition“ war man an den Start gegangen. Die Idee war, dass Grüne und CDU ihre eigenen Profilierungsfelder haben, sich ergänzen und sich im jeweiligen Kerngeschäft nicht in die Quere kommen. „Das war von Anfang an eine ziemlich unrealistische Erwartung“, sagt Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand heute. Faktisch handele es sich um eine Koalition aus Konflikt und Kompromiss. „Das ist der Normalfall in jeder Koalition. Die politischen Unterschiede zwischen Parteien verschwinden eben nicht, auch wenn sie gerade miteinander koalieren.“ Nötig sei dabei, dass man sich an die vereinbarten Spielregeln halte und anständig miteinander umgehe.

CDU fühlt sich vom Verkehrsminister gelinkt

Doch dass diese Regeln des Miteinanders eingehalten werden, daran hat vor allem die grüne Seite gerade erhebliche Zweifel. Der Vizechef der CDU-Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung im Südwesten, Daniel Hackenjos, meint mit Blick auf die Diesel-Fahrverbote, für die Verursacher sei noch ein Plätzchen im Gefängnis frei. Dabei nennt er namentlich auch Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne).

In Stuttgart demonstriert der CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann mit der oppositionellen FDP gegen Diesel-Fahrverbote, die die CDU auf Landesebene zusammen mit den Grünen beschlossen hatte. Dabei nimmt der CDU-Bundestagsabgeordnete Joachim Pfeiffer das Wort „Öko-Stalinisten“ in den Mund. Während CDU-Generalsekretär Manuel Hagel zu dieser Wortwahl meint, da solle man nicht zu empfindlich sein, sieht Kretschmann sich im SWR zu deutlichen Worten gezwungen. „Man muss zur schlechten Luft nicht auch noch das Gesprächsklima vergiften. Solche giftigen Äußerungen sind völlig unakzeptabel.“

Die CDU wiederum fühlt sich vom Verkehrsminister gelinkt. Hermann setze das schon im Sommer beschlossene Luftreinhaltungspaket für Stuttgart zu schleppend um. Anfang Februar trafen sich die Koalitionäre zur Krisensitzung, wo CDU-Politiker sehr deutlich wurden. An diesem Dienstag soll ein Zeitplan für konkrete Maßnahmen präsentiert werden. Die Grünen erklären sich das neue Auftreten ihres Partners damit, dass die CDU angesichts der schlechten Umfragewerte unter Erfolgsdruck steht - vor allem auch CDU-Vizeregierungschef und Parteichef Thomas Strobl, der trotz interner Kritik wohl weiter die Spitzenkandidatur seiner Partei zur Landtagswahl 2021 anstrebt.

Auch beim Wohnungsbau hängt der Haussegen schief

Neben den Fahrverboten flackern andere koalitionäre Brandherde auf. Nach wie vor keine Einigung gibt es beim geplanten Konzept für Ganztagsschulen und dem neuen Klimaschutzgesetz, in dem das Umweltministerium mit einer Minderung der Treibhausgasemissionen bis 2030 um 42 Prozent im Vergleich zu 1990 vorsieht. Die CDU-Landtagsfraktion hat hier „Gesprächsbedarf“, so ein Sprecher.

Auch beim Wohnungsbau hängt der grün-schwarze Haussegen schief. Sowohl die Grünen als auch CDU-Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut wollen einen Fonds, mit dem das Land die Kommunen beim Erwerb von Bauland für Häuser unterstützt, im Detail gehen die Meinungen auseinander. Und bei der von Strobl geplanten Verschärfung des Polizeigesetzes, die so heikle Dinge wie die Online-Durchsuchung vorsieht, stellen sich die Grünen quer.

FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke meint: „Der Honeymoon ging relativ rasch zu Ende. Der Alltag eines in die Jahre gekommenen Ehepaares, das sich nicht mehr ausstehen kann, hat diese Koalition erfasst.“ Er lockt nach wie vor mit einer Deutschlandkoalition aus CDU, SPD und FDP - doch das ist mit Teilen der CDU und wohl auch mit der SPD nicht zu machen. Die zweite Option, Neuwahlen, wird die CDU alleine deshalb nicht ergreifen, weil sie in den Umfragen weiter hinter den Grünen liegt.

Agrarminister Peter Hauk (CDU) gibt sich dennoch gelassen: „Dass wir in der Koalition nicht eine umfassende Verbrüderungs- und Verschwesterungsaktion eingegangen sind, ist jedem klar.“ Was im gemeinsamen Koalitionsvertrag stehe, werde umgesetzt. „Dann gibt es auf der Wegstrecke Ereignisse, da muss sich die Koalition zusammenraufen. Und das tun wir.“ Streit sei in den meisten Fällen etwas Konstruktives. „Darauf auf einen desolaten Zustand (der Koalition) von vornherein zu schließen, halte ich für abwegig.“