Das Landesturnfest, das Ende Mai zigtausend Menschen nach Ludwigsburg bringt, findet wahrscheinlich nicht statt. Das hat eine besondere Tragik.

Region: Verena Mayer (ena)

Ludwigsburg - Die Vorfreude in Ludwigsburg ist riesig: Auf ein „tolles Event“, auf eine „riesige Chance“, auf ein „schönes Fest“, das die Stadt „zusammenschweißen wird“. Solch euphorische Worte finden die Ludwigsburger Stadträte selten, und noch dazu so einmütig. Doch das Landesturnfest macht es möglich.

 

Drei Wochen liegt diese freudig gestimmte Sitzung des Gemeinderats nun zurück – und inzwischen mutet die dort ebenfalls geäußerte Hoffnung auf gutes Wetter fast rührend an. Denn mittlerweile ist es wahrscheinlich, dass das regelrecht glorifizierte Event gar nicht stattfindet. Terminiert ist es für den 21. bis 24. Mai, erwartet werden zigtausende Menschen – und das ist coronabedingt zu einem Problem geworden. Mit dieser Tatsache müssen in diesen Tagen viele Veranstalter klarkommen – im Falle des Landesturnfests hat das aber eine besondere Tragik. Das hängt mit dem Aufwand zusammen und mit der Vorgeschichte.

Im Prinzip, so formulierte es der Chefkoordinator Raphael Dahler in jener Gemeinderatssitzung vor drei Wochen, arbeitet die ganze Verwaltung an dem Fest – bei dem es längst nicht nur ums Turnen geht. Neben den Wettkämpfen der Spitzensportler soll es Mitmachangebote geben und Schauvorführungen im gesamten Stadtgebiet für Nicht-Sportler. Auf dem Akademiehof etwa würden ein Warrior-Parcours und eine Salto-Lern-Maschine aufgebaut, in der Eishalle gäbe es eine Bewegungswelt, auf dem Marktplatz Konzerte und Messen, hinzu kämen eine Gala, eine Matinee und ein Festzug. Fünf eng beschriebene DIN-A4-Seiten sind nötig, um alle Programmpunkte aufzulisten, die seit rund zwei Jahren vorbereitet werden. Es ist wirklich nicht übertrieben, zu behaupten, Ludwigsburg würde sich für vier Tage in einen riesigen Spielplatz verwandeln. Die Stadt rechnet nicht nur mit 15 000 Sportlern, sondern auch mit bis zu 100 00 Besuchern in Ludwigsburg.

Am Geld wäre das Event fast gescheitert

Untergebracht, so sieht es zumindest der Plan vor, würden die Sportler in Ludwigsburger Schulen, wo Gruppenunterkünfte eingerichtet werden. Und, weil das nicht reicht, in Schulen und Sporthallen der Nachbarkommunen Asperg, Remseck, Marbach und Freiberg. Für diese Anmietung hat der Gemeinderat sogar 15 000 Euro zusätzlich bewilligt, und das ganz ohne zu murren. Denn am Geld wäre die Ausrichtung der traditionsreichen Veranstaltung fast gescheitert.

Um die Ausrichtung dieses 70. Landesturnfests hat sich Ludwigsburg vor drei Jahren nämlich erst im zweiten Anlauf beworben. Zunächst hatte die Stadt dem Schwäbischen Turnerbund (STB) als Veranstalter eine Abfuhr erteilt, weil sie das Großereignis zu viel Geld gekostet hätte. Der Zuschuss, den der STB forderte, hätte die städtischen Ausgaben für das Fest auf mindestens 700 000 Euro anwachsen lassen. Als der STB schließlich erklärte, auch mit 300 000 Euro auszukommen, war Ludwigsburg dann doch dabei. Mit den Kosten für ihr Personal und die Gebäude- und Raummieten, kostet die Stadt die Mini-Olympiade insgesamt 415 000 Euro. Wenn sie denn stattfindet. Und das wird immer unwahrscheinlicher.

Die Entscheidung fällt am Dienstag

Am Mittwoch noch erklärte die Stadtverwaltung in Absprache mit dem Schwäbischen Turnerbund, dass man die aktuelle Entwicklung zwar „mit großer Aufmerksamkeit und großer Sorge“ beobachte – aber noch nichts Endgültiges sagen könne, weil nicht absehbar sei, wie sich die Lage bis Ende Mai entwickelt. „Bis auf Weiteres“ würden die Vorbereitungen deshalb wie geplant weiterlaufen. Einen Tag später jedoch, am Donnerstag, teilte die Stadtverwaltung mit, dass das Landesturnfest „aller Voraussicht nach abgesagt“ werde. Die abschließende Entscheidung fällt am kommenden Dienstag. Dann bespricht sich die Stadt mit dem Präsidium des Schwäbischen Turnerbundes.

Aller Voraussicht nach wird die Vorfreude auf das Fest in diesem Fall die schönste Freude gewesen sein.