Am Mittwoch hat nach knapp drei Jahren wieder ein großer Schleuserprozess vor dem Stuttgarter Landgericht begonnen. Ein 57-Jähriger Mann soll mit Hilfe von drei weiteren Schleusern insgesamt 98 Afrikaner von Mailand über die deutsche Grenze gebracht haben.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Stuttgart - Das Verfahren ist ungewöhnlich: Am Mittwoch hat nach knapp drei Jahren wieder ein großer Schleuserprozess vor dem Stuttgarter Landgericht begonnen. Und der Hauptverdächtige Emanuel K. gesteht schnell: Schon als der 57-Jährige den Dolmetscher seinen Werdegang übersetzen lässt, gibt er zu, in Schleusungen verwickelt gewesen zu sein.

 

„Obwohl den vier Angeklagten bekannt war, dass die geschleusten Personen nicht ins Bundesgebiet einreisen dürfen, haben sie die eritreischen Staatsangehörigen gegen einen Schleuserlohn über die Grenze nach Deutschland geschleust“, verlas am Mittwochnachmittag die Staatsanwältin die Anklage. Die vier Männer, die allesamt aus der eritreischen Hauptstadt Asmara stammen, sollen im Sommer 2013 mindestens 98 Personen illegal von Mailand nach Deutschland gebracht haben.

Häufig soll Malmö das Endziel der Schleuser gewesen sein

Das Vorgehen der Schleuserbande war dabei immer ähnlich: Zwischen dem 15. Juli und 8. September 2013 soll der 57-jährige Emanuel K. entweder mit seinem eigenen Auto oder einem gemieteten Transporter, in dem bis zu neun Personen Platz fanden, nach Mailand gefahren sein. „Dort holte er die schleusungswilligen Personen ab und brachte sie über die Schweiz nach Deutschland“, so die Staatsanwältin. Die Ziele waren die Hauptbahnhöfe in Frankfurt am Main, Pforzheim oder Stuttgart.

An den Bahnhöfen soll der Hauptverdächtige die Afrikaner einem der drei Männer übergeben haben, die am Mittwoch ebenfalls vor Gericht standen. Die Bandenmitglieder, die 26, 27 und 32 Jahre alt sind, sollen die Flüchtlinge gelegentlich bis nach Skandinavien gebracht haben, meist war dabei das schwedische Malmö das Ziel der Reise.

Der Preis für die Schleusung hat wohl immer variiert

So auch am 20. August 2013, als Emanuel K. laut Anklage insgesamt elf Flüchtlinge im Schlepptau hatte und mit ihnen in einem Neunsitzer bis zum Stuttgarter Hauptbahnhof fuhr. „Die geschleusten Personen saßen teilweise auf Decken auf dem Autoboden“, so die Staatsanwältin. Angekommen in Stuttgart, kaufte eines der Bandenmitgliedern Zugtickets nach Malmö, die er den Flüchtlingen für deutlich mehr Geld wieder verkaufte.

Generell sollen die Flüchtlinge unterschiedliche Beträge für ihre Verfrachtung nach Deutschland bezahlt haben: Manchen sei für den Transport nach Deutschland und das Zugticket nach Malmö 500 Euro verlangt worden, andere haben wohl bis zu 1100 Euro für die Reise hinblättern müssen. Emanuel K. sitzt seit seiner Festnahme im Oktober vergangenen Jahres in Untersuchungshaft, die anderen sind auf freiem Fuß, da sie in deutlich weniger Fällen von Schleusung angeklagt sind.

Der Hauptverdächtige ist bereits 1980 von Eritrea nach Deutschland gekommen und lebt seit 1985 in Stuttgart. Dort hielt er sich mit Putzjobs, Lagertätigkeiten oder als Mitarbeiter in einem Callcenter über Wasser. „Ich habe ein gutes Leben geführt und eine gute Familie“, lässt der 57-Jährige den Dolmetscher übersetzen. „Mein einziger Fehler besteht darin, dass ich mich irgendwann im Schleusen finanziell verwirklicht habe.“ Er habe nicht gewusst, dass dies eine derart schwere Straftat sei. Nachdem er erfahren habe, dass er von der Polizei gesucht werde, sei er sofort aus Eritrea, wo er sich damals aufgehalten habe, nach Deutschland gekommen.

Laut Medienberichten machen kriminelle Organisationen mit illegalen Schleusungen nach Europa inzwischen mehr Gewinn als mit Drogenhandel. Das Verfahren wird am Montag, 13. April, fortgesetzt.