China will in Schlüsselindustrien die Spitzenposition erobern. Das stößt bei der Wirtschaft im Südwesten auf großes Interesse, wie die Rekordbeteiligung an einer Delegationsreise des Wirtschaftsministeriums zeigt. Es gibt aber auch warnende Stimmen.

Stuttgart - Die Reise nach China ist für die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut ein persönlicher Rekord. „Mit 100 Teilnehmern ist das meine bislang größte Delegation“, berichtet die Ministerin. Sie führt das Ressort seit drei Jahren und hat in dieser Zeit schon eine ganze Reihe von Auslandsreisen unternommen, die Unternehmen beim Knüpfen von Kontakten unterstützen sollen – unter anderem in so unterschiedliche Länder wie die USA und Vietnam. Das Interesse an der China-Reise sei immens. „Leider konnten wir einige Anfragen, die nach dem Anmeldeschluss eingingen, aus Kapazitätsgründen nicht mehr berücksichtigen“, bedauert die Ministerin.

 

Mit den thematischen Schwerpunkten der Reise hat die Ministerin offenbar einen Volltreffer gelandet. Es geht bei den Besuchen von chinesischen Unternehmen und Forschungsinstituten vor allem um Künstliche Intelligenz (KI) und den Vormarsch der Elektromobilität in der Automobilindustrie. Das Reich der Mitte hat sich ehrgeizige Ziele gesteckt. China will nicht länger nur die Werkbank der Welt sein. Die Volksrepublik will zum weltweit führenden Land für KI werden und auch bei der Elektromobilität Vollgas geben. „Künstliche Intelligenz ist eine der zentralen Zukunftstechnologien – auch für den Standort Baden-Württemberg“, sagt Hoffmeister-Kraut. Dasselbe gelte für die Entwicklung und Produktion von Batteriezellen. „Deswegen ist es spannend, mir einen Eindruck zu verschaffen, wie sich hier China positioniert“, sagt die Ministerin. Auf dem Programm der Reise stehen unter anderem Gespräche bei den Autobauern Geely und BYD, bei Global Playern der Internet- und Elektronikbrauche wie Tencent oder Huawei, aber auch Treffen mit jungen Unternehmen aus diesen Zukunftsbranche. „Mit den Besuchen bei Geely oder BYD wollen wir erfahren, wo die chinesische Wirtschaft bei den entscheidenden Fragen steht: Reichweite, Infrastruktur und Preis“, erläutert die Ministerin. Mit seiner Beteiligung an Daimler sei Geely natürlich von besonderem Interesse.

Schon Lothar Späth pflanzte in China Bäume als Zeichen der Freundschaft

„Für viele Unternehmen aus dem Land ist China ein wichtiger Markt, der für ihr Wachstum entscheidend ist“, hebt Hoffmeister-Kraut hervor. Die Grundlagen dafür wurden schon früh gelegt. In den achtziger Jahren reiste der damalige Ministerpräsident Lothar Späth durch chinesische Provinzen, pflanzte mit einer Delegation Bäume als Zeichen der Freundschaft und sondierte die Marktchancen für Unternehmen aus dem Südwesten. Schon seit 1982 gibt es eine „gemischte Arbeitsgruppe für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit“ mit der Provinz Liaoning im Nordosten der Volksrepublik, seit 1986 eine ähnliche Arbeitsgruppe mit der Provinz Jiangsu, die in der Nähe von Shanghai an der Ostküste liegt. Offiziell besiegelt wurde die Partnerschaft mit Jiangsu 1994 auf einer Delegationsreise des damaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel.

In Nanjing unterhält Baden-Württemberg ein eigenes Büro

In Nanjing, der Hauptstadt von Jiangsu, unterhält Baden-Württemberg ein eigenes Büro. Dort wird die Wirtschaftsministerin in der kommenden Woche das 25-jährige Bestehen dieser Partnerschaft feiern. „Durch die Zusammenarbeit mit den Partnerregionen können wir eine Brücke für Unternehmen bauen, die sich dort ansiedeln oder Handelsbeziehungen intensivieren wollen“, sagt die Wirtschaftsministerin. Oft sei ja auch die Verwaltung ein Hindernis bei Investitionsentscheidungen.

Im vergangenen Jahr sind die Exporte aus Baden-Württemberg deutlich gestiegen. Ob der Schwung beim Export anhalten wird, bleibt indes abzuwarten. Denn die Konjunktur in China hat sich eingetrübt. Eine weitere Abschwächung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung könnte drohen, wenn sich die Unterhändler von China und den USA nicht darauf einigen können, den Handelsstreit zwischen beiden Ländern beizulegen. Nicht nur die konjunkturellen Perspektiven haben sich eingetrübt. Seit China sich auf den Weg gemacht hat, eine industrielle Großmacht zu werden, wächst im Westen die Sorge, dass bei der globalen Expansion auch unfaires Doping in Form von üppigen staatlichen Subventionen eingesetzt werden könnte. In einem ungewöhnlichen Vorstoß hat der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) im Januar in einem Grundsatzpapier die Bundesregierung und die Europäische Kommission aufgefordert, die europäischen Unternehmen im Wettbewerb mit Chinas staatlich gelenkter Volkswirtschaft zu stärken und staatlich finanzierte Übernahmen europäischer Technologieunternehmen schärfer zu kontrollieren. Bereits im Dezember wurde in Deutschland vor allem zur Abwehr chinesischer Investoren die Schwelle für eine genauere Überprüfung bei Beteiligungen in sicherheitsrelevanten Bereichen, wie etwa Energieversorgern, von 25 auf zehn Prozent gesenkt. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier denkt zudem über einen staatlichen Fonds nach, mit dessen Mitteln verhindert werden könnte, dass industrielle Perlen von Chinesen weggeschnappt werden könnten.

Nicole Hoffmeister Kraut: Das Land profitiert von chinesischen Investoren

„Es gibt natürlich ein gewisses Spannungsfeld“, sagt Hoffmeister-Kraut, „was einerseits das politische System in China angeht, das in Teilen nicht unserem Wertesystem entspricht, und andererseits dem wirtschaftlichen Erfolg, den das Land vorzuweisen hat.“ Als Exportland sei Baden-Württemberg auf offene Märkte, freien Waren- und Kapitalverkehr und die Gleichbehandlung von Investoren angewiesen. „Hier gibt es in China noch einiges zu tun, etwa bei den Vorgaben für Firmenbeteiligungen“, so die Ministerin. Allerdings gebe es gerade in jüngster Zeit auch positive Signale. BMW habe als erster Autobauer eine Beteiligung von mehr als 50 Prozent an seinem Gemeinschaftsunternehmen mit dem chinesischen Partner Brilliance erwerben können.

Auch gebe es im Südwesten derzeit keine negativen Erfahrungen mit chinesischen Investoren. „Bisher habe ich nicht den Eindruck, dass chinesische Unternehmen wie ,Heuschrecken’ in Baden-Württemberg einfallen, Unternehmen aufkaufen, das Know-how abziehen und schließen. Im Gegenteil. Bei aller berechtigten Vorsicht“, betont Hoffmeister-Kraut: „In der Summe profitiert das Land von ausländischen Direktinvestitionen und dies gilt ausdrücklich auch für chinesische Direktinvestitionen.“