Die grün-rote Landesregierung ist sich uneins über die Rolle des neuen Berliner Beobachters Volker Ratzmann.

Berlin - Es sind Personalfragen, über die in Parteien besonders gern diskutiert wird. Deshalb verwundert nicht, dass die Berufung des früheren Berliner Fraktionsvorsitzenden Volker Ratzmann (Grüne) auf einen Verwaltungsjob in der baden-württembergischen Landesvertretung allerhand Gesprächsstoff liefert. Dass der frühere Fraktionsvorsitzende der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus auf einem klassischen Beamtenposten untergebracht werden soll, hat selbst grün-rote Koalitionäre erstaunt. Die Entscheidung hat auch einige Unruhe ausgelöst. Offiziell wird zwar der Eindruck vermittelt, es handele sich um einen einvernehmlichen Beschluss von SPD und Grünen. Der Bundesratsminister Peter Friedrich, Statthalter in Berlin mit SPD-Parteibuch, sagt, die Personalentscheidung sei auch mit sein Wunsch gewesen. Auch familiäre Gründe werden als Motive genannt. Ratzmann ist mit der Freiburger Bundestagsabgeordneten Kerstin Andreae (Grüne) verheiratet; sie haben zwei kleine Kinder.

 

Tatsächlich gehen die Deutungen zwischen SPD und Grünen weit auseinander, was Ratzmann auf dem Posten eigentlich machen soll. Die Sozialdemokraten sind vor allem darauf bedacht, auf die Rangordnung zu verweisen. Der neue Mitarbeiter mit politischer Karriere wird gleich zwei hierarchische Ebenen über sich haben – zunächst die Abteilungsleiter und dann den Minister. Für die Koordination im Bundesrat soll unverändert Minister Peter Friedrich zuständig sein. So sieht das jedenfalls die SPD: „Gegenüber dem Minister hat Ratzmann nichts zu melden“, sagt ein SPD-Mann, der sich wundert, dass der Grünen-Politiker für diesen Job überhaupt die Hand gehoben hat. Aus Sicht der Genossen soll der Vertraute von Ministerpräsident Winfried Kretschmann Abstimmungen vorbereiten und technische Fragen klären. „Er ist Referatsleiter für Strichdrucksachen“, sagt ein Sozialdemokrat, der die Abläufe im Bundesrat gut kennt. Strichdrucksachen werden in der Länderkammer die Empfehlungen der Ausschüsse genannt, die während der Bundesratssitzung aufgerufen werden.

Keinen Zugang zu Kaminrunden

Dass sich Ratzmann auf einen reinen Verwaltungsjob einstellt, ist aber kaum anzunehmen. Der 51-jährige Rechtsanwalt verantwortet künftig das Referat Europa und das Justiziariat, das bisher vakant ist. Es gibt jedoch eine Besonderheit: Ratzmann hat das Privileg, direkt mit dem Ministerpräsidenten sprechen zu können. Das ist auf dieser Hierarchieebene ein Novum. Zu Zeiten der schwarz-gelben Landesregierung saß auf diesem Posten ein Beamter, der die Aktivitäten der FDP-Minister koordinierte. Insofern hat es durchaus Tradition, dass die Koalitionspartner in Berlin ihre Gewährsleute installieren. Ratzmann wird im Auftrag des Ministerpräsidenten Themen wie den Länderfinanzausgleich oder die Energiewende bearbeiten. Das gehört allerdings zu den ureigenen Aufgaben der Landesvertretung. Überraschend ist, dass diese Stelle ein Politiker und nicht ein Beamter ausfüllt. Die spannende Frage lautet deshalb, welche Zusagen der grüne Horchposten in Berlin vom Ministerpräsidenten erhalten hat.

Die Personalie deutet darauf hin, dass sich Kretschmann nicht auf Bundesratsminister Friedrich mit seinen SPD-Kontakten verlassen will. Der grüne Regierungschef muss ohnehin mit einem Nachteil leben. Als einziger Ministerpräsident hat er keinen Zugang zu Kaminrunden der Ministerpräsidenten, in denen die Länderfürsten getrennt nach CDU/CSU- und SPD-Parteibuch vor dem Bundesrat die Köpfe zusammenstecken. Da wird Politik gemacht.